Erdogan Fans und die Grenzen des gesun­den Menschenverstandes

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In den letz­ten Monaten habe ich vie­le Artikel über Erdogans Vorhaben gele­sen, die Türkei zur Präsidialdemokratie umzu­ge­stal­ten. Sogar die Schriftstücke über die geplan­te Verfassungsänderung habe ich mir auf der Website von Prof. Rumpf her­un­ter­ge­la­den und sie gelesen. Ich behaup­te nicht, alles ver­stan­den zu haben. Schließlich bin ich kein Jurist. Aber ich den­ke, die Bedenken, die von…

In den letz­ten Monaten habe ich vie­le Artikel über Erdogans Vorhaben gele­sen, die Türkei zur Präsidialdemokratie umzu­ge­stal­ten. Sogar die Schriftstücke über die geplan­te Verfassungsänderung habe ich mir auf der Website von Prof. Rumpf her­un­ter­ge­la­den und sie gelesen.

Ich behaup­te nicht, alles ver­stan­den zu haben. Schließlich bin ich kein Jurist. Aber ich den­ke, die Bedenken, die von ver­schie­de­nen unab­hän­gi­gen Stellen vor­ge­bracht wur­den, darf man tei­len. Es könn­te auch die Regel gel­ten, dass es uns Deutschen gut anstün­de, uns nicht in die Belange eines ande­ren Landes einzumischen.

Aber umge­kehrt muss das auch gel­ten. Auch, wenn es schwie­rig ist, bei den beson­de­ren Beziehungen bei­der Länder, die Nichteinmischung zu befol­gen. Erdogan und sei­ne Mitstreiter aber haben sich in den ver­gan­gen Monaten (und schon davor) aus unse­ren Belangen nicht her­aus­ge­hal­ten. Sie haben in unflä­ti­ger Art und Weise gegen Deutschland und sei­ne Regierung agitiert.

Das schreit nach Auflehnung.

Die Erdogan-Anhänger, die im Deutschen Fernsehen zahl­reich zu Wort kamen, haben es an Kritik nicht man­geln las­sen. Immer wie­der beton­ten sie, dass es für die Vorbehalte der deut­schen Politik und unse­rer Medien kei­nen Anlass gäbe. Man hat­te häu­fig den Eindruck, die­se Leute spre­chen von einem ande­ren Land, und wir wären ein­mal mehr auf unse­re «Lügenpresse» hereingefallen.

Diese mie­se Tour der Rechten haben vie­le Türken auch längst drauf. Die im TV auf­fäl­lig häu­fig vor­kom­men­den Verfechter von Erdogans Plänen ver­mit­tel­ten dem Zuschauer das Gefühl, Deutschland gin­ge schänd­lich mit den Türken um. Die Opferhaltung kam auch in die­ser Debatte schnell zum Vorschein.

Alle inter­na­tio­na­le Kritik, die aus Deutschland sowie­so, urtei­le ein­sei­tig, wenn nicht ganz und gar ten­den­zi­ös, wenn es um das Referendum Erdogans gin­ge. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Meinungsfreiheit, dies alles sei nach wie vor gewähr­leis­tet – auch nach Einführung des Präsidialsystems.

Es galt das Motto: was küm­mert uns die Aussagen der Venedig-Kommission der EU, dass die Türkei vor der Einführung einer Autokratie stehe?

Erdogan hat in den letz­ten ner­vö­sen Tagen vor dem Referendum end­gül­tig die Beherrschung ver­lo­ren. Er sag­te näm­lich in einem Interview zu einer Auslieferung von Deniz Yücel an Deutschland etwas abgrund­tief Dummes: «Auf kei­nen Fall, solan­ge ich in die­sem Amt bin niemals.»

Außerdem stell­te er fest: «Wenn einer von denen uns in die Hände fällt, wer­den sie die­sel­be Behandlung erfah­ren.» Diese Warnung an ande­re Journalisten oder «Verschwörer» ist wohl völ­lig unmiss­ver­ständ­lich. Ob sei­ne Fans dazu immer noch applau­die­ren? Natürlich wer­den sie das, denn ihnen ist nicht zu hel­fen. Sie ste­hen schließ­lich in der Schuld des kom­men­den Sultans eines neu­en osma­ni­schen Reiches.

Die Tragweite die­ser bei­den Kernsätze im Interview hat er ent­we­der selbst nicht bemerkt, weil er den Blick für die Realitäten ver­lo­ren hat, oder es war ihm egal. Sie stel­len jeden­falls bloß, wie weit sich die­ser Herr über all das stellt, was ein­mal die Umschreibung des Begriffs «tür­ki­scher Rechtsstaates» ver­dient gehabt hatte.

Wenn in Diskussionen im hie­si­gen TV danach gefragt wur­de, wel­che Vorwürfe man Yücel denn exakt mache, kam die nicht unbe­grün­de­te Antwort der Erdogan-Fans, man sol­le die tür­ki­schen Gerichte doch zuerst ein­mal in Ruhe ihre Arbeit machen las­sen. Dann wer­de man weitersehen.

Wie wenig ernst zu neh­men sol­che pro­pa­gan­dis­ti­schen Hinweise auf die vor­geb­lich intak­te Rechtsstaatlichkeit der Türkei sind, erkennt man an den schon erwähn­ten Sätzen des tür­ki­schen Staatspräsidenten, weil er sich damit über alle dort exis­tie­ren­den Instanzen gestellt hat!

Welcher Polizist, Staatsanwalt oder Richter soll Erdogan in die­sem kon­kre­ten Fall denn entgegentreten? 

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12 Gedanken zu „Erdogan Fans und die Grenzen des gesun­den Menschenverstandes“

  1. Ganz grus­lig, was da abgeht. So rich­tig ver­ste­he ich nicht, war­um die Reaktionen aus Berlin und der EU immer so zurück­hal­tend sind. Wo sind wir denn von der Türkei abhän­gig – mehr als sie von uns? Dass noch immer Gelder wg. «Beitrittsgesprächen» flie­ßen, ist doch hoch­gra­dig absurd. 

  2. Ich fin­de, EU Beitrittsgespräche gehö­ren nicht unter­bro­chen, son­dern abge­bro­chen. Da kann man sich das noch so schön reden, dass es eine ?demo­kra­ti­sche? Wahl war. 

  3. Sag’s ein­fach kurz und bün­dig: Die Wahl zu sei­nen Gunsten hat E. qua­si des­halb auch nur gewon­nen, weil er vie­le, die noch einen gesun­den Menschenverstand besit­zen, ver­folgt und weg­ge­sperrt hat. 

    • Ne, das ist jetzt aber nicht rich­tig. Gerade weil die mit gesun­dem Menschenverstand frei sind, hat er die Abstimmung gewonnen. 

      Man durf­te (!!!) zwi­schen 2 Dingen wäh­len; ein­mal «Ja», für das neue Regierungssystem oder «Nein», gegen das neue Regierungssystem. Die Mehrheit hat für «Ja» gestimmt. 

      Alle Behauptungen die Türkei wür­de sich jetzt zu einer Diktatur ver­än­dern sind halt­los, völ­lig über­zo­gen und irrational.

      Ich hege zwar kei­ne Hoffnung das mein Kommentar hier erscheint, aber es reicht mir, das Sie ihn gele­sen haben. Es gibt ver­dammt vie­le Versionen des immer glei­chen Satzes. Irgendein faden­schei­ni­ger Grund der her­an­ge­zo­gen wird um zu legi­ti­mie­ren Fremde aus dem eige­nen Land zu ekeln/​jagen/​vergraueln.

      Das ist so typisch! Anfangs dacht ich Sie wären jemand mit dem sich dis­ku­tie­ren lohnt. Doch ich sehe in dem Artikel und ihren Kommentaren, ich habe mich zu tiefst geirrt. Scheint als hät­te ich auch einen abgrund­tief dum­men Fehler gemacht. Ich dach­te ich hät­te einen Menschen vor mir kei­nen AfD-gesinnten. 

  4. Ja, das habe ich in den Nachrichten auch mit­be­kom­men… Das macht mir alles Angst, beson­des dass nun auch die Möglichkeit bestehen könn­te, die Todesstrafe ein­zu­füh­ren und die ers­ten Hinrichtungen zu vollstrecken.
    Trotzdem wün­sche ich noch allen einen schö­nen Osterabend. 🙂 

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