Totgesagte leben oft länger als „man” glaubt

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Der Abgesang auf die SPD erin­nert mich an die hämi­schen Kommentare, die vor vier Jahren nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag geschrie­ben wur­den. Übrigens auch von mir.

Verglichen mit die­sen Texten sind die aktu­el­len „Abgesänge” auf die SPD noch eine Spur gehäs­si­ger. Das ist Empfindungssache. Vielleicht geht es denen ja anders, die mit der SPD schon längst nicht mehr anzu­fan­gen wis­sen. Allerdings passt die Verschärfung der zum all­ge­mein bru­ta­ler gewor­de­nen Umgang in poli­ti­schen Diskussionen.

Ein Journaliste kom­men­tier­te damals:

Die FDP soll­te schleu­nigst nach Antworten auf ihre Daseinsberechtigung suchen und das mög­lichst nicht in der Vergangenheit. Ein Anfang wäre ja schon mal gemacht, wenn kein Lothar Matthäus ver­pflich­tet wird. Ob Christian Lindner der rich­ti­ge Mann ist, wage ich aller­dings zu bezwei­feln. Auch Loddar hat sich stets selbst ins Spiel gebracht, um am Ende wie­der mal im Abseits zu ste­hen.Quelle: Gründe für die Niederlage der FDP – The European |
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Nicht nur Häme

Dass auf Andrea Nahles ver­ba­le Fehltritte nur gewar­tet wur­de, war schon klar noch bevor sie im neu­en Amt war. Als SPD – Fraktionsvorsitzende kommt sie nicht bes­ser weg als der Wahlverlierer und SPD – Vorsitzende, Martin Schulz.

Die kon­ser­va­ti­ven Medienvertreter echauf­fie­ren sich, wenn Andrea Nahles angeb­lich aus der Rolle fällt. Dafür reicht, wenn sie ihrem Konterpart, Wolfgang Kubicki, im Fernsehen einen „Schmatzer” hinwirft.

Die ehe­ma­li­ge Arbeitsministerin sah hier ihr gro­ßes Werk, ja ihr Herzensprojekt ange­grif­fen. „Das ist nicht die neue FDP, das ist wie­der ganz die alte. Aber Sie haben ja gesagt, Sie wol­len die sozi­als­te Politik ever machen. Schau’n wir mal“, motz­te Nahles und warf Kubicki laut­stark einen Schmatzer zu.Quelle: „Maybrit Illner“: Und dann wirft Andrea Nahles Kubicki einen Schmatzer zu – WELT |
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Das schien in der neu­en Lage der SPD fast schlim­mer als ihre im Bundestag vor­ge­tra­ge­ne Strophe aus Pippi Langstrump.

Millionenklicks gegen Langeweile

Sie bescher­te Nahles bei Youtube Millionenklicks und damit weit mehr Beachtung als Kanzlerin Angela Merkel Youtube – Farblos-Statements je errei­chen konnte.

Der Vortrag ver­stärk­te nichts­des­to­we­ni­ger mit Hilfe der gei­fern­den Medien ihre bis dahin schon unglaub­lich (nega­ti­ve) Popularität. Ähnlich nega­tiv her­vor­ge­ho­ben und befrach­te­tet wur­de ihre „Fresse”-Vortrag unmit­tel­bar nach den Wahlen.

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Was ist los im Haus der SPD?

Eine auch aus mei­ner Sicht gute Zusammenfassung der aktu­el­len Lage der SPD lie­fert ein Kommentar von Taz – Korrespondenz, Stefan Reinecke.

Gleich zu Beginn sei­nes Beitrages spricht Reinecke einen Punkt an, den ich hier im Mai 2017 schon kri­ti­siert hat­te: „Es exis­tier­te kei­ne für ihn kom­po­nier­te Kampagne.

Agenda-Politik

Maybrit Illner frag­te Nahles bei der erwähn­ten Talk-Show, ob die Agenda 2010 ein Fehler gewe­sen sei.

Es wäre ja ein gefun­de­nes Fressen für die Medien, wenn irgend­wer aus der SPD das end­lich mal so sagen würde!

Aber wir wis­sen, dass wir die­se Worte von den Leuten, die in der Partei seit Jahren Spitzenpositionen inne haben, nie hören wer­den. Selbst nicht von Nahles, die zur SPD – Linken gezählt wird und zur Agenda ver­mut­lich ein eige­nes Verhältnis haben wird.

Ganz zu schwei­gen von Leuten wie Olaf Scholz oder ande­ren so genann­ten Rechten in der SPD.

Solange die­se inner­halb des Apparates SPD etwas zu sagen haben, sind die im Beitrag von Reinecke ange­spro­che­nen über­kom­me­nen Strukturen nicht zu moder­ni­sie­ren. Dafür wäre mehr Personal- und Programmwechsel nötig.

Linke in der SPD

Der Einfluss der par­la­men­ta­ri­schen Linken ist (jeden­falls noch) nicht stark genug, um etwas zu ver­än­dern. Nicht ein­mal sie kann sich von der Agenda – Politik Schröders abset­zen. Sie ver­sucht es nicht ein­mal, ob ihre kri­ti­sche Haltung bekannt ist.

Schulz hin­ge­gen galt als beschei­den, immun gegen Statussymbole und mit Antennen für die Klientel ohne Jurastudium. Damit hät­te er durch­aus die Selbstversöhnung der Post-Agenda-2010-Sozialdemokratie ver­kör­pert kön­nen. Verschüttete Milch.Quelle: Kommentar Zustand der Sozialdemokratie: Diszipliniert ins Abseits – taz​.de |
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Schulz ist nicht bescheiden!

Ich fin­de es gera­de­zu lächer­lich, wenn Taz-Korrespondent Reinecke Martin Schulz als beschei­den und immun gegen Statussymbole beschreibt!

Habe ich eigent­lich allein die eine ordent­li­che, glaub­haf­te und nach­voll­zieh­ba­re Stellungnahme von Martin Schulz über­se­hen, in der er die vom ARD-Magazin „Report” auf­ge­brach­ten Unregelmäßigkeiten wenigs­tens halb­wegs ent­kräf­tet hätte?

Stimmen die Vorwürfe nicht oder gehen wir in der Gewissheit zur Tagesordnung über, dass sowas ja ohne­hin alle Politiker tun und für eine Entscheidung bei den Wahlen kei­ne Rolle spielt?

Von einer Persönlichkeit, die die­sen expli­zi­ten Anspruch auf Führung erhebt, erwar­te ich mehr. Martin Schulz ist der fal­sche Mann an der SPD-Spitze. Ich gehe davon aus, dass die Genossen das längst so sehen und die Konsequenzen trotz der gewon­nen Niedersachsen-Wahl bald gezo­gen werden.

Enttäuschte Wähler

Ich habe von der SPD mehr erwar­tet! Weil ich so boden­los ent­täuscht bin, wäre ich fast gar nicht wäh­len gegangen.

Allein die Perspektive, dass die Große Koalition fort­ge­setzt wür­de, reich­te mir als Horrorszenarium. Ich habe es mir kurz vor dem Wahltermin noch anders über­legt, weil die Hoffnung auf­keim­te, dass die Partei die Stimmung an „der Basis” doch anti­zi­pie­ren wür­de. Eine Mitgliederbefragung war schließ­lich auch überflüssig.

Die SPD befin­det sich in der glei­chen Abwärtsspirale, wie wir das auf euro­päi­scher Ebene bei eini­gen sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Parteien miterleben.

Ich glau­be, dass das vor allem damit zu tun hat, dass die Deindustriealisierung schon viel stär­ker wirkt als es in unse­rer Öffentlichkeit beschrie­ben wird. Der so genann­te Mittelstand beginnt zu brö­ckeln. Aber die „Einschläge” sind noch nicht nahe genug, um vie­len die Hoffnung auf die Wirksamkeit alter, über­hol­ter Konzepte zu nehmen.

Die Gewerkschaften ver­lie­ren eben­so an Einfluss wie auch die Parteien es in der Folge tun. Wer die Entsolidarisierung der Menschen noch (immer) nicht mit Händen grei­fen kann, der möge einen Blick auf die Mitgliederentwicklung und das nach­las­sen­de Engagement der Bürger wer­fen, jenes Engagement, das mit der Flüchtlingskrise ver­bun­den ist, ein­mal ausgenommen.

Wer vertritt die Interessen der Arbeitnehmer?

Die Gewissheit frü­he­rer Jahrzehnte, die SPD sei die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen, ist nicht erst seit der Agenda-Politik ins Rutschen gekom­men. Wenn die Strukturen der welt­weit ver­netz­ten Wirtschaft die Einmischung natio­na­ler Instanzen be- wenn nicht gar ver­hin­dern, wo könn­te eine wir­kungs­vol­le Interessenvertretung über­haupt stattfinden?

Die Folgen der Globalisierung und die damit ein­her­ge­hen­de sicht­ba­re Ohnmacht natio­na­ler Regierungen gegen­über der wei­ter anwach­sen­den Macht des Kapitals führt nicht nur zu einer Vertrauenskrise in klas­si­sche Arbeitnehmerinteressenvertreter (SPD, Gewerkschaften), son­dern zu einem all­ge­mei­nen Vertrauensverlust in alle demo­kra­ti­sche Institutionen.

Ideologiefrei?

Diese Entwicklung hat viel­leicht eine gute Seite. Wir haben wei­test­ge­hend die Kämpfe der Ideologen mit gro­ßen Risiken für die welt­wei­te Sicherheit (nuklea­re Bedrohung) vllt. hin­ter uns gelas­sen haben.

Wir erleb­ten im Schatten die­ser gewal­ti­gen Veränderungen, die wir als Globalisierung bezeich­nen, dass sich die Schere zwi­schen arm und reich welt­weit schnell und weit geöff­net hat.

Die Union ging mit dem Spruch in den Wahlkampf: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und ger­ne leben”.

Weil Schulz’ Wahlkampf mise­ra­bel vor­be­rei­tet war, ver­fing sein Thema „Soziale Gerechtigkeit” nicht. Zu Beginn der „Kampagne” mach­te dies zwar einen ande­ren Eindruck, aber durch die feh­len­de Konsequenz, man­gel­haf­te argu­men­ta­ti­ve Tiefe die­ser kom­ple­xen Thematik, schlug die Stimmung gegen die SPD und Schulz um. Die Leute las­sen sich nicht mehr verarschen!

Die Glaubwürdigkeit von Schulz Redevorträgen (schmerz­lich ver­miss­te Distanzierung von Schröders Agenda) war dahin. Der offen­sicht­li­che Widerspruch zwi­schen der pro­vo­kan­ten Unions-Plattitüde (dem Land, in dem wir gut und ger­ne leben!) und der tat­säch­lich höchs­tens als durch­wach­sen bewer­te­ten Lage im Land fand kei­nen Niederschlag mehr. Die Umfrageergebnisse fielen.

Das nicht neue Phänomen des stei­len Auf- und Abstieges wur­de durch die nega­ti­ve Berichterstattung der Medien eben­so beflü­gelt wie auf der ande­ren Seite der immer stei­le­re Aufstieg der nationalistisch/​rassistischen AfD.

Wahrscheinlich wur­den die Gründe für den rapi­den Vertrauensverlust im Artikel von Reinecke gut erfasst.

Ich fand erneut inter­es­sant, wie rigo­ros unse­re Medien Schulz nach einem kur­zen Hype fal­len lie­ßen. Ich bin davon über­zeugt, dass nicht immer nur die Worte oder die Inhalte, die Politiker sagen und ver­mit­teln aus­schlag­ge­bend sind, son­dern immer häu­fi­ger wird die ver­nich­ten­de Resonanz durch die (immer stär­ker inter­pre­tie­ren­den und wer­ten­den) Medien erzielt. Ob das der staats­tra­gen­den Verantwortung der vier­ten Gewalt Rechnung trägt, wage ich zu bezweifeln. 


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