Wir machen es uns vielleicht zu einfach?

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 10 Kommentare

Meine Erwartungen bezüg­lich der Jamaika-​Koalition sind nicht ein­ge­tre­ten. Ich hat­te bis zuletzt geglaubt, die betei­lig­ten Parteien wür­den die­se Chance wahr­neh­men und in vie­ler­lei Hinsicht einen Neustart der deut­schen Politik hinbekommen.

Wenn jetzt aller­dings so getan wird, als sei das Scheitern der Sondierungsgespräche allein dem Unwillen, der Unfähigkeit oder gar poli­ti­schem Kalkül der FDP oder Grünen zuzu­schrei­ben, gebe ich zwei­er­lei zu Bedenken:

1.) Die Wahlberechtigten haben am 24. September 2017 die­ser (Jamaika-) Konstellation eine Präferenz gege­ben. Für mich ist es nach wie vor rich­tig, dass die SPD das Wahlergebnis als Abwahl der Großen Koalition ver­stan­den und die für das Land not­wen­di­gen Konsequenzen hier­aus gezo­gen hat.

Mit ande­ren Worten: Wir haben alle gemein­sam unse­ren Anteil an der poli­ti­schen Lage unse­res Landes. Die Kernpunkte der Auseinandersetzungen spal­ten unser Land seit lan­gem und es wäre schon erstaun­lich, wenn sie bei den geschei­ter­ten Verhandlungen nicht eben­falls im Mittelpunkt der Kontroversen gestan­den hätten.

2.) Von Beginn an war klar, dass die Grünen in die­sen Verhandlungen mit ihren Positionen zu Flucht/​Asyl (Einwanderungsgesetz, Familiennachzug) und Klimaschutz (Kohlekraftwerke) quer zu denen der Union und der FDP gestan­den haben. Deshalb schweb­te das Scheitern von Anfang an wie ein Damoklesschwert über die­sen Verhandlungen.

Ich neh­me Christian Lindner ab, dass er nach den wochen­lan­gen Verhandlungen kei­ne Chance für eine Koalition mehr gese­hen hat, die die­se Legislaturperiode poli­tisch zum Wohl des Landes gestal­ten könn­te. Es macht aus mei­ner Sicht wenig Sinn, den betei­lig­ten Parteien nun die Art Vorhaltungen zu machen, die wir im Moment aus allen mög­li­chen Ecken und in unter­schied­lich kras­ser Form zu hören bekommen.

Es ging um viel und die gegen­sätz­li­chen Positionen haben sich, trotz einer von mir unter­stell­ten hohen Bereitschaft, gang­ba­re Kompromisse zu fin­den, nicht über­win­den lassen.

Gleichwohl müs­sen wir uns dar­auf ein­stel­len, dass nichts mehr so sein wird, wie es bis­her gewe­sen ist. Dass der DAX heu­te mit einem leich­ten Kursrückgang reagiert hat, ist nur ein schwa­ches Indiz dafür, was uns bevor­ste­hen könnte.

Die SPD hat heu­te durch den ein­mal mehr arro­gant auf­tre­ten­den Noch-​Parteivorsitzenden, Martin Schulz, signa­li­siert, nicht in eine neue GroKo ein­tre­ten zu wol­len – übri­gens auch dann nicht, wenn die­se nicht mehr von Kanzlerin Merkel geführt wür­de. Inwieweit Neuwahlen durch die Bildung einer von vie­len für unser Land schlech­ter­dings als unmög­lich bezeich­ne­te Minderheitsregierung ver­mie­den wer­den könn­ten, bleibt abzu­war­ten. Vermutlich haben die­se Leute Recht, wenn sie die­ses Modell (das es für zwei Jahre ein­mal in NRW gege­ben hat) auf Bundesebene ausschließen.

Eine vor weni­gen Tagen ver­öf­fent­li­che Umfrage hat erge­ben, dass sich bei evtl. Neuwahlen die Stimmenanteile gegen­über den letz­ten Wahlen kaum ver­än­dert hät­ten. Das gilt für die Union eben­so wie für die SPD und auch die klei­ne­ren Parteien.

Wir ken­nen seit dem 2. Weltkrieg sol­che Situationen im poli­tisch sta­bi­len Deutschland bis­her nicht. Für eini­ge ande­re euro­päi­sche Länder stel­len sie indes nichts Neues dar. Auch wenn Deutschland ein wirt­schaft­li­cher Riese ist, eine län­ge­re Zeit hin­durch amtie­ren­de geschäfts­füh­ren­de Regierung ist nichts, wor­aus ein poli­ti­schen Krisenfall erge­ben muss.

Deutschland braucht eine hand­lungs­fä­hi­ge Regierung. Diese haben wir des­halb nicht, weil wir am 24.9.2017 so gewählt haben. Ich fin­de, die geschei­ter­ten Sondierungsgespräche sind nicht der schlech­tes­te Anlass, die­se dar­aus ent­stan­de­ne Lage Deutschland als Ausweis einer leben­di­gen Demokratie zu bezeich­nen. Wie immer hat „die Politik” nach Kompromissen gesucht, zu denen wir – die Wähler*innen – sie mit unse­rem Votum „gezwun­gen” haben.

Jetzt hat es nicht geklappt. Und das, obwohl doch vie­le behaup­tet hat­ten, dass die Verhandler sowie­so nur an den Plätzen an Merkels Kabinettstisch inter­es­siert gewe­sen wären. Das kann man unter den gege­be­nen Umständen nicht mehr sagen. Dass man Lindner ande­rer­seits als leuch­ten­des Beispiel für Standhaftigkeit fei­ert, ist aller­dings eben­so über­trie­ben. Für mich wirk­ten sei­ne Statements wie die Fortsetzung des auf ihn zuge­schnit­te­nen Wahlkampfs in schwarz/​weiß-​Bildern.

Wenn es zu Neuwahlen käme – und bis dahin wird es ver­mut­lich Monate dau­ern – könn­ten sich gewis­se Personalien inner­halb der SPD geklärt haben. Bei etwa glei­chen Mehrheitsverhältnissen könn­te das bedeu­ten, dass die nächs­ten Sondierungsgespräche von Union, Grünen und SPD geführt wer­den. Kenia ist dann Trumpf!

Mehr Blogger zum Thema:

Der bun­des­po­li­ti­sche Scherbenhaufen und die FDP – Henning Uhle | Quelle

Jamaika-​Verhandlungen: Das hät­te das Ende der Vorratsdatenspeicherung sein kön­nen – netz​po​li​tik​.org | Quelle

SPRENGSATZ _​Das Politik-​Blog aus Berlin» Blog Archive » Die Fehlkalkulation der FDP | Quelle

Jamaika geschei­tert – jetzt schlägt die Stunde des Parlaments – Blog der Republik | Quelle

6 Gedanken zum Scheitern von Jamaika | Ruhrbarone | Quelle

Gedanken zum Scheitern der Jamaika-​Gespräche | NachDenkSeiten – Die kri­ti­sche Website | Quelle

10 Fragen nach dem Platzen der Sondierungsverhandlungen – Alice in Wonderland | Quelle

Das schwarz-​grüne Angebot, das man ableh­nen kann – Stützen der Gesellschaft | Quelle


Entdecke mehr von Horst Schulte

Melde dich für ein Abonnement an, um die neu­es­ten Beiträge per E‑Mail zu erhalten.

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


10 Gedanken zu „Wir machen es uns vielleicht zu einfach?“

  1. Wenn du erlaubst, muss ich mal kor­ri­gie­rend einschreiten:

    1.) Die Wahlberechtigten haben am 24. September 2017 die­ser (Jamaika-) Konstellation eine Präferenz gege­ben. Für mich ist es nach wie vor rich­tig, dass die SPD das Wahlergebnis als Abwahl der Großen Koalition ver­stan­den und die für das Land not­wen­di­gen Konsequenzen hier­aus gezo­gen hat.

    Jeder ein­zel­ne Wahlberechtigte hat sei­ne (Stimme(n) abge­ge­ben und damit sei­ne Präferenz, sei­ne Intention, gül­tig gemacht.
    Die Wahlberechtigten als Summe haben kei­ne Präferenz und kei­ne Intention. Da ist nichts, was inter­pre­tiert wer­den könn­te. Das Wahlergebnis errech­net sich rein arith­me­tisch. Da ist kei­ner­lei Bedeutung, son­dern aus­schließ­lich Mathematik im Spiel, kei­ne Absicht, kei­ne Präferenz, kein Ziel und kei­ne Idee.
    Niemand wur­de abge­wählt, auch das ist ein rein mathe­ma­ti­sches Ergebnis.
    Da gab es auch für die SPD nichts zu ver­ste­hen, son­dern ledig­lich fak­tisch zur Kenntnis zu nehmen.

    Ok, es sei denn, alle Wahlbeteiligten haben sich ohne mein Wissen vor­her stra­te­gisch abge­spro­chen, um ein Gemeinschafts-​Wahlergebnis zu erzielen. 😉

    Heute sind m.E. vier Parteien aus­ein­an­der gegan­gen, die letz­ten Endes gar nicht zusam­men koali­tio­när gehen woll­ten. Ok, viel­leicht die CDU und die FDP, aber die CSU garan­tiert nicht mit der FDP oder den Grünen. Für mich war das von Anfang an völ­lig klar. Selbst wenn es zu einer Koalition gekom­men wäre, die CSU hät­te bei jeder sich bie­ten­den Gelegenheit jeg­li­chen Ansatz zu ver­nünf­ti­ger Politik destru­iert. Von die­ser Partei ist bei die­sem Vordergrund-​Personal schlicht nichts ande­res zu erwar­ten. (Wo kei­ne Qualität ist, kommt als Ergebnis nie­mals Qualität heraus)

    Jetzt wer­den wir Neuwahlen bekom­men mit einer CDU-​Kanzlerkandidatin, die inzwi­schen jeg­li­ches Handeln völ­lig ein­ge­stellt hat und nur noch lee­re Phrasen abson­dert, einer SPD, die sich staats­män­nisch auf­plus­tert und dabei im Kleinkrieg mit sich selbst zer­rüt­tet. Aber auch da erscheint mir doch das Verfallsdatum prak­tisch aller Protagonisten wei­test­ge­hend überschritten.

    Die ande­ren Parteien… ach…

    Alle zusam­men schei­nen mir nur noch nach begin­nen­der Verwesung zu müf­feln, ich sehe wirk­lich nie­man­den mehr, der noch einen Hauch ernst­haf­te, fort­schritt­li­che und ziel­ge­rich­te­te Politik zu gestal­ten imstan­de wäre.

    Mir wird die zuneh­men­de Parteienverdrossenheit immer kla­rer ver­ständ­lich, ich kann immer mehr ver­ste­hen, wenn sich Menschen (egal ob in Ost oder West) zuneh­mend ver­al­bert vor­kom­men. Da wird ein ganz schlech­tes Theaterstück von ganz schlech­ten Schauspielern auf­ge­führt… gestüm­pert, und das Publikum wen­det sich so lang­sam ab.

    Ok, eini­ge grei­fen dann blö­der­wei­se nach dem Strohhalm eines noch bil­li­ge­ren, noch mie­se­ren Schmierentheaters namens AFD und mer­ken gar nicht, wie sie dabei noch mehr ver­arscht (sor­ry…) werden.

    Aber ande­rer­seits, es treibt dem Rest den Angstschweiß auf die Stirn, viel­leicht hat das ja sein Gutes? Sollte ich viel­leicht auch? Jetzt, wo Neuwahlen wahr­schein­lich wer­den, die bestimmt kein „bes­se­res” Ergebnis brin­gen werden…

    Irgendwie habe ich abso­lut kei­ne Lust mehr.

  2. Da fällt mir noch was ein:

    Gescheitert sind jetzt die „Sondierungsgespräche”! Wären die nicht geschei­tert, hät­ten wir ver­mut­lich gegen Ende die­ser Woche ein „Sondierungsergebnis” gehabt.

    Dann hät­ten die jewei­li­gen Parteigremien/​Mitgliedergremien ihre Zustimmung oder auch nicht geäußert.

    Dann (!!) wäre es erst (viel­leicht Ende Januar?) zu Koalitionsverhandlungen gekommen!

    Alle bespro­che­nen „Inhalts-​Pakete” wären wie­der auf­ge­schnürt wor­den, min­des­tens die CSU wäre zurück auf Anfang (Maximalforderungen, alter­na­tiv­los) gegan­gen und wir hät­ten ein neu­er­li­ches unwür­di­ges Verhandlungsgezerre über Wochen (Vielleicht bis Ende Februar?) erlebt.

    Und am Ende hät­te wohl eine müh­sam zusam­men­ge­r­auf­te Koalition gege­ben, die vom Start weg hand­lungs­un­fä­hig gewe­sen wäre, weil deren Protagonisten sich sofort wie­der in stän­di­ges Gezerre und Gestreite erge­ben hätten.

    Oder glaubst du, es gäbe Anlass zu glau­ben, dass es dies­mal völ­lig anders wäre?? Dass jetzt doch alle zu Vernunft gekom­men wären?

  3. Na ja, Merkel hat sich ges­tern klar als Kanzlerkandidatin erklärt und Schulz sich als eigent­li­cher Wahlsieger und die SPD völ­lig unbe­tei­ligt an allem, was in den letz­ten Jahren poli­tisch pas­siert ist.
    Ich den­ke auch, dass wir in etwa das­sel­be Ergebnis plus stär­ke­rer AFD bekom­men wer­den. Dann wird wei­ter gewursch­telt und tak­tiert und die Menschen wer­den noch unzu­frie­de­ner mit der Politik. Das Personal bleibt ja das­sel­be… das unfä­hi­ge Dutzend…

  4. Was die Kritik an Merkel angeht, inter­es­siert mich mal: WIE hät­te sie denn HANDELN sollen/​können? Sie hat­te doch in den Sondierungen kei­ner­lei Macht über die Verhandlungspartner. Sowas wie Basta-​Politik funk­tio­niert da doch nicht!

    Auch ins­ge­samt ver­ste­he ich die pau­scha­len „sind alle unfähig”-Kritik nicht. Es sind doch wahr­lich Knackpunkte, an denen ent­lang auch die Gesellschaft gespal­ten ist. Welche „Fähigkeit” soll­te denn über die­se Tatsache hin­weg helfen?

    Partei- und Politikverdrossen bin ich auch immer wie­der mal, bzw. kann das gut ver­ste­hen. Dann wen­de ich mich eben eine Zeit lang ab und mei­nen Hobbys zu – erzäh­le aber nicht rum, dass alle Politiker/​innen nur unfä­hi­ge Hampel-​Männer und Frauen sei­en. Das stimmt ein­fach nicht, denn sonst wären sie nicht da, wo sie jetzt sind. 

    Dass Politiker/​innen nicht DAS vor­an trei­ben, wor­an man selbst glaubt, ist kei­ne Unfähigkeit, son­dern „ande­re Meinung”, die eben­falls gewählt wur­de. Auch jeder x‑beliebige Bürger mit einer Agenda (z.B. einer grü­nen…) könn­te sich nicht mit der FDP oder der CSU mal eben so einigen.
    Wobei es an den Grünen m.E. nicht gele­gen hat, die sind bis zu ihrer Schmerzgrenze gegangen. 

    @Boris: ” ernst­haf­te, fort­schritt­li­che und ziel­ge­rich­te­te Politik” – wenn du die for­mu­lie­ren kannst, dann mach doch bit­te mal! Es muss ja offen­bar eine sein, die nicht vom vor­han­de­nen Parteispektrum gewollt wird – sonst wären sich in dei­ner Sicht ja nicht halb ver­fault und unfä­hig. Alsdenn: ich bin echt gespannt!

  5. Eine Frage hät­te ich:

    „Bei etwa glei­chen Mehrheitsverhältnissen könn­te das bedeu­ten, dass die nächs­ten Sondierungsgespräche von Union, Grünen und SPD geführt werden.”

    Wieso soll­ten Union und SPD die Grünen bei Gesprächen mit ins Boot holen? Bei glei­chen Mehrheitsverhältnissen hät­te Schwarz-​Rot immer noch eine kla­re Mehrheit

    Ich per­sön­lich hof­fe auf eine Minderheitsregierung. Dann wür­den wir viel­leicht mal ech­te geleb­te Demokratie im Bundestag erle­ben, wo dann wirk­lich um Mehrheiten gerun­gen wer­den müss­te, statt dass die Parteispitzen den Abgeordneten der Regierungsparteien ein­fach ver­ord­nen, wofür sie stim­men müssen.
    Aber ich fürch­te, bei der hoff­nung wird es auch blei­ben … Ich glau­be nicht, dass Steinmeier sich dem wider­set­zen wird, wenn Merkel ihm sagt: ich kann nicht ohne Mehrheit, bit­te lös den Bundestag auf.

  6. Ich fin­de die jet­zi­ge Situation sehr inter­es­sant, ich wür­de ja auf Neuwahlen tip­pen. Die gan­ze Sache ist schon so ver­fah­ren, das auch wenn man sich irgend­wann einigt, kei­ne anstän­di­ge Politik über 4 Jahre zu füh­ren ist. LG Romy

🤝 Miteinander statt gegeneinander.

Entdecke mehr von Horst Schulte

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen

Your Mastodon Instance