Warum schwänze ich wahrscheinlich die Bundestagswahl?

Am 24. Sep­tem­ber wer­de ich ent­we­der mei­nen Wahl­zet­tel ungül­tig machen, oder ich gehe erst gar nicht zur Bun­des­tags­wahl. Es lässt sich anhand der momen­ta­nen Umfra­ge­wer­te näm­lich ziem­lich sicher vor­aus­sa­gen, dass die wahr­schein­lichs­te Opti­on für die künf­ti­ge Regie­rung erneut „Gro­ße Koali­ti­on“ (kurz Gro­Ko) hei­ßen wird. Soll­ten sich die aktu­el­len Pro­gno­sen noch ändern, ände­re ich mein Vor­ha­ben und gehe doch wäh­len. Nach der­zei­ti­gem Stand wäre neben der Gro­Ko ledig­lich die Jamai­ka – Koali­ti­on zwi­schen CDU (40%), Grü­nen (8%) und FDP (8%) mög­lich – wenn auch unwahr­schein­lich. An die­ser mög­li­chen Alter­na­ti­ve wäre die Hal­tung der SPD inter­es­sant, die wir bedau­er­li­cher­wei­se und eben auch nur theo­re­tisch erst nach den Wah­len erfah­ren wer­den. Wür­de die Par­tei (end­lich❗) in die Oppo­si­ti­on gehen, um die über­fäl­li­ge eige­ne per­so­nel­le und inhalt­li­che Neu­aus­rich­tung zuzu­las­sen? Poli­tik durch die Bun­des­tags­wahl mit­be­stim­men? Ich bin ein poli­ti­scher Mensch und ken­ne die Argu­men­te gegen Nicht­wäh­ler. Das Ver­hal­ten, so höre ich oft, stär­ke die Rän­der. Das… 

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Am 24. Sep­tem­ber wer­de ich ent­we­der mei­nen Wahl­zet­tel ungül­tig machen, oder ich gehe erst gar nicht zur Bundestagswahl.

Es lässt sich anhand der momen­ta­nen Umfra­ge­wer­te näm­lich ziem­lich sicher vor­aus­sa­gen, dass die wahr­schein­lichs­te Opti­on für die künf­ti­ge Regie­rung erneut „Gro­ße Koali­ti­on“ (kurz Gro­Ko) hei­ßen wird.

Soll­ten sich die aktu­el­len Pro­gno­sen noch ändern, ände­re ich mein Vor­ha­ben und gehe doch wählen.

Nach der­zei­ti­gem Stand wäre neben der Gro­Ko ledig­lich die Jamai­ka – Koali­ti­on zwi­schen CDU (40%), Grü­nen (8%) und FDP (8%) mög­lich – wenn auch unwahr­schein­lich. An die­ser mög­li­chen Alter­na­ti­ve wäre die Hal­tung der SPD inter­es­sant, die wir bedau­er­li­cher­wei­se und eben auch nur theo­re­tisch erst nach den Wah­len erfah­ren wer­den. Wür­de die Par­tei (end­lich❗) in die Oppo­si­ti­on gehen, um die über­fäl­li­ge eige­ne per­so­nel­le und inhalt­li­che Neu­aus­rich­tung zuzulassen?

Politik durch die Bundestagswahl mitbestimmen?

Ich bin ein poli­ti­scher Mensch und ken­ne die Argu­men­te gegen Nicht­wäh­ler. Das Ver­hal­ten, so höre ich oft, stär­ke die Rän­der. Das ist das bekann­tes­te Argument.

Ande­rer­seits gibt es kei­ne Wahl­pflicht. Es ist also aus­drück­lich vor­ge­se­hen, dass Bür­ger von ihrem Recht Gebrauch machen, nicht zur Bun­des­tags­wahl zu gehen.

Ich erin­ne­re mich dar­an, wie Mar­tin Schulz’ Ergeb­nis bzw. die SPD und er bei sei­ner Wahl zum Par­tei­vor­sit­zen­den ver­höhnt wur­den. 100% sind allein schon des­halb Mist und sogar ein Stück weit unde­mo­kra­tisch, weil sol­che Ergeb­nis­se an kom­mu­nis­ti­sche Zei­ten erin­nern. Ich setz dahin­ter mal ein Fragezeichen.

Aber wenn sich aus Frust oder Des­in­ter­es­se an unse­rer Demo­kra­tie vie­le Men­schen nicht mehr betei­li­gen ist es wie­der glatt umgekehrt.

Wir müs­sen nicht❗ die AfD wäh­len, um der Poli­tik (den von uns Ermäch­tig­ten) im Land zu zei­gen, was wir von ihrem Tun hal­ten. Wir kön­nen die­ses Den­ken auch über gerin­ge Wahl­be­tei­li­gun­gen zum Aus­druck brin­gen. Selbst dann, wenn wir über die wach­sen­de Zahl der Nicht­wäh­ler beun­ru­higt sind, könn­te damit auf eine ande­re Art und Wei­se viel­leicht mehr in Bewe­gung gebracht wer­den als durch die Wahl von radi­ka­len Par­tei­en. Zuge­ge­ben, es sieht im Moment nicht danach aus, weil die eta­blier­ten Par­tei­en sich schein­bar gar nicht bewusst sind, wie wack­lig ihre Macht oder ihr Füh­rungs­an­spruch sich dar­stellt. Die Uni­on liegt heu­te bei 40%.

Seit Anfang der 1990er Jah­re (Wie­der­ver­ei­ni­gung) wäh­len fast durch­gän­gig mehr als 20% der Wahl­be­rech­tig­ten nicht mehr. Das war vor­her nur ein­mal der Fall, direkt nach der Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik (1949 – 21,5% Nicht­wäh­ler). Es scheint im Bereich des Mög­li­chen, dass in Deutsch­land bald ein Drit­tel der Wahl­be­rech­tig­ten von ihrem Wahl­recht kei­nen Gebrauch machen werden.

Die Abge­ord­ne­ten des Bun­des­tags wer­den in „all­ge­mei­ner, unmit­tel­ba­rer, frei­er, glei­cher und gehei­mer Wahl“ gewählt, so Arti­kel 38 des Grundgesetzes.

By Udo Brech­tel (Own work) [CC BY-SA 3.0 , via Wiki­me­dia Common

Mei­ne Argu­men­te habe ich hier kurz zusammengefasst:

Bei 61,5 Mil­lio­nen Wahl­be­rech­tig­ten für die dies­jäh­ri­ge Bun­des­tags­wahl wäh­len nach Umfra­ge­er­geb­nis­sen bei einer Quo­te von ca. 29% Nicht­wäh­lern (letz­te Bun­des­tags­wahl) also ca. 17 Mil­lio­nen Men­schen die Uni­on. Erreich­ten wir in Deutsch­land die wün­schens­wer­te Wahl­be­tei­li­gung von knapp über 80% (wur­de zuletzt 1998 als Aus­nah­me seit 1990 ein­mal erreicht), wären es schon 20 Mil­lio­nen Wäh­ler für die Uni­on. Die zu erwar­ten­de Zahl von Nicht­wäh­lern (ca. 29%) reprä­sen­tie­ren im Ergeb­nis für die Uni­on etwa 3 Mil­lio­nen Menschen.

Wir wis­sen, dass es sich nicht um poli­ti­sches Des­in­ter­es­se han­delt. Eher han­delt es sich um gewach­se­nen Frust, der die Wäh­ler zu die­sem Ver­hal­ten bringt. Die Dis­kus­sio­nen im öffent­li­chen Raum, vor­nehm­lich im Inter­net, spie­geln sogar ein hohes poli­ti­sches Inter­es­se, das sich aber ‑trotz aller Popu­lis­mus­vor­wür­fe – nicht in poli­ti­schem Han­deln mani­fes­tiert. Anders aus­ge­drückt: Die Poli­tik, so der Ein­druck vie­ler Wäh­ler, ori­en­tiert sich nicht am Wäh­ler­wil­len. Oft wer­den poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen sogar als das Gegen­teil wahrgenommen.

Für mich ist das kei­ne Fra­ge von rechts oder links. Es han­delt sich um ein sys­te­mi­sches Pro­blem für das allein die eta­blier­ten poli­ti­schen Par­tei­en ver­ant­wort­lich sind.

Deutschland geht es gut?

Mich nervt, dass vor allem die Uni­on bekla­gens­wer­te Zustän­de im Land schön­re­det, obwohl in wis­sen­schaft­li­chen Exper­ti­sen ande­re Schlüs­se gezo­gen wer­den. Poli­tik ist der­art oppor­tu­nis­tisch, dass sie die­sen kein Gehör schen­ken. Sie igno­rie­ren Leu­te wie die Pro­fes­so­ren Sell, Bude, But­ter­weg­ge und andere.

Wis­sen­schaft­ler, die Miss­stän­de detail­liert beschrei­ben und kri­ti­sie­ren wer­den über­hört, weil sie unbe­que­me Din­ge sagen. Statt­des­sen kom­men von der CDU plat­te Sprü­che wie: Deutsch­land geht es gut.

Vie­len Leu­ten geht es gut. Dar­über müs­sen wir nicht strei­ten. Aber es gibt auf der ande­ren Sei­te immer mehr Men­schen, die schwer zu kämp­fen haben und kei­nen Anschluss mehr fin­den. Das sind kei­ne Talk­show-Wahr­hei­ten, son­dern es han­delt sich um die Lebens­rea­li­tät vie­ler. Wie­so wird die­se simp­le Wahr­heit ein­fach igno­riert? Was wür­den sich Poli­ti­ker ver­ge­ben, wenn sie auch die­se Her­aus­for­de­rung anneh­men und für die­se Men­schen kämp­fen würden?

Armut

Anstatt sich dem The­ma zu wid­men, wie das im pri­va­ten Bereich zum Glück mit rie­si­gem Enga­ge­ment geschieht, strei­ten sich Poli­ti­ker über Defi­ni­tio­nen. Als sei das, was wir alle mit dem Wort ver­bin­den, nur eine sta­tis­ti­sche Fest­le­gung, also nichts, womit wir uns ernst­haft befas­sen müssen.

Mein Fazit: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Die Vogel Strauß-Poli­tik wirkt sub­ver­siv auf unse­re Demo­kra­tie. Die Poli­tik igno­riert das.

Rente /​Altersarmut

Weil die Poli­tik sich mit dem The­ma nicht befas­sen möch­te (wer weiß schon Rezep­te gegen die erst noch vor uns lie­gen­den dra­ma­ti­schen Aus­wir­kun­gen der demo­gra­fi­schen Ent­wick­lung?), wird das Ver­trau­en der Men­schen in die Hand­lungs­fä­hig­keit der Poli­tik immer klei­ner. Das Ver­trau­en in die eige­ne Kraft, die Absi­che­rung im Alter schwin­det mehr und mehr. Das Ren­ten­kon­zept, das Mar­tin Schulz kürz­lich vor­ge­legt hat, unter­schei­det sich von den Regie­rungs­be­schlüs­sen des letz­ten Jah­res, die übri­gens unter der Feder­füh­rung der SPD Minis­te­rin Andrea Nah­les bereits viel dis­ku­tiert wur­den, kaum. Poli­tik tut so, als sei der Gene­ra­tio­nen­ver­trag frü­he­rer Jahr­zehn­te noch funk­ti­ons­fä­hig. Und das nach all den Dis­kus­sio­nen, die wir dazu über uns erge­hen las­sen muss­ten. Mein Fazit: Das Ren­ten­kon­zept der Regie­rung unter­schei­det sich für die Men­schen kaum von dem, was der SPD – Kanz­ler­kan­di­dat mit Nah­les ent­wi­ckelt hat

Soziale Gerechtigkeit

Mar­tin Schulz dach­te, er hät­te ein The­ma. Das The­ma hät­te es ver­dient, eines zu sein und zwar ein per­ma­nen­tes. Aber mit die­sem Man­gel an Sub­stanz, den ich ehr­lich gesagt so nicht für mög­lich gehal­ten hät­te, kann man eine not­wen­di­ge gesell­schaft­li­che Debat­te nicht führen.

Leiharbeit /​Arbeitsmarkt

Mer­kel hat gera­de selbst vom Miss­brauch der Leih­ar­beit durch die Arbeit­ge­ber gespro­chen. Macht sie das grund­los? Nein, die­se Din­ge (u.a. Bedarfs­ar­beit) sind skan­da­lös. Aber sie wer­den von Tei­len der Gesell­schaft ein­fach weggedrückt.

Aber das ist nur ein Aspekt, an dem die Gro­Ko ihre Arbeit nicht tut. Dar­über hin­aus wer­den radi­ka­le Ten­den­zen allein durch ihr Ent­ste­hen geför­dert. Auch das ist poli­tik­wis­sen­schaft­lich längst bekannt. Am Zustan­de­kom­men der Gro­Ko sind zwar in ers­ter Linie die Bür­ger durch ihr Wahl­ver­hal­ten schuld. Aber die SPD hät­te sich längst ver­wei­gern müs­sen. Selbst­ver­ständ­lich übri­gens auch im eige­nen Inter­es­se. Aber das Eigen­in­ter­es­se unse­rer Par­tei­en scheint ganz woan­ders zu lie­gen als beim Allgemeinwohl.

Konkurrenz

Die AfD und ande­re Ent­wick­lun­gen in Deutsch­land (wach­sen­de Frem­den­feind­lich­keit, Ent­so­li­da­ri­sie­rung) sind Ergeb­nis­se einer Poli­tik, die irgend­wie zum Selbst­zweck mutiert ist.

Es geht nicht mehr um die Men­schen, son­dern um die, die an den Pfrün­den sit­zen. Das war viel­leicht immer schon so. Aber jetzt (nicht zuletzt durch die Wei­ge­rung der Gro­Ko, einen guten Job zu machen) wird das immer mehr Men­schen klar. Sich hin­ter gesamt­wirt­schaft­lich guten Zah­len zu ver­schan­zen, hilft nicht wei­ter. Ich mag mir gar nicht vor­stel­len, wie es sein wird, wenn die Wirt­schafts­kraft nachlässt.

Ich strei­te mit ande­ren über den Sta­tus unse­rer Demo­kra­tie. Wenn ich mir vor­stel­le, dass die Gro­Ko nach der Bun­des­tags­wahl ein­fach so wei­ter­ma­chen könn­te, muss ich zuge­ben, dass mir rich­tig mul­mig wird.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Wahlen

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13 Gedanken zu „Warum schwänze ich wahrscheinlich die Bundestagswahl?“

  1. Falls ich mich auch so ent­schei­den soll­te – ich habe ja schon öfter nicht gewählt – und höre dann die bekann­ten Argu­men­te, dann neh­me oder ver­wei­se ich auf ich dei­nen Arti­kel als Begrün­dungs­zu­sam­men­hang. Das ist ein­fach bes­ser als es mei­ne Begrün­dungs­ver­su­che bis­her waren, die zwar in die­sel­be Rich­tung gin­gen, aber nicht so straff und umfang­reich argumentierten.

    Oder ich mache es so wie letz­tes Mal vor vier Jah­ren: Ich „befra­ge“ zwei­mal im Abstand von ca. einer Woche den Wahl-O-Mat und wäh­le die Par­tei, die dabei her­aus­kommt. Das wäre ratio­na­les Ver­hal­ten und ent­sprä­che den Vor­ga­ben unse­res all­ge­mei­nen Ver­ständ­nis­ses von poli­ti­schen Wah­len. Dage­gen lässt sich im Grun­de eigent­lich gar nicht ernst­haft argumentieren.

    Man wür­de dabei wenigs­tens nicht auf den Selbst­be­trug her­ein­fal­len, das Rich­ti­ge zu tun, indem man das soge­nann­te „klei­ne­re Übel“ wählt.

  2. Rainer Wilhelmi 1 15. August 2017 um 08:32

    Ich fin­de Dis­kus­sio­nen und Bei­trä­ge die­ser Art mehr als kon­tra­pro­duk­tiv. Wir leben seit über 70 Jah­ren in West­eu­ro­pa im Frie­den und das haben wir vor allem den eta­blier­ten poli­ti­schen Par­tei­en zu ver­dan­ken. Ich bin dank­bar, dass ich über­haupt wäh­len darf und nicht dik­ta­to­ri­schen Maß­nah­men aus­ge­setzt bin. Mei­ne Eltern und Groß­el­tern haben stark unter den poli­ti­schen Bedin­gun­gen gelit­ten und fin­de daher Ihren Bei­trag als „Jam­mern auf hohem Niveau“. Ich ken­ne vie­le Men­schen im euro­päi­schen und außer­eu­ro­päi­schen Aus­land, die uns um unse­re Demo­kra­ti­sche Ord­nung ver­bun­den mit einer sozia­len Markt­wirt­schaft benei­den. Es gibt lei­der kei­ne Staats­form, die allen alles bie­ten kann. Ich respek­tie­re zwar eine Ent­schei­dung nicht zu wäh­len – ver­ste­hen oder gar nach­voll­zie­hen kann ich es nicht.

  3. Ich fin­de dei­ne Hal­tung bedau­er­lich! So ein poli­ti­scher Mensch wie du unter­stützt das Nicht­wäh­len – wirk­lich schade.
    Hier ein Arti­kel von Ant­je Schrupp, der dazu auf­ruft, eine der Ugly Big Five zu wäh­len – mit aus­führ­li­cher Begründung:
    https://​ant​je​sch​rupp​.com/​2​0​1​7​/​0​1​/​2​3​/​t​h​e​-​b​i​g​-​u​g​l​y​-​f​i​v​e​-​i​m​-​o​k​t​o​b​e​r​-​w​a​e​h​l​e​n​-​g​e​h​e​n​-​a​b​e​r​-​r​i​c​h​t​ig/
    Dein Ver­weis dar­auf, dass das Nicht­wäh­len ERLAUBT ist, ent­kräf­tet m.E. die­se Argu­men­te (bloß nicht die AFD stär­ken! Die bleibt evtl. par­la­men­ta­risch nicht so ein­fluss­los wie sie erst­mal sein wird) nicht. 

    Dass es dir „allei­ne auf­grund eige­ner Leis­tung“ gut geht, bestrei­te ich. Das ist eine typi­sche neo­li­be­ra­le Illu­si­on – neo­li­be­ral, weil sie dem Trend zur tota­len Ver­ein­ze­lung aller Indi­vi­du­en unter­stützt (auf dass sie maxi­mal kon­su­mie­ren, allein dem Markt aus­ge­setzt sind, immer jeder sel­ber schuld an sei­ner Situation…etc. usw.).
    Du warst immer getra­gen und ver­wo­ben mit poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen, die sowohl dein Gehalt inkl. aller Abzü­ge als auch dei­ne Ansprü­che an sozia­le Net­ze kon­fi­gu­riert haben. Ganz eben­so wie die Bedin­gun­gen am Arbeits­platz (Urlaub, Krank­heit, Arbeits­platz­vor­schrif­ten etc.), die steu­er­li­che Aus­ge­stal­tung von Ehe und Fami­lie, und selbst­ver­ständ­lich par­ti­zi­pierst du auch von der gesam­ten staat­lich gesi­cher­ten und fort­ge­schrie­be­nen Infra­struk­tur, begin­nend bei den Stra­ßen bis hin zu den Orga­nen des Rechts­staats, ohne die ein Leben wie wir es füh­ren gar nicht mög­lich wäre. 

    Den von dir auf­ge­zähl­ten Kri­tik­punk­ten stim­me ich weit­ge­hend zu. Ent­spre­chend die­sem Tenor könn­test du eigent­lich gut die LINKE wäh­len, denn das ist die Par­tei, die die­se Kri­ti­ken weit­ge­hend teilt und auch Kon­se­quen­zen in ihr Pro­gramm geschrie­ben hat. Dass es an der „popu­lis­ti­schen Lin­ken“ auch viel zu kri­ti­sie­ren gibt, soll­te dem nicht ent­ge­gen ste­hen, denn es ist ja wahr­lich nicht zu befürch­ten, dass sie irgend etwas von ihren radi­ka­len oder unglaub­haft maxi­ma­len For­de­run­gen tat­säch­lich umset­zen kön­nen wird – nicht mal im unwahr­schein­li­chen Fall einer rot-rot-grü­nen Koalition.
    Sie ist aber als rela­tiv star­ke Min­der­heit ein sozi­al ori­en­tier­ter „Sta­chel im Fleisch“ – und daher immer noch bes­ser als das Nicht-Wäh­len, das die AFD stärkt.
    Wenn es dir um Per­so­nen geht, mit denen du nicht in einen Topf gewor­fen wer­den willst, dann den­ke auch mal dar­an, was für Gestal­ten sich so zum Nicht­wäh­len beken­nen. Da möch­te ich auch nicht unbe­dingt dabei sein.…
    Selbst wer­de ich wohl erst in der Wahl­ka­bi­ne ent­schei­den, wo ich mein Kreuz mache – nicht wäh­len käme mir jedoch nicht in den Sinn, gra­de dies­mal nicht!

  4. Die Schwalbe 20 16. August 2017 um 14:25

    @ClaudiaBerlin
    Vie­len Dank für Ihren Rat, er zeugt von einem gesun­den Men­schen­ver­stand, das war’s was ich die gan­ze Zeit gesucht habe, ich wer­de ihn befolgen :-).

  5. Die Dis­kus­si­on ist tat­säch­lich da ange­kom­men, wo ich (aus Erfah­rung) dach­te, dass sie ankom­men wür­de. Die Kri­tik an der Idee, nicht wäh­len zu gehen, wird gewürzt mit Emp­feh­lun­gen, es statt des­sen „rich­tig“ zu machen. Es gibt immer jeman­den, der zu wis­sen glaubt, was ich wäh­len soll und was nicht.

    Ok, wenn ich jetzt sage, dass ich mich lie­ber für „ein klei­ne­res Übel“ ent­schei­den könn­te und auch den Wahl-O-Mat nicht über­be­wer­ten möch­te, dann läge es im Bereich des gut Mög­li­chen, dass ich direkt der aktu­el­len Bun­des­kanz­le­rin bzw. ihrer Par­tei zu einer noch bes­se­ren Posi­ti­on ver­hel­fe. Ich müss­te also prü­fen, ob ich das nicht doch für die ver­nünf­tigs­te Mög­lich­keit halte…

  6. Der Wert einer Demokratie - Internationaler Tag der Demokratie 14. September 2017 um 15:08

    […] wie Horst, wahr­schein­lich vom Recht Gebrauch macht, nicht wäh­len zu gehen, lässt sich »hier« […]

  7. Nicht zu wäh­len, statt Pro­test zu wäh­len, hal­te ich doch für gefähr­lich, wenn man aus­drü­cken möch­te, dass die Poli­tik einem nicht passt. Denn nicht zu wäh­len kann ja auch hei­ßen, dass man zufrie­den ist und daher kei­nen Bedarf sieht, sei­ne Mei­nung zu äußern. (Aber jeder nicht-Wäh­ler ist mir immer noch lie­ber als ein AfD-Wähler.)
    Woher willst du sicher wis­sen, dass kei­ne Stimm­ab­ga­be eine Unzu­frie­den­heit ausdrückt? 

    Was du da aber an Ver­säum­nis­sen der Gro­Ko und im Wahl­kampf ansprichst – da kann ich nur zustim­men. Alles wich­ti­ge The­men… Und die Poli­tik redet lie­ber über Defi­ni­tio­nen und sowas 🙁

    Lie­be Grüße

  8. Ich kann dei­ne Grün­de sehr gut nachvollziehen.
    Mich quä­len die glei­chen Gedan­ken. Aber wenn ich nun beschlie­ßen wür­de, nicht zur Wahl zu gehen, dann hät­te es für mich sowas wie aufgeben.
    Das Wahl­recht ist das wich­tigs­te Recht, das wir in einer Demo­kra­tie haben.
    Lie­be Grü­ße Sabienes

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