Ich werfe anderen gern vor, nicht differenzieren zu können. Weshalb sonst sehen so viele in Migranten potenzielle Verbrecher? Lasst die Statistik stecken und lest bitte weiter.
Gesprochen wird von „Einzelfällen“, wobei das Wort in Anführungszeichen gesetzt wird, um Skepsis an der Aussage zum Ausdruck zu bringen. Zu sehr missfällt vielen der (inflationäre?) Einsatz der Vorkabel im öffentlichen Diskurs.
Oft frage ich mich, ob die Rechten nicht richtig liegen. Die Krux ist, dass keiner eine Statistik führt, der ich diesbezüglich vertrauen könnte. Sie haben es leicht, denn sie glauben nur „ihren Statistikern“.
Wir Linken wollen solchen Aussagen schon aus Überzeugung nicht glauben. Angeblich argumentieren wir sowieso stets von einer moralisierenden Position aus. Sowas behaupten die, denen die angebliche linke Dominanz in der Öffentlichkeit zu groß ist, was ich energisch bestreiten möchte!
Dafür spricht aber, dass wir schon aufgrund unseres ins Wanken geratenen Narrativs nicht einräumen dürfen, dass „es“ nicht funktioniert. Die Migration dieser hohen Zahl von Menschen (vielen jungen Männern) geht nur mühsam vonstatten. Aber wer hatte eigentlich etwas anderes erwartet?
Es passt nicht in unser Wunschbild, dass die Zahl von Gewaltdelikten durch Flüchtlinge hoch ist. Ganz und gar lehnen wir den Begriff „Messermänner“ ab, den die Rechten etabliert haben und der eine rassistische Dimension innehat.
Es gab bei uns schon immer Gewaltdelikte, in denen Messer eine Rolle spielten. Nur gibt es keine Statistik darüber, so dass wir uns auf unsere Einschätzung (gesunden Menschenverstand ?) verlassen müssen.
Körperliche Gewalt zwischen Menschen (Männern vor allem) hat eine lange Tradition.
Für viele gilt zwar, dass Meinungsverschiedenheiten gewaltfrei ausgeführt werden. Aber wir wissen um die Gewaltbereitschaft in bestimmten Gruppen unserer Gesellschaft. Bestimmt sind diese nicht alle rechts- oder linksextrem. Wenn ich an organisierte Schlägereien zwischen so genannten Fußballfans denke, kommen mir Bedenken, ob man solchen Neigungen im Sozialkundeunterricht beikommt.
Ich persönlich habe mich in meinem Leben nie geschlagen, gestritten dafür umso mehr. Irgendwo muss die Aggression schließlich hin. Funktioniert das Internet deshalb so fabelhaft?
Verallgemeinerungen sind Allgemeingut
Ich neige (auch?) zu Verallgemeinerungen: Mit „den“ US-Amerikanern geht’s mir beispielsweise nicht anders als mit „den“ Türken, „den“ Briten und „den“ Sachsen.
Wir sprechen einerseits zwar von polarisierten Gesellschaften aber den anderen Bevölkerungsteil, den der für andere Positionen als die Mehrheit in diesen Ländern steht, blenden wir aus. Die Konsequenz, die es für mein persönliches Bild von dem jeweiligen Land und der dortigen Bevölkerung hat, ist selten positiv. Natürlich nicht!
Trump, Erdogan oder die Brexit-Befürworter, haben demokratische Mehrheiten errungen. Dass es knapp zugegangen ist und die „Verliererseite“ für andere Werte einsteht, interessiert uns bei unserer Urteilsbildung, die medial oft einseitig beeinflusst wird, nur wenig.
Mir ist es ein schwacher Trost, dass solche Mechanismen kein allein deutsches Phänomen darstellen.
Wir sagen, wie schrecklich wir diese oder jene Handlung einer Regierung finden. An die vielen Millionen Menschen im jeweiligen Land, die unsere Meinung teilen, denken wir zu wenig. Die Ära der Trumps und Erdogans gehen vorüber. Vielleicht hält sich der eingeschlagene Trend in diesen Ländern. Aber das sollten wir fairerweise abwarten. Nur – so ist es nicht. Politik findet jetzt statt und wirkt nicht nur in der Zukunft, sondern auch in der Gegenwart.
Diesen gleichen Fehler mache ich beim Thema Sachsen.
Ich schließe aus den Krakeelern (diesmal waren es 900!) auf „die“ ChemnitzerInnen und damit nicht genug. In meinem Ärger sind es sogar „die“ Sachsen. Ich fange mich zwar und korrigiere meine Gedankengänge. Aber unzählige Kurznotizen habe ich bei Facebook und Twitter rausgehauen. Sehr differenziert waren die nicht.
Ich bin mir im Klaren darüber, wie viel Unsinn in meinem Kopf steckt, den ich manchmal leider auch rauslasse. Es ist wohl zu einfach, aus dem Bürosessel mal eben eine Statusmeldung rauszuhauen, die vielen Menschen unrecht tut. Entschuldigung dafür.
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