Ab heute bin ich ein „besorgter Bürger“

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HORST SCHULTE

Einer der großen Vorteile dieses kleinen Privatblogs ist, dass ich nicht gleich etwas auf die Fresse kriege, wenn ich über etwas schreibe, das irgendwem nicht gefällt. Es lohnt sich in der Regel nicht, einen Blogger in die Schranken zu weisen, der keine 30 Follower bei Twitter hat. Das wurde mir bei Twitter und Facebook schon mehrmals versichert. Bis dato immer von Rechten.

Deshalb bzw. dafür gibt es ja schließlich die „sozialen“ Netzwerke. Wer sich dort, so wie ich, rege austauscht (mit Rechten und mit Linken) der muss spätestens dort angesichts der im Lande herrschenden Polarisierung Ärger kriegen.

Und doch – es ist Gott sei Dank überschaubar. Auch in diesen „sozialen“ Netzwerken braucht es ein paar Komponenten, um in den Fokus verärgerter Blogger, Freunde oder Follower zu geraten.

Mein Artikel über die Vorgänge im Flüchtlingsheim Ellwangen blieb fast ungelesen und ohnehin auch unkommentiert.

Dafür erhielt ich Gegenwind bei Facebook und Twitter. Dort hatte ich mir erlaubt, die Artikel von „TAZ“ und „Stern“ zu Ellwangen zu kritisieren. Ich fand vor allem bemerkenswert, dass beide Artikel erst Tage nach dem Ereignis geschrieben wurden. Die Revolte fand am 30.04. statt, die Artikel stammen vom 03.05. Niemand von diesen Journalisten war vor Ort, alle haben offenbar am Schreibtisch recherchiert und fühlten sich bemüssigt, die Sicht der Kollegen von anderen Medien mindestens infrage zu stellen. Und da gings durchaus nicht nur um „Bild“, die natürlich mit ihrer Hetze vorn dabei war und ist.

So sehen es andere Medien:

Ein Einsatz, der auch staatliche Machtdemonstration ist, ist nicht per se unverhältnismäßig. Der Rechtsstaat darf mit Nachdruck und Sturmhaube zeigen, dass er das Heft in der Hand hat und in der Hand behalten will. Eine solche Aktion kann richtig, wichtig und dringlich geboten sein. Ein Einsatz für das Recht muss freilich das Recht wahren; man darf es nicht verteidigen, indem man es bricht.“ (Südd. Zeitung)

„Die Razzia in Ellwangen war zwingend. Sie sollte, sie musste martialisch aussehen und durchaus auch bedrohlich sein (…) Augenmaß und raschere Entscheidungen beim Asyl; bessere Integration derer, die bleiben dürfen; Härte bis zur Abschiebung bei jenen, die weder Asyl- noch Duldungsstatus erhalten: Von diesem Mix wird zu oft nur geredet, zu selten wurde und wird er angewendet. (Nürnberger Nachrichten)

Die Vorgänge vom Montag in einem Lager für Asylbewerber hätten ohne Sanktion eine dramatisch-gefährliche Signalwirkung in ganz Deutschland und darüber hinaus gehabt.“ (Der Tagesspiegel)

Für die Polizei, die Abschiebungen zu vollstrecken hat, kann das kein Maßstab sein. Es geht darum, dem Recht Geltung zu verschaffen – wenn es sein muss, auch mit dem nötigen Nachdruck.“ (Stuttgarter Zeitung)

Ich könnte weitere Zitate aus deutschen Zeitungen beibringen. Immerhin besteht überwiegend doch Einigkeit über ein Faktum. Mir hat die Forderung, Anarchie nachdrücklich zu bekämpfen, Ärger eingebracht. Und zack: Wieder ein paar Follower und Freunde weniger. Allerdings war ich es, der „ausgestiegen“ ist, der entfolgt und entfreundet hat. Diesmal waren es keine Rechten, sondern ausschließlich Leute, die ich mit aller Vorsicht als Links bezeichnen möchte.

Nur wenige werden davon überrascht gewesen sein, dass sowohl die „TAZ“ als auch der „Stern“ eine abweichende Sicht auf die Lage in Ellwangen präsentiert haben, als andere Medien. Heute sieht die Bewertung sowohl beim „Stern“ allerdings wieder etwas anders aus.

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In einem „Zeit“ – Artikel von heute habe ich den Ablauf mit ein wenig größerem zeitlichem Abstand mit klarem Resümee gelesen. Die Überschrift: „Asylsuchender aus Togo wehrt sich gegen Abschiebung“ wird dem Artikel inhaltlich kaum gerecht.

Die meisten werden es verstehen, dass die Lage vieler Menschen, die aus Afrika nach Europa aus ganz unterschiedlichen Gründen geflüchtet sind, sehr verzweifelt sein ist. Die Chance auf Anerkennung des Asylantrages ist äußerst gering. Deshalb ist auch die Lage dieses jungen Mannes aus Togo menschlich gut nachzuvollziehen.

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Es entwickelt sich allerdings für viele Leute hier in Deutschland das Bild einer wachsenden Anzahl von Asylbewerbern, die – wie gesagt -, aus menschlich gut nachvollziehbaren Gründe, Mittel und Wege suchen, sich gegen geltendes Recht zu wehren.

Ob dabei konspirative Absprachen unter organisierten Asylbewerbern oder – wie zunächst gemeldet wurde – künftig sogar Waffen eine Rolle spielen, ist für mich bei der Bewertung der Vorfälle nicht entscheidend. Ich verstehe auch gut, dass es Menschen gibt, die die Abschiebepraxis in Deutschland falsch finden bzw. diese regelrecht verachten und bekämpfen. Ich gehörte lange dazu. Inzwischen ist aber der Punkt erreicht, an dem ich meine bisherige Haltung zur Migration insgesamt infrage stelle.

Dass ich dabei by the way von linken ehemaligen „Mitstreitern“ als schwachsinniger, besorgter Bürger und als Rechter bezeichnet werde, der durch seine Texte hier im Blog zeigt, wessen Geistes Kind er ist, ärgert mich zwar aber es überrascht mich auch nicht wirklich. Die Linken sind eben tatsächlich weder klüger, noch kennen sie die besseren Argumente. Und „besser“ sind sie schon gleich gar nicht!

Was sie meines Erachtens aber für sich in Anspruch nehmen können, ist, dass sie im Hinblick auf die moralische Seite des Problems (inkl. der Abschiebepraxis in Deutschland) auf der richtigen Seite stehen. Schizo, wa? Seht das wie ihr möchtet!

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Ich mag mir nicht ausmalen, was passieren wird, wenn die Entwicklung in Deutschland so weitergeht, wie wir es heute nahezu täglich in unseren Medien vorgeführt bekommen. Auf mich wirkt es geradezu infantil, wenn Linke angesichts der Entwicklungen von rechter Propaganda und Panikmache faseln.

Neben der Bereitschaft zu helfen halte ich aufgrund der auch weiterhin in großer Anzahl ins Land einreisenden Asylbewerber, eine ordentliche Portion Pragmatismus und Vorsicht für dringend notwendig.

Alle an diesen menschlich schwierigen Prozessen Beteiligten haben sich an unsere Gesetze zu halten und sich den Repräsentanten unseres Staates (Polizei, Justiz) gegenüber respektvoll und gesetzeskonform zu verhalten.

Ich sehe, dass es im linken Lager viele gibt, die glauben, sie müssten sich mit ihrer Sicht der Dinge als der einzig wahren notfalls gewaltsam behaupten und ihre Positionen mit allen gebotenen Mitteln durchsetzen. Dazu gehört es, wie manche Diskussion um Ellwangen gezeigt haben, offenbart auch, sich gewaltsam gegen Polizei oder andere Repräsentanten zur Wehr zu setzen. Das geht gar nicht! Diesen Standpunkt habe ich immer vertreten.

Horst Schulte

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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Deutschland, Soziale Netzwerke

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9 Gedanken zu „Ab heute bin ich ein „besorgter Bürger““

  1. Kennst du den politischen Kreis? Es geht immer soweit „Link“, dass es „Rechts“ ankommt. Wenn man „Diese“ darauf anspricht, merkt man leider oft sehr schnell, dass „Links“ nur ein Fassade war! Leider, meine Erfahrung *schulter zuck*

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  2. Der Satz „Ich gehörte lange dazu. Inzwischen ist aber der Punkt erreicht, an dem ich meine bisherige Haltung zur Migration insgesamt infrage stelle.“ geht mir ein wenig nach. Vielleicht, weil er so passend ausdrückt, was gerade in meinem Gedankengängen vorgeht. Das Recht auf Asyl infrage zu stellen käme mir natürlich nicht in den Sinn, aber was Flüchtlinge aus Regionen betrifft, wo es eben keinen Asylgrund gibt. Menschen die nicht persönlich verfolgt werden oder vor Krieg fliehen müssen, die falsche Religion oder sexuelle Ausrichtung haben … sondern das sind, was man Wirtschaftsflüchtlinge nennt. Und schon beim Schreiben des Wortes „Wirtschaftsflüchtlinge“ überlegt man schon, ob das jetzt eine rechte Argumentation ist. Wahrscheinlich ist der Grad heute ziemlich schmal geworden, ab dem die eine Seite behauptet man gehöre zu der anderen.

    Ich bin völlig der Meinung, dass der Polizeieinsatz in Ellwangen gerechtfertigt war. War er zu martialisch? Ich denke nicht, es mag ein wenig klischeehaft klingen, aber der Staat war aufgerufen Härte zu zeigen. Alles andere wäre nicht zu akzeptieren gewesen. Und am Ende muss man der Polizei auch einen Selbstschutz zugestehen. Und die TAZ? Na ja, die TAZ ist eben die TAZ. Ich habe den Artikel mal gelesen, tatsächlich scheinst du recht zu haben, der Autor hat vom Schreibtisch aus recherchiert. Das kann man machen, aber dann sollte man weniger den Eindruck erwecken als einziger – im Vergleich zur restlichen Presselandschaft – im Besitz der wahren Fakten zu sein.

    Am Ende bleibt die Hoffnung, das es bei Ellwangen bleibt und wir nicht künftig häufiger mit solchen Ereignissen zu tun bekommen.

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  3. Also bevor du mal auf die Idee kommst, mich zu blocken, sprich mich bitte erst an! 🙂

    „Auf mich wirkt es geradezu infantil, wenn Linke angesichts der Entwicklungen von rechter Propaganda und Panikmache faseln.“

    Leider leben wir mittlerweile im Pipi-Langstrumpf-Land: jeder macht sich die Welt, wie es ihm gefällt! Durch das grundschädliche, aber natürlich bequeme/unterhaltende/den-Seelenfrieden bzw. das Brett vorm Kopf potenziell sichernde Funktionieren der „sozialen“ Medien per Follower-System nimmt jeder eine andere „Öffentlichkeit“ war.
    Propaganda von recht und Panikmache erlebe ich ständig, weil ich weiträumig herum schaue und kaum etwas wegfiltere. Besonders verstört hat mich im Ellwangen-Kontext die Wahrnehmung, dass „irgendwie“ sogar der Google-News-Algorithmus dazu beiträgt, dass die Empörungen nicht zu schnell verschwindet:
    Der Screenshot hier ist vom 11.Mai:
    https://twitter.com/HumanVoice/status/994899232950771714

    Hast du übrigens auch diesen Artikel aus der ZEIT gelesen:

    https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-05/ellwangen-fluechtlingsunterkunft-fluechtlinge-pressekonferenz

    Da stehen immerhin Details drin, die sich die Flüchtlinge nicht einfach aus den Fingern gezogen haben können. Von „Gefangenenbefreiung“, die gleich kolportiert wurde, kann demnach nicht die Rede sein. Auch das mit der Gewalt hat schon der TAZ-Artikel relativiert. Denn auch vom Schreibtisch aus kann man die Polizei anrufen und nachfragen, WAS GENAU es nun mit der Sachbeschädigung und den angeblichen Körperverletzungen auf sich habe. Die Auskünfte waren jedenfalls nicht so, wie es jene gener gehabt hätten, die sich über jede Straftat und Ordnungswidrigkeit eines Flüchtlings freuen und die Dinge jeweils so aufblasen, vervielfältigen, verallgemeinern, immer wieder posten, so dass der Eindruck entsteht, wir stünden kurz vor dem Chaos bzw. der „Übernahme“ durch renitente Flüchtling.

    Ansonsten: für mich war der Polizeieinsatz auch unvermeidlich – aber ob er so mega hat ausfallen müssen ist schon auch die Frage.

    Insgesamt passiert aus meiner Sicht sogar relativ wenig. Hunderte, tausende junge Männer, verurteilt zum Nichtstun und Warten auf ihren Bescheid oder bereits auf die Abschiebung… und dann wundert man sich, dass einige Anfangen mit Drogen zu dealen oder sonst etwas zur Geldbeschaffung zu unternehmen. Legal arbeiten dürfen sie ja nicht – ein großer Fehler!

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  4. Ich kann deinen Brass durchaus verstehen, mit geht es gelegentlich ähnlich. Eigentlich erwartet man ja sogar Dankbarkeit, dass die alle hier sein dürfen und versorgt werden (viele sind übrigens auch dankbar, das bekommt man aber nur im persönlichen Kontakt mit).

    Trotzdem werde ich nie aufhören können, auch nach den Rahmenbedingungen zu schauen und mich versuchsweise in solche Situationen hinein zu versetzen. Zu Hunderten in so einer Unterkunft, zum Nichtstun verurteilt – dass ich mir vorstellen kann, wie man da auf die schiefe Bahn gerät, heißt ja nicht, dass ich das „entschuldige“ oder schön rede! (Zudem ist ja die Verteilung unterschiedlicher Charaktere m.E. bei sämtlichen Populationen ähnlich).

    Dass „wir Deutschen Schuld sind“ hab ich nie und nirgends gesagt. Schade finde ich aber, dass offensichtlich unsere bürokratisch eingeschleiften Strukturen nicht in der Lage sind, irgendwie fantasievoller mit dem Thema „Integration“ umzugehen. Schnellere Verfahren wären das eine, kreative Projekte mit Flüchtlingen mit Bleibeperspektive das Andere. Aber da ist halt das Arbeitsverbot davor…

    Und ich bleibe dabei: Wer nur aus den Medien mitbekommt, was schief läuft, übersieht, dass auch vieles gut läuft! Nach wie vor verhält sich die große Mehrheit der Flüchtlinge unauffällig, geht in Sprachkurse, sucht nach Möglichkeiten legaler Ausbildung und Arbeit. Aber das ist natürlich nicht weiter berichtenswert….

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