Den Beitrag „Der Fall des Flüchtlings Ali B.“ von „ZDF Zoom“ habe ich mir auf Empfehlung angesehen. Die Diskussionen auf der ZDF-Facebook-Seite sind heftig. Aber das war vorauszusehen.
Ich habe Verständnis für diejenigen, die den Film als einseitig bezeichnen. Zuerst fand ich das auch. Viele sahen im Film den Versuch, die Schuld für den Mord an Susanna vom Täter auf die Gesellschaft zu übertragen. „Jetzt sind wir also schuld!“
Hintergründe nebensächlich?
So wird der Inhalt der halbstündigen Doku über die vielfältigen Aspekte, die zusammenkamen und die aus hoffnungsvollen jungen Menschen Täter werden lassen, in diesem so speziell gepolten Social Media – Umfeld missverstanden.
Dabei ist, wie ich unterstellen möchte, von den meisten kognitiv verarbeitet, wie sehr seelisch und körperlich belastet viele der Geflüchteten hier in Deutschland ankommen aber ohne adäquate Unterstützung ihren Zustand weiterhin aushalten müssen. Uns all dies anhand des Beispiels von Ali B. noch einmal vor Augen zu führen, war die Intention der Autoren. Man könnte auch sagen, wie es meine Blogger-Freundin Claudia bei Twitter sinngemäß formuliert hat, dass das ZDF insofern nur seinem Bildungsauftrag nachgekommen ist.
Behördenschuld
Ich bin sicher, dass die Wirkung zu langer Bearbeitungszeiten und ein deshalb zu lange fortbestehender unklarer Aufenthaltsstatus für Asylbewerber extrem belastend sind. Der mit den langen Verfahren einhergehende Zwang zur Passivität (zum Nichtstun), wird vor allem bei jungen Männern – unabhängig von ihrer Herkunft – zu Taten führen, die gegen alle Normen (die der Heimatländer natürlich eingeschlossen) verstoßen. Wenig überraschend ist, dass Teile der Gesellschaft jeden Erklärungsversuch besonders lautstark zurückweisen. Dies ist vermutlich kein deutsches Phänomen. Vor allem im Social Media Bereich ist es so, dass jede diesbezügliche Absicht, inbesondere dann, wenn besonders schwere Straftaten begangen wurden, wenig differenziert, dafür aber umso kritischer bewertet wird.
Taten von Asylbewerbern
Bei Mord und Vergewaltigung durch Asylbewerber ist es besonders schlimm. Ein Erklärungsversuch wirkt dann für viele wie der Versuch einer Rechtfertigung und wird damit wie eine offene Provokation beantwortet. Das mündet dann in Bemerkungen wie zum Beispiel: „Was, die wollen uns erzählen, dass nicht die, sondern wir schuld sind?“ Solche oder ähnliche Kommentare gab es viele zu diesem Fall.
So kommt es zu dieser Art von überhitzten Diskussionen, die wir – wenn wir ehrlich zu uns sind – gar nicht führen möchten. Die meisten von uns können sich nämlich sehr wohl vorstellen, welche Nöte, Ängste und schließlich auch, wie groß der Frust für viele Geflüchteten ist. Zuerst verloren sie den Frieden, ihre Heimat, dann verließen sie Familie und Freunde und projizierten all ihre Hoffnung auf Deutschland. Mit wie vielen Enttäuschungen kann ein Mensch klarkommen?
Darauf packen wir die abwertenden, destruktiven und feindseligen Erfahrungen in unserem Land, die sukzessive hinzugekommen sind. Dann ist der allenthalben geforderte Integrationswille zerstört oder mindestens stark reduziert.
Trotz allem halte ich es für ziemlich normal, dass wir kritisch auf Täter wie Ali B. blicken und wenig damit anzufangen wissen, wenn uns im Angesicht schrecklicher Verbrechen erklärt wird, wie schlimm die Umstände gewesen sind, denen der junge Mann ausgesetzt war. Wer wollte es der Gesellschaft verübeln, dass sie, auch ohne fundiertes Hintergrundwissen genauer Tatumstände empört gegen drastische Normenverstöße protestiert?
Für Mord und Vergewaltigung gibt es keine Rechtfertigung! Aber die hat der ZDF – Film ja auch nicht geliefert.
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