Homeoffice ist eine tol­le Sache

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Ich habe hier bestimmt schon davon erzählt, dass mei­ne «letz­te» Arbeitsstelle ca. 150 km von mei­nem Heimat- /​Wohnort ent­fernt lag. Damals stell­te sich die Frage, ob ich die letz­ten ca. 10 Jahre mei­nes Arbeitslebens dort­hin zie­hen soll­te. Meine Frau und ich haben uns dafür ent­schie­den, unse­rer Heimat treu zu bleiben. 

Es gab schon in den 1980er Jahren ein­mal ein Angebot, das wir aus­ge­schla­gen haben. Ich soll­te für unse­re klei­ne Unternehmensgruppe nach Berlin gehen an den Hauptsitz. Es gab ein inter­es­san­tes, vor allem ein gut dotier­tes Angebot, das wir eben­falls ablehn­ten. Meine Frau und ich sind für sol­che Wagnisse wohl nicht gemacht. «Bleib im Lande und ernäh­re dich red­lich» oder so ähn­lich. Wir haben unse­re Entscheidungen nie bereut!

Wandern als Teambuilding
An man­che Erlebnisse erin­ne­re ich mich immer wie­der gern, an ande­re­we­ni­ger. Wenn mich beim Laufen mei­ne Füße pla­gen, kommt mir ein Tag in den Sinn, den ich aus heu­ti­ger Sicht anders gestal­ten wür­de.
Quelle

Man gewöhnt sich an alles, am bes­ten an die guten Dinge.

Die letz­ten Arbeitsjahre emp­fand ich als beson­ders hart. In den ers­ten Jahren über­nach­te­te ich die Woche über in einem Hotel. Es erga­ben sich «Abwesenheitszeiten von zu Hause», die mei­ne Frau und ich vor­her nicht gekannt haben. Es war ein gra­vie­ren­der Einschnitt und alles in allem eine nega­ti­ve Erfahrung. Ich den­ke vie­le, die abends nach Hause zu ihrer Familie kom­men, wis­sen die­sen Komfort nicht immer zu schät­zen. Für mich war es lan­ge Jahre die pure Selbstverständlichkeit, für die ich nicht so dank­bar gewe­sen bin, wie ich es hät­te sein sollen. 

Zum Glück hat­te ich spä­ter einen Chef, der es mir – außer­ge­wöhn­lich für das Unternehmen – erlaubt hat, min­des­tens einen Tag in der Woche zu Hause zu arbei­ten. Wenn kei­ne beson­de­ren Anlässe exis­tier­ten, blieb ich mon­tags zu Hause und bin erst diens­tags in die Firma gefah­ren. Freitags fuhr ich regel­mä­ßig bereits in der Mittagszeit nach Hause und arbei­te­te nach­mit­tags zu Hause wei­ter. Das Privileg hat­ten ande­ren Kolleginnen und Kollegen nicht, weil ihre Vorgesetzten nicht akzep­tier­ten, dass sie zu Hause arbeiteten.

Misstrauen

Dahinter steck­te neben sicher auch fach­li­chen oder prak­ti­schen Gründen vor allem ein Misstrauen. Die MitarbeiterInnen konn­ten zu Hause nicht kon­trol­liert wer­den. War so sicher­zu­stel­len, dass die Gesamtleistung der Abteilung dar­un­ter lei­det, nur weil eini­ge von zu Hause ausarbeiteten? 

Ich den­ke, dass das fle­xi­ble Arbeiten für die MitarbeiterInnen gro­ße Vorteile hat, weil es in der ver­trau­ten häus­li­chen Umgebung statt­fin­det und zwi­schen­durch Dinge erle­digt wer­den kön­nen, die im nor­ma­len Betrieb im Unternehmen nicht mög­lich wären. Ich glau­be, dass die MitarbeiterInnen, die die­se Form der Arbeit eine Weile ken­nen­ge­lernt haben, die­se zu schät­zen wis­sen und die damit ver­bun­de­nen «Freiheiten» nicht aus­nut­zen oder gar miss­brau­chen wür­den. Wie ich schon schrieb, ich emp­fand die­se zusätz­li­che Anwesenheit zu Hause als ech­tes Privileg und durch­aus auch als Vertrauensbeweis. 

Ich habe an den Homeoffice-Tagen sehr häu­fig län­ger als die nor­ma­len acht Arbeitsstunden am Schreibtisch geses­sen und kon­zen­triert gear­bei­tet. Die Ruhe, die Möglichkeit, sich unge­stört auf eine bestimm­te Aufgabe zu kon­zen­trie­ren, lässt die Zeit vergessen.

Ein Gesetz zum Homeoffice könn­te auch Arbeitnehmer/​innen bevormunden

Wenn sich die Politik dar­über strei­tet, ob für die­se «moder­ne» Art des Arbeitens eigens ein Gesetz ein­ge­führt wer­den soll, scheint mir das einer­seits über­trie­ben. Andererseits habe ich selbst erlebt, wie unter­schied­lich Homeoffice auch in moder­nen mit­tel­stän­di­schen Unternehmen gese­hen wird. Dennoch soll­te die Entscheidung den Unternehmen über­las­sen wer­den, ob sie ihren Mitarbeitern die­se Möglichkeit einräumen. 

Durch die Arbeit zu Hause kann Stress* ver­mie­den wer­den, von der so mög­li­chen Reduzierung des Individualverkehrs ein­mal gar nicht zu reden.
Ich fra­ge mich, ob ein sol­ches Gesetz nach einer gewis­sen Zeit nicht dazu füh­ren könn­te, dass Unternehmer einen Teil ihrer MitarbeiterInnen aus dem Betrieb «aus­la­gern», weil sich dies als kos­ten­dämp­fen­de Maßnahme ent­deckt wird? Büroeinrichtung, Energiekosten könn­ten ein­ge­spart wer­den.

Zunahme psy­chi­scher Erkrankungen bei Arbeitnehmern

Es kommt nicht zuletzt sehr dar­auf an, wie der/​die ein­zel­ne ArbeitnehmerIn Homeoffice orga­ni­sie­ren könn­te. Bestimmt wäre es nicht wün­schens­wert, wenn MitarbeiterInnen, die sich aus unter­schied­lichs­ten Gründen gar kein Homeoffice wünsch­ten, vom Unternehmen hier­zu «gezwun­gen» wer­den könn­ten. Ich kann auch nicht ein­schät­zen, für wie vie­le Leute der täg­li­che per­sön­li­che Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen von gro­ßer Bedeutung sind. Soziale Kontakte gehen ver­lo­ren, wenn die Menschen in hoher Zahl ver­ein­zelt zu Hause arbei­ten. Die posi­ti­ven Erträge auch der nor­ma­len Kommunikation unter den Menschen, von dem auch das Unternehmen pro­fi­tie­ren dürf­te, geht viel­leicht verloren.

Wenn laut DIW 40% der Beschäftigten zu Hause arbei­ten könn­ten, heißt das ja nicht, dass die­se Menschen es sich wün­schen, zu Hause zu arbei­ten. Deshalb plä­die­re ich, trotz mei­ner posi­ti­ven Erfahrungen mit dem Homeoffice, für indi­vi­du­el­le Abstimmungen zwi­schen Unternehmen und ArbeitnehmerInnen und nicht für ein neu­es Gesetz.

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