Ich gehöre zu den Menschen, die leicht zu beeindrucken sind. Das sehe ich daran, dass ich mich bei Talkshows viel zu schnell den Argumenten der PolitikerInnen öffne. Anders ausgedrückt: Alle scheinen irgendwie Recht zu haben.
Meine Bewertung ändert sich mitunter schnell auch wieder – oft mit Verzögerung. Manchmal mache ich mir Vorwürfe, mich zu schnell beeinflussen zu lassen. Vor allem sind es die Fakten und Argumente, die so beschaffen sind, dass sie Betroffenheit oder Befürchtungen auslösen. Anders ausgedrückt: Emotionen sprechen mich schneller an als Fakten. Sie, die Emotionen verschwinden nicht einfach dadurch wieder, dass neue Argumente eingeführt werden. So geht mir das vor allem bei den Themen Migration und Klimawandel. Damit bin ich wohl nicht allein!
Ich habe mir in den letzten Tagen endlich mal die dänische TV-Serie „Borgen“ bei „Arte“ gesehen. Die letzte Staffel wurde im Jahr 2013 gedreht. Obwohl Handlung und Charaktere fiktiv sind, erinnert ihr Inhalt an die Auseinandersetzungen, die bei uns mit zweijähriger Verspätung, also im Herbst des Jahres 2015 begonnen haben.
Dänemark hat die Abschottung des Landes in der Art und Weise betrieben, wie es sich die Rechten in Deutschland gewünscht hätten. Aus einem liberalen, weltoffenen Land entwickelte die dänische Koalition aus Konservativen und Rechtsliberalen eine Wagenburg. Ich kann die Stimmung im heutigen Dänemark selbst nicht einschätzen, dort scheint die Polarisierung der Gesellschaft kein Thema zu sein. Nun ist die sozialdemokratische Regierung dort auch schon wieder ein paar Jahre an der Macht.
Kurz vor dem Regierungswechsel im Juni 2019 hatte der zu diesem Zeitpunkt amtierende dänische Ministerpräsident Rasmussen in der Realität die Auswirkungen eines Gesetzes zu spüren bekommen, an dem er im Jahr 2002 selbst mitgearbeitet hatte. Die Ehefrau seines Sohnes in spe sollte Dänemark aufgrund dieses Gesetzes verlassen müssen. Sie studierte zwar an der Harvard-University in den USA und ist gebürtige Somali. Rasmussen ist heute noch Chef der rechtsliberalen Partei „Venstre“.
In der 3. Staffel der erwähnten TV-Serie „Borgen“ von 2013 gründete die Hauptfigur der Serie, Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen), die zuvor einige Jahre lang Premierministerin Dänemarks gewesen ist, eine neue Partei. Sie war ungefähr 3 1/2 Jahre davor aus der Politik ausgeschieden, weil die Konservativen die von ihr ausgeschriebenen Wahlen gewonnen hatten.
Die Führung ihrer alten Partei war nicht bereit, der ehemaligen Spitzenpolitikerin eine adäquate Position anzubieten. Vor allem der anhaltende Streit um die Migrationspolitik bewog sie, erneut in die Politik einzusteigen.
Ihre liberalen, weltoffenen Positionen brachten ihr Respekt über die Parteigrenzen hinweg ein. Der zweite Vorsitzende der konservativen Partei ist in der Geschichte mit einer Schwarzen verheiratet. Beide haben ein Kind. Aus Sorge um ihr gemeinsames Leben in Dänemark, wo schon kleine Strafdelikte zur Ausweisung von Migranten führten, verließ der zweite Vorsitzende der Konservativen nach über 20 Jahren Parteimitgliedschaft seine Partei und trat den von Nyborg gegründeten Partei „Neue Demokraten“ bei.
Ich finde diese Parallele zur Realität insofern hochinteressant, als diese Geschichte in einem großen zeitlichen Abstand stattfand. Die Fiktion war schneller als die Wirklichkeit, wurde schließlich jedoch von der Realität eingeholt.
Welche grotesken und sinnlosen Zustände können Gesetze bewirken, die aus den falschen Gründen beschlossen wurden? Das ist sicher auch für uns in Deutschland weiterhin ein Thema.
Heute las ich, dass im Zeitraum von 2011 bis 2017 weltweit Waldgebiete verbrannt sind, die viermal der Größe Deutschland entsprechen.
Warum Waldgebiete vernichtet werden, wissen wir. Es geht dabei nicht zuletzt um Landgewinnung. Agrarflächen, um unseren Hunger nach Fleisch, nach Palmöl und Soja zu stillen. Der Wohlstand des Westens, unser aller Wohlstand, hat einen zu hohen Preis. Das verstehen immer mehr Menschen.
Und doch ist es ernüchternd, wenn man sieht, dass viele von uns sich bei den damit verbundenen Fragestellungen und Anforderungen wie Politiker verhalten.
97% der Befragten (s. Grafik) finden, dass Förderung von Innovation und Forschung angesagt wären, 92% meinen, der Ausbau der erneuerbaren Energien sei wichtig, ebenfalls 92% halten niedrige Preise für Bahnfahrten als Beitrag für sinnvoll. Mit deutlichem Abstand (71%) folgt die Einsicht, dass höhere Preise für Flugreisen sinnvoll wären, nur noch 60% bringen die (noch) so teuren Autos mit alternativen Antrieben ins Spiel.
Ich würde also sagen, je mehr es uns selbst betrifft – unser eigenes Geld oder unseren Komfort kostet -, desto dünner werden die Forderungen von Maßnahmen, die eigentlich dringend sind.
Woanders las ich, dass die Zahl der Flugreisen ab Deutschland einen neuen Rekord erreicht hat. Wofür das spricht? Das muss ich nicht ausführen.
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Wieso „Wir“ lassen uns zu schnell beeinflussen?
Ich nicht und ich verstehe nicht, warum du oft immer von „Wir“ schreibst, schreibe doch lieber über „Ich“ 😉 – so Verallgemeinerungen find ich unschön
Jeder wie er möchte. Ich bleibe beim WIR.
Schade, ich hätte gerne was sachliches zu deinen Überlegungen kommentiert, wobei meine gedachte „Sachlichkeit“ ja auch schon wieder subjektiv durch Stimmungen und Befindlichkeiten eingefärbt wird.
Aber heute fühle ich mich unter den Gästen hier nicht wohl. Komme dann morgen wieder vorbei.
@Menachem: Den Vorwurf von Markus kenne ich schon. Deshalb habe ich es kurz gemacht. Ich hätte mir allerdings gewünscht, er hätte was zum Inhalt des Artikels gesagt.
Leute, die behaupten, dass sie sich nicht (so schnell) beeinflussen ließen, kenne ich einige. Die sollen mal ihre alten Fotos durchschauen und einen Blick auf ihre Kleidung werfen.
Warum trägt man heute andere Pullover als in den 70ern und warum ist die Vokuhila – Frisur out? Richtig, weil sich unser Verhalten durch die zeitgenössische Mode „beeinflussen“ lässt. Die Ausnahmen, die es gibt, fallen jedem auch sofort auf. 🙂
Hier mal ab Min 14.40 genau zuhören 🙂
Ich sage mal so:
Ich sah in den 80ern koyaanisquatsi.
Bilder von schönen industrielandschaften in der Mitte des Films. Städte. Verkehr. Das hatte zunächst Ästhetik, zeigte sich aber bald als das, was uns zuwiderläuft, in vielerlei Aspekten.
Ich denke, dass unser Konsum soviel Magie hat wie die chromästhetik des Films, das heißt, das wir nicht ablassen wollen davon.
Ich weiß gar nicht mal, ob wir so fixiert auf den Konsum sind. Da ist uns viel eingeredet worden. Manche widerstehen eher, wie Markus. Andere lassen sich davon überrollen und nehmen alles mit, was sie kriegen. Wenn ich mir die aktuellen Diskussion – vor allem junger Leute – anhöre, entsteht schon Hoffnung (bei mir), dass es auch anders sein könnte.
Du meinst junge Leute im TV und den Medien?
Mon, moin, da bin ich wieder. Wollt` ja heute wieder vorbei schauen. Is noch früh. Bin ich der Erste heute morgen?
Wollte ja auch noch was zum Brand der Regenwälder schreiben.
Ich musste an die Osterinseln denken, da gab es ja ein ähnliches Szenario. Es wird geschätzt, dass dort 10 Millionen Palmen gefällt wurden, wodurch sich die Bevölkerung von 10000 auf 2.-3.000 reduzierte. Eine folge des Nahrungsmangels durch Bodenerosionen.
Durch neue Agraflächen im Amazonas werden wir nicht verhungern. Allerdings wird uns die Luft ausgehen.
Ich denke an die konsumkritischen Ansagen insbesondere (sehr) junger Leute. Konkret aus dem Umfeld von FFF oder anderen Aktivistenkreisen. An krass linke Gruppen denke ich dabei nicht mal.
Aber so etwas von der Erste. 🙂 Ich stehe nie sehr früh auf – außer, wenn etwas besonderes anliegt. Meine Frau ist die Frühaufsteherin.
Nicht auszudenken, wenn diese Brandrodungen in der Form weiterbetrieben würden. Das sollten die Präsidenten von Brasilien und Bolivien (der ist nicht besser, obwohl Sozialist) irgendwann auch begreifen. Der Druck von außen sollte ruhig hochgehalten werden, damit uns nicht tatsächlich die Luft ausgeht.
Ich war vor Jahren auf Rhodos (Anfang der 90er). Dort sind in den Jahren zuvor große Waldflächen verbrand. Die Baumstümpfe auf dem schwarzen Boden waren deprimierend anzusehen. Keine Ahnung, ob man dort eine Aufforstung versucht hat. Ich wusste von Verwandten, die auch viele Jahre zuvor mal auf Rhodos waren, dass die Insel mal grün gewesen ist – jedenfalls grüner als bei unserem Besuch. Das war traurig anzusehen.