Die Aggressivität der anderen



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Die Hetzer der AfD sind Multiplikatoren für Rassismus, Hass und Demokratiefeindlichkeit. Sie haben nicht die Absicht, in unserer Demokratie eine konstruktive Rolle zu spielen. Sie haben von Leuten wie Steve Bannon und Dominic Cummings gelernt, wie leicht Demokratie als angebliche Sachwalter einer imaginären Elite (des so genannten Establishments) verleumdet werden kann.

Die „Altparteien“ werden mit ihrer Verantwortung für den zunehmenden Frust im Land konfrontiert. Vor allem die Parteien, die in den letzten Jahrzehnten die Regierung stellten. Das unbestimmte Gefühl hat sich eingestellt, dass irgendwie alles den Bach heruntergeht. Wir verweigern uns der Einsicht, dass globale Zusammenhänge schwer zu lenken und zu beeinflussen sind. Es entsteht das leicht zu nährende Gefühl, dass ein Rückzug auf nationale Interessen (Währung, Grenzen, Migration) eine Befreiung aus dem Dilemma brächte. Weil das mit den Maßnahmen gegen den Klimawandel schlechterdings nicht funktioniert, hat man (Trump, AfD) entschieden, dass es den menschgemachten Klimawandel nicht gibt.

Ich habe Alice Weidels Tirade im Bundestag bei Phoenix verfolgt. Ihre gewohnt aggressive Rede kam bei ihren Leuten (Soziale Medien) gut an. Gaulands Rede hat die Anhänger der AfD weniger „inspiriert“ (deutlich weniger Klicks).

Ich schwanke beim Zuhören zwischen kritischer Aufmerksamkeit und aufkommender Wut. Die AfD-Granden produzieren sich beifallheischend in den Parlamenten und sie transportieren nichts als Hass und Häme. Es gibt kein konstruktives Element. Die Forderungen, die gestellt werden, haben grundsätzlich einen destruktiven Charakter. Alle Reden von AfD-Abgeordneten bestehen aus Vorwürfen und Anklagen gegen die Etablierten.

Angela Merkel sprach gleich nach Weidel. Sie würdigte Weidel nicht eines Wortes.

Es gibt massenhaft ungelöste Probleme im Land. Dazu müssen wir nicht nach Ostdeutschland schauen. Sie betreffen das ganze Land. Damit geht ein Gefühl der Unsicherheit einher. Sie ist mit Händen zu greifen.

Demokratie? Wer braucht das?

Für immer mehr Menschen hat die Demokratie nicht mehr den Wert, den sie irgendwann einmal hatte. Dieser Wandel hat nichts Plötzliches. Was die Aufgabe demokratischer Spielregeln heißt, zeigt der Zerfall der Demokratie in Ungarn oder in der Türkei. Dass die aktuellen Machthaber so tun, als seien ihre Maßnahmen alternativlos ist nicht das Besondere, dass sie dafür aber Rückhalt in ihrer Bevölkerung finden, aber schon.

Die Lage in den USA, seit Johnson auch in Großbritannien, betrachte ich als Zeichen einer Veränderung, die desillusioniert. Ich mag gar nicht glauben, dass so viele Menschen elementare Bestandteile (Mehrheits- oder Konsensprinzip, Minderheitenschutz, Bürger- und Menschenrechte) der Demokratie ablehnen, weil sie ihnen zu fordernd, zu anstrengend geworden sind und auch, weil bestimmte Prozesse sehr viel Zeit kosten. Die Rufe nach einem Führer, dem starken Mann, der auch mal „durchregiert“ sind umso lauter geworden.

Andererseits: wenn so viele nicht daran glauben, dass die Demokratie und ihre Institutionen über eine Lösungskompetenz verfügen, um den Anforderungen dieser komplizierten Zeiten zu entsprechen, müssen sich die sie tragenden politischen Parteien fragen lassen, wie sie das zu ändern beabsichtigen. Wir hören nach knapp ausgegangen Wahlen, dass man verstanden habe. Davon merken die Menschen aber nichts. Entweder liegt das daran, dass sich in Wirklichkeit gar nichts ändert oder, was ich für wahrscheinlicher halte, weil die Prozesse so furchtbar langsam sind. Darauf muss die Politik halt ebenfalls einwirken. Ich nehme als Beispiel mal den Ausbau der dringend benötigten Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland. Es geht nicht voran.

Oder nehmen wir die dringend erwarteten Maßnahmen der Deutsche Bahn, um die Attraktivität des Staatsbetriebes zu verbessern. Nun fehlen 3 Milliarden Euro und die Bahn hat aufgrund einer Schuldenbremse, die die Politik ihr auferlegt hat, keine eigene Gestaltungsmöglichkeit. Statt dafür zu sorgen, dass dies schnell gelöst wird, freut sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz über eine (angeblich) weitere schwarze Null im Bundeshaushalt.

Studie des Allensbach Instituts

Die vorgestellte Studie des Allensbach Instituts zeigt, wie viele BürgerInnen ein zunehmend aggressives Klima in Deutschland beklagen. Diese Feststellung beschränkt sich nicht auf politische Themen. Ich glaube, dass uns die Vielzahl von ungelösten Zukunftsfragen die größten Sorgen bereitet. Menschen, die in Angst leben, neigen dazu, sich aggressiv zu verhalten. Das ist wohl eine Binsenweisheit.

Ich fühle mich manchmal überfordert von alldem, was auf mich einprasselt. Zeitdruck habe ich allerdings keinen, weil ich in Rente bin. 🙂 Trotzdem bin ich vielleicht manchmal etwas aggressiv. Es gibt bestimmt Menschen, die das von mir sagen. Nur – wie stehts denn mit denen? So gehts schon mal los.

Wer setzt heute Maßstäbe für Verhaltensnormen? In einer liberalen, offenen Gesellschaft müssen sie beibehalten werden, stattdessen wird exzessiv gegen sie verstoßen? Das Gefühl habe ich zu oft. Wir kennen die Grenzen nicht mehr. Mir kommt da spontan die „Heute Show“ in den Sinn. Von solchen Formaten gibt es einige im TV. Da werden Politiker aufgrund ihres Aussehens (Seehofer, Altmaier) aufs Korn genommen. Nicht eine lustige oder kritikwürdige Aussage steht im Mittelpunkt, sondern das Aussehen. Satire darf das ja. Aber das ist meiner Meinung nach keine Satire, sondern Mist, den wir als solchen bezeichnen und bekämpfen sollten.

Ich glaube nicht, dass die Politik dafür sorgen kann, dass Verhaltensnormen funktionieren. Dafür wären eher Persönlichkeiten nötig, die über alle Parteigrenzen und Interessengruppen hinweg, ein großes öffentliches Ansehen genießen. Mir fallen in Deutschland kaum welche ein. Wenn ich Namen nennen würde, könnte ich sicher sein, dass Widerspruch auf dem Fuße folgt. Liegt das etwa daran, dass es diese Persönlichkeiten nicht gibt oder daran, dass die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen (vor allem im Internet), solche positiven und leuchtenden Beispiele erst gar nicht mehr entstehen können? Welchen Einfluss auf unsere Gesellschaft hätten heute Menschen wie Albert Schweitzer, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela oder Albert Einstein? Würden wir sie respektieren, wenn sie heute leben und arbeiten würden?

Wenn ich die Punkte der Statistik durchgehe, teile ich die damit verbundenen Eindrücke der für die Umfrage befragten Menschen. Auf mich treffen die Zuschreibungen allerdings nicht zu. Wie empfinden Sie das?

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4 Gedanken zu „Die Aggressivität der anderen“

  1. Bei der Erwähnung der heute show kam mir spontan Rudis Tagesshow in Erinnerung: https://youtu.be/_LvdB6aafJk?t=859 Sehr viel mit Politik hat das ja auch nicht zu tun, oder? 🙂 Aber im Grunde stimme ich dir zu, ich sehe das alles als eine Steigerung, an der das Internet durchaus eine Hauptschuld hat. Früher konnte der Dorftrottel auf den Misthaufen steigen und runterschreien, heute kann er mit einem Twitter-Account oder Blog Reichweite erzeugen. In Verbindung mit der Anonymität wird dann auch keine Rücksicht mehr auf die ungeschriebenen Regeln des Umgangs miteinander genommen. Gleichzeitig wirkt sich die Ungehemtheit im Internet dann wieder auf die echte Welt aus, die hinkt dann immer ein bisschen hinterher, aber da das Ansteigen der Aggressivität noch nicht am Ende ist, wird es auch hier immer schlimmer. Vielleicht können wir zumindest hoffen, dass es keine Endlosspirale ist. Oder, nur weiß ich nicht, ob hoffen noch der richtige Ausdruck ist, ein Ereignis passiert, das so schrecklich ist, dass zumindest die Meisten aufwachen.

    Würde Nelson Mandela heute leben, hätte er zweifellos das Problem, dass gewisse Gruppen immer auf jene Punkte in seiner Vergangenheit hinweisen würden, in denen er noch weit entfernt war von Gewaltlosigkeit. Und ich bin mir sicher, auch Mahatma Gandhi hat in seinem Leben Dinge gemacht oder nicht verhindert, die man kritisieren kann. Und Albert Schweitzer wäre für manche schlicht und einfach ein Rädchen im kolonialen Unterdrückungssystem. Das ist ja ein weiteres Problem. Nichts bleibt verborgen, jede Kleinigkeit wird gefunden und wenn man sie nur lange genug aufbauscht ist der Status als Lichtgestalt dahin. Ich glaube, wenn jemand heute noch jemand einen solchen Status als moralische Instanz bekommt, muss mindestens der letzte Zeitzeuge gestorben sein.

  2. Gerhard 244 14. Sep. 19 um 09:12

    „Prozesse so furchtbar langsam“
    Das ist so. Fast 50 Jahre dauerte es, seit Club of Rome, daß man begriff, dass etwas zu tun ist. Aber alles braucht seine Zeit und manche Maßnahme wird nicht greifen, sondern dann muß die nächste ran.

    Es gibt keine einfache Lösungen, auch nicht, wenn man sie lauthals fordert.
    Das mit der Nichteinfachheit zu vermitteln, glaubhaft, wäre wichtig.

    Das Internet enthemmt, das glaube ich schon.

    Bezüglich der Statistik:
    Ungeduld und Egoismus hat auch bei mir zugenommen. Doch merke ich das selbst und versuche gegenzusteuern.

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