Freiheitsdemo in Berlin
Wenn ich gegen die Berliner „Freiheitsdemo“ bin, ist das nicht vor allem deshalb so, weil da alle möglichen Nazis, Verschwörungstheoretiker und Staatsfeinde mitmarschieren, ich habe eher praktische Gründe.
Ich finde es egoistisch, fahrlässig, ja unverantwortlich von den Covidioten, dass sie sich über das hinwegsetzen, was eine viel größere Anzahl ihrer MitbürgerInnen für richtig und vor allem notwendig halten. Die Corona-Leugner mögen sich nicht für die Interessen der anderen interessieren, der Staat hat die Pflicht, diese Leute in die Schranken zu weisen – im Interesse des Ganzen.
Ich habe keine Sympathie für die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes oder des Oberverwaltungsgerichtes Berlin, die auch in diesem Fall das Demonstrationsrecht als so hohes Verfassungsgut betrachten, dass Demonstration nicht bereits im Vorfeld verboten werden dürften. Gab es eigentlich solche Verbote noch nicht? Dabei war doch absehbar, dass sich die Teilnehmer an die Gebote des Staates nicht halten werden. Können die Maßstäbe unserer Gericht mögliche Folgen (höhere Infektionen, Gewaltausbrüche) verantworten?
Am Mittag hat die Berliner Polizei die Demonstration abgebrochen. Wie ich lese, weigern sich viele Teilnehmer, den Anweisungen der Polizei zu folgen. Sie wollen weiter demonstrieren. Und das, obwohl die Teilnehmer die Auflagen, die die Veranstalter ausdrücklich zugesagt hatten, nicht eingehalten haben. Wahrscheinlich sind sich alle (vor allem die Demoteilnehmer) einig, dass genau dies wirklich jeder vorher wusste, denn diese Leute halten sich an nichts, was der Staat ihnen auferlegt. Sonst hätte es die Demo schließlich nicht geben müssen.
Vielen Teilnehmer geht es im übrigen hauptsächlich darum, diesem Staat zu schaden. Sie finden es vermutlich gut, wenn Randale aufkommt (Gewaltankündigungen in den sozialen Netzwerken) und der Staat und seine Institutionen in einem schlechten (möglichst auch schwachen) Licht erscheinen.
NZZ und die Kurzarbeit
Obwohl meine Meinung oft mit der der Autoren der NZZ über Kreuz liegt, habe ich eben ein neues Abo abgeschlossen. Den asozialen Netzwerken, egal welcher Art, weiche ich seit über einem Jahr erfolgreich aus. Die wenigen News, die mich auf Umwegen über diese noch erreichen, halten sich in Grenzen. Das hat den Vorteil, dass ich mich weniger über die schlimmen Kommentare, die dort an der Tagesordnung sind, ärgern muss.
Ich konsumiere allerdings regelmäßig konservative, manchmal rechte Medien. Spaß macht auch das nicht. Aber ich will wissen, was die Meinungsmacher der anderen Fakultät über das Land und ihre politischen Gegner denken. Wie sollte man das sonst erfahren? Denn eins ist nun einmal wahr: Die Grünen und Linken unterdrücken die Meinungsvielfalt in unserem Land – auch wenn sie genau dies vehement bestreiten (Stichwort: Cancel Culture). Für diese Einsicht habe ich eine Weile gebraucht.
In den letzten Tagen waren dort ein paar äußerst kritische Artikel über den Spätsommer des Jahres 2015 zu lesen. Herr Gujer, Chefredakteur der NZZ, hat sich – wieder einmal – besonders kritisch dieser Zeit angenommen und kritisiert, dass Merkels Regierung nur auf eigene moralische Ansprüche geachtet, die Belastungen für ihr Land und die Bevölkerung jedoch ignoriert habe. Dass Gujer sein Pamphlet erneut in der speziell für „deutsche“ Leser gegründeten Rubrik „Der andere Blick“ eingeordnet hat, spricht für mich Bände. Man will zur Auflagensicherung, insbesondere die regierungskritische rechte Klientel, mit möglichst einseitigen und bei Rechten besonders beliebten Narrativen bedienen. Das Prinzip ist wohl auch ziemlich erfolgreich. Viele Kommentare handeln davon, dass es in Deutschland eine solche Zusammenstellung kritischer Aspekte der Masseneinwanderung nicht gäbe. Was für ein Quatsch!
Die Berliner Redaktion der NZZ hat kürzlich Zuwachs bekommen. Einer der Cicero-Redakteure, Dr. Alexander Kissler, ist jetzt Mitglied.
Bisher wurde schon oft mit Dreck nach dem vermeintlich grün-links gesteuerten Deutschland geworfen. Das Engagement von Kissler dürfte diesbezüglich neue Impulse setzen. Die Schweizer nehmen Deutschland, nicht nur sein PolitikerInnen gern schonungslos in den Blick. Roger Köppels „Weltwoche“ hats vorgemacht.
Wenn man sich mit den schweizerischen Nachrichten befasst, merkt man rasch, dass die dortigen Probleme sich gar nicht großartig von den unseren unterscheiden. Das nimmt sich die Corona-Krise nicht aus.
Bemerkenswert fand ich den heutigen Kommentar des britischen NZZ-Korrespondenten, Benjamin Triebe. Unter dem Titel: „Kurzarbeit darf den Wandel nicht blockieren – auch wenn es Entlassungen kostet“ zeigt er offene Bewunderung dafür, dass die Briten in der Corona-Krise zwar etwas ähnliches wie die „deutsche“ Kurzarbeit in Großbritannien eingeführt habe, deren Dauer allerdings von vornherein begrenzt hätten.
Nach Aussage von Boris Johnson soll die Kurzarbeit bereits im Laufe dieses Monats zurückgefahren und bis Ende Oktober ganz eingestellt werden.Triebe schlägt den Bogen zu Deutschland und lobt die Briten dafür, dass sie im Gegensatz zur deutschen Regierung aus der Kurzarbeiterregel keine Dauereinrichtung machen wollen. Und das – so Triebe -, obwohl in Großbritannien noch nicht übersehbar ist, wie schlimm die Arbeitslosigkeit durch Corona werden könne. Vorbildlich, diese Briten. Das Krisenmanagement von Boris Johnson hat ja einen exzellenten Ruf, nicht wahr?
Was für jeden einzelnen Entlassenen hart ist, kann eine Volkswirtschaft insgesamt anpassungsfähiger, innovativer und damit widerstandsfähiger machen. Anhaltende Kurzarbeit impliziert die Gefahr, Unternehmen zu konservieren, die nicht mehr fit für die Wünsche ihrer Kunden sind – und so die letztlich unvermeidliche Anpassung noch schmerzhafter zu machen.
Triebe und die Schmerzen der anderen / Grossbritannien: Kurzarbeit darf Entlassungen nicht blockieren
Triebe findet, es erschwere strukturelle Anpassungen, wenn die Kurzarbeitregelungen zu lange beibehalten würden. Er beklagt damit im Grunde genau das, was die deutsche Regierung sich vom Kurzarbeitergeld verspricht. Anhand der positiven Erfahrungen mit diesem Konzept wurden in Deutschland während der Finanzkrise Ende des letzten Jahrzehnts Hunderttausende von Arbeitsplätzen gerettet. Deshalb ist wohl allzu verständlich, dass die deutsche Regierung auch in der Corona-Krise auf dieses Instrument gesetzt hat. Die positive Grundeinstellung anhand der Erfahrung lässt Triebe völlig unerwähnt.
Anders als Deutschland hat Grossbritannien erkannt: Wird das durch die Kurzarbeit blockiert, drohen am Ende noch mehr Verlierer.
Triebe und die blockierende Kurzarbeit, die nur Verlierer produziert / Grossbritannien: Kurzarbeit darf Entlassungen nicht blockieren
In Deutschland existiert eine gewisse Staatsgläubigkeit, die sich auch in der Akzeptanz so teuer staatlicher Interventionen zeigt. Lässt man solche Subventionen über zu lange Zeit weiterlaufen, kann es auch zu unerwünschten Effekten kommen. Dazu gehört die Ausweitung des Anspruchsdenkens in unserer Bevölkerung. Das die Zustimmung zur den Regierungsmaßnahmen zurückgeht, hat wahrscheinlich auch damit etwas zu tun. Und das, obwohl die Regierung in meinen Augen gute und richtige Entscheidungen getroffen hatte. Längst hat das Meckern Dimensionen eingenommen, die ich schräg, unangebracht und vor allem destruktiv finde.
Triebe schreibt richtig, dass solche sozialstaatlichen Eingriffe in den angelsächsischen Ländern nicht denkbar seien. Wir wissen, wie es vor allem in den USA im Moment ausschaut. Dass mit mehr Flexibilität, also der Inkaufnahme hoher Arbeitslosenzahlen, vor allem den Reichen und den Unternehmen gedient ist, arbeitet er nicht so heraus. Der Ansatz ist für Vertreter des Kapitalismus sicher Teufelszeug. Für Triebe scheint jede Form sozialer Absicherung von Arbeitnehmern so nah am Sozialismus, das mich das gleich an Trump und seine Republikaner erinnert.
Triebe ist übrigens Deutscher. Wie viele andere Journalisten lässt er hier bei der NZZ, etwas Kritisches (äh, ich meine: Nichtmainstreamkonformes) über Deutschland vom Stapel. Es wirkt so, als würden frustrierte deutsche Journalisten in den „schweizerischen Bergen“ erst richtig zur journalistischen Hochform auflaufen. Vor allem, wenn es gegen die deutsche „Einheitspresse“ geht. Gott, was hat die Flüchtlingskrise und der Umgang in der deutschen Medienlandschaft nur für schicksalhafte Verstrickungen.
Update: 30.8.2020
In Berlin trat im Rahmen der Demonstration übrigens ein Sohn von Robert F. Kennedy auf. Er trägt den Namen seines Vaters, ist allerdings in meinen Augen geistig auf einem ganz anderen Niveau. Ich glaube, der Mann hat große Probleme. Er profitiert natürlich von seinem großen Namen und erwähnt natürlich seinen Onkel. Der wird sich im Grab rumdrehen angesichts des Schwachsinns, den sein Neffe in Berlin abgesondert hat. Logisch, dass RT Deutsch voll darauf eingegangen ist. Alles, was diesem Land schadet, bringt dieser Propaganda-Sender im Namen ihres Chefs, Vladimir Putin.
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