Die Suche nach der Schuld an dem Schlamassel

An allem Unfug, der pas­siert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, son­dern auch die, die ihn nicht ver­hin­dern. – Erich Kästner

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Wie ich heu­te mor­gen über­ra­schend lern­te, könn­te man auch ande­ren Per­so­nen bzw. gewis­sen Ver­hält­nis­sen im Land die Schuld dafür geben, was in Hanau und anders­wo pas­siert ist. Dem­nach ist es also über­ra­schen­der­wei­se gar nicht so zwangs­läu­fig, dass, wie alle den­ken, die AfD die Wur­zel allen Übels ist.

In Deutsch­land muss­te man in den letz­ten Tagen das Gefühl haben, dass alle AfD-Poli­ti­ker und am bes­ten auch gleich all ihre Wäh­le­rIn­nen ihr beruf­li­ches Leben nur noch außer­halb des Lan­des fort­set­zen könnten. 

Die Ver­tei­di­gung der so dras­tisch für die Taten von Rechts­extre­mis­ten ver­ant­wort­lich Gemach­ten als pure Jam­me­rei abzu­tun, ist viel­leicht auch ein biss­chen zu radikal? 


Autor Gün­ter Stei­ger­wald bie­tet im schwei­ze­ri­schen „Rubi­kon“ eine Denk-Alter­na­ti­ve an, die er in Form eines Offe­nen Brie­fes „an alle Huma­nis­ten und Men­schen­freun­de“ ver­öf­fent­licht hat und auf die im Moment hier kaum einer gekom­men sein dürfte.

Klar, vie­le haben eine kri­ti­sche Ein­stel­lung, wenn es um die Fol­gen des Neo­li­be­ra­lis­mus auf unse­re Gesell­schaf­ten geht. Er hat zu jenem Indi­vi­dua­lis­mus geführt, der so vie­le von uns zu rück­sichts­lo­sen, ego­is­ti­schen manch­mal wahr­haft empa­thie­frei­en Indi­vi­du­en gemacht hat. Unbe­merkt, ein­fach so. 

Die meis­ten haben sich in die­sem Sys­tem gut ein­ge­rich­tet, sie kom­men klar und kla­gen, wenn über­haupt, über wach­sen­de Ver­lust­ängs­te. Ich las, dass mehr Men­schen als je zuvor in unse­rem Land dar­auf hin­ar­bei­ten, finan­zi­ell abge­si­chert, in den Vor­ru­he­stand zu gehen. Schön, wenn man sich das leis­ten kann. 

Wenn ich jedoch der Ohn­macht und Wut eine Rich­tung gebe, die Mut in die Zuver­sicht wan­delt, die Ver­hält­nis­se ver­bes­sern zu kön­nen – eine gerech­te, demo­kra­ti­sche Gesell­schaft zu bau­en, in der der immense Reich­tum an alle Bevöl­ke­rungs­schich­ten umver­teilt wird – dann wird die Wut­en­er­gie produktiv.

Der Wahn­sinn von Hanau | Rubi­kon

Will der Autor damit sagen, dass die Rechts­extre­mis­ten aus gan­zen Grün­den als blan­kem Ras­sis­mus zu den Waf­fen gegrif­fen haben und in sei­nem kru­den Sin­ne „pro­duk­tiv“ wur­den? Hof­fent­lich habe ich ihn falsch verstanden.

Wenn die Ver­hält­nis­se tat­säch­lich so schlimm sind, wie Stei­ger­wald es in sei­nem Offe­nen Brief aus­drückt, und vie­les Böse auf die­ser Welt dar­in sei­nen Ursprung nimmt, war­um gibt es ver­gleich­ba­re Taten auch in Län­dern, die dafür bekannt sind, dass der Zusam­men­halt der Gesell­schaft und die dor­ti­gen Sozi­al­sys­te­me viel bes­ser funk­tio­nie­ren als bei uns? Ich den­ke an Nor­we­gen (Brei­vik) oder Neu­see­land (Tar­rant). Ich ken­ne die Ant­wort (natür­lich): auch die­se Län­der sind vom Neo­li­be­ra­lis­mus geprägt. Soll hei­ßen: Nur der rei­ne Sozia­lis­mus oder Kom­mu­nis­mus bringt Lin­de­rung. Zu betrach­ten ist das in Vor­zei­gena­tio­nen wie Chi­na, Nord-Korea oder Vene­zue­la. In der Retro­spek­ti­ve wäre da noch die DDR anzu­bie­ten, mit deren poli­ti­schen Nach­las­sen­schaf­ten sich die­se Bun­des­re­pu­blik (ein­schließ­lich den unbe­kehr­ba­ren Nazis dort) wohl über­ho­ben hat.

Viel­leicht ist es so, dass sozia­le Miss­stän­de und Unge­rech­tig­kei­ten sol­che furcht­ba­ren Taten begüns­ti­gen, weil sozia­le Iso­la­ti­on, die unse­re ego­is­ti­sche Lebens­wei­se in höhe­rem Maße als frü­her her­vor­bringt, Ein­fluss auf die Anfäl­lig­keit von Men­schen für die Indok­tri­na­ti­on mit men­schen­ver­ach­ten­den Ideo­lo­gien hat.

Dass Autoren nicht davor zurück­schre­cken, staat­li­chen Reprä­sen­tan­ten, die sich zu Kas­sel, Hal­le, Hanau geäu­ßert haben, die­nen Grad an Falsch­heit und Igno­ranz unter­stel­len, sagt mei­nes Erach­tens mehr über ihn aus als über die, die er aus rein ideo­lo­gi­schen Grün­den kri­ti­siert. Für lässt der Autor jeden Anstand ver­mis­sen. Wer so denkt, ist genau­so ver­lo­ren für die Demo­kra­tie wie die Nazis.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Hanau Kapitalismus Linke Neoliberalismus

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