Nationalismus sollte in der EU passé sein

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat­te Erwartungen geweckt. Schließlich lag es nahe, dass Deutschland vom hier erfun­de­nen Impfstoff schnell und genü­gend Dosen abkriegt. Dass wir nun zu wenig Impfstoff haben, soll dar­auf zurück­zu­füh­ren sein, dass die Franzosen in der EU Druck zuguns­ten des „Konkurrenz”-Produktes von „Sanofi” gemacht haben. 

Wer kauft was?

„Sanofi” ist ein fran­zö­si­sches Unternehmen, das nicht den zuver­läs­sigs­ten Ruf genießt. Die Fertigstellung des Impfstoffes lässt lei­der auf sich war­ten. Im Dezember wur­de bekannt, dass das von den Franzosen favo­ri­sier­te Produkt Schwächen auf­weist, die vor allem bei älte­ren Patienten zu einer schlech­te­ren Immunisierung füh­ren soll.

Die EU hat­te bei Sanofi und deren bri­ti­schem Partner GSK ins­ge­samt 300 Millionen Impfdosen bestellt. Die Franzosen selbst hat­ten von Sanofi ca. 45 Mio. zusätz­lich geor­dert. Diese Impfdosen feh­len nun – nicht nur den Franzosen.

Dabei ruht auf Sanofi, dem ein­zi­gen fran­zö­si­schen Pharma-​Giganten, der welt­weit agiert, auch jede Menge Stolz.

Corona-​Impfstoff Sanofi – Frankreich war­tet auf eige­nen Impfstoff

Macron hat­te sei­ner­zeit beju­belt, dass das Unternehmen gro­ße Werte in die Impfstoffentwicklung gesteckt hat­te. Es han­del­te sich um ca. 610 Millionen Euro.

„Das Projekt, das heu­te ver­kün­det wur­de, macht Sanofi und Frankreich erst­klas­sig im Kampf gegen das Virus und auf der Suche nach einem Impfstoff.“ 

Franz. Staatspräsident Macron

Von „Sanofi” ist der­zeit nir­gends die Rede.

Beweise für Nationalismus

Dass die­ses Verhalten von deut­schen Medien als typisch fran­zö­si­sche Anwandlung eines unpas­sen­den Nationalismus dar­ge­stellt wur­de, war ver­mut­lich trotz­dem unpas­send. Wir wis­sen inzwi­schen, dass auch die deut­sche Regierung an den Kontingenten der EU vor­bei, wei­te­re 30 Millionen Impfstoffdosen bei „Biotech” geor­dert hat. Wie nega­tiv die Italiener und ande­re EU-​Länder die­se Beschaffungsmaßnahme fan­den, war vorauszusehen. 

Auch die ver­brei­te­te Annahme, dass wir Deutschen davon aus­ge­hen konn­ten, am schnells­ten von den Impfstoffen zu pro­fi­tie­ren, war nichts als Nationalismus. Nur, weil sich die Firmensitze bei­der Erfinder im eige­nen Land befin­den? Dass die Beschaffungsdebatten im Europäischen Parlament von Eingaben lin­ker und grü­ner PolitikerInnen unnö­tig auf­ge­hal­ten wur­den, hat in Deutschland offen­bar kaum jemand zur Kenntnis genom­men. Beide Parteien soll­ten sich mit Kritik an der Regierung viel­leicht etwas zurückhalten. 

Link: Gesundheitswesen | EU-Kommission

Europa arbei­te beim Thema Impfstoffe her­vor­ra­gend zusam­men, sag­te der EP-​Abgeordnete. Kritik aus der Opposition wies Liese zurück. Abgeordnete der euro­päi­schen Grünen und Linken hät­ten moniert, dass die Union Geld aus­ge­be, ohne dass die Impfstoffe bereits vor­han­den seien.

Ist der Corona-​Impfstoff bald da?

Solche Details machen über­deut­lich, dass die EU ein Moloch ist, dem es auch in der Zukunft unmög­lich sein wird, eine gute, ver­nünf­ti­ge, also an den Bedürfnissen der Bewohner ihrer Mitgliedsstaaten ori­en­tier­te Politik zu machen. Ich erin­ne­re nur an die Behandlung der Flüchtlinge in Griechenland und Bosnien-​Herzegowina. Da nut­zen auch 20 Millionen offen­bar nicht viel, wenn ich mir die Zustände dort im Fernsehen anschaue. Wie zuver­läs­sig ver­hin­dern die mit der Kontrolle des Mitteleinsatzes befass­ten Stellen Korruption bzw. dass die­ses Geld auch an die rich­ti­gen Orte kommt?


Eigentlich möch­te ich die Usancen der Politik, natio­nal und inter­na­tio­nal, in Sachen Corona gar nicht kom­men­tie­ren. Schließlich habe ich kei­nen Vorschlag, was man anstel­le der einen oder ande­ren Maßnahme bes­ser machen könn­te. Aber bestimm­te Vorgänge las­sen es nicht zu, zu schwei­gen.


Kein gebrochenes Englisch im Europäischen Parlament?

Der fran­zö­si­sche EU-​Minister Clément Beaune for­der­te laut „Politico” ernst­haft, dass auf euro­päi­scher Ebene nun nicht mehr Englisch gespro­chen wer­den sol­le. Mal ganz abge­se­hen davon, dass ich es deplat­ziert und völ­lig dane­ben fin­de, dass Beaune die Gegenwart für das Momentum hält, einen Sprachnationalismus an den Tag zu legen. Ich fra­ge ich mich, was er im Sinn hat, wenn er ver­spricht, die lin­gu­is­ti­sche Vielfalt inner­halb der EU zu för­dern, in dem er dafür plä­diert gebro­che­nes Englisch ver­hin­dern zu wollen. 

Die Befürworter der Quote ver­wei­sen oft auf Frankreich: Dort müs­sen Radiosender seit 1994 rund 60 Prozent der Spielzeit euro­päi­schen Produktionen, und ins­ge­samt 40 Prozent fran­zö­si­schen Produktionen ein­räu­men – wobei es sich bei der Hälfte davon um Neuerscheinungen han­deln muss. Das Gesetz geht auf den dama­li­gen Kulturminister Jacques Toubon zurück, der die fran­zö­si­sche Sprache vor Anglizismen schüt­zen will und die Einführung der Quote auch damit begrün­det, dass die Produktion fran­zö­si­scher Musik in den Vorjahren gesun­ken sei. Bis heu­te ist die Quote in Frankreich umstrit­ten: Vor allem pri­va­te Radiosender weh­ren sich gegen die gesetz­li­che Regelung, ande­re mei­nen, man ver­dan­ke dem Gesetz den Erfolg ein­hei­mi­scher Künstler. „Ohne die Quote hät­ten wir nicht seit mehr als 20 Jahren eine sol­che Vielfalt“, teilt die fran­zö­si­sche Gesellschaft Sacem mit, die die Rechte von mehr als 100.000 Musikern vertritt.

Die end­lo­se Debatte um die Deutschquote im Radio – Deutschquote im Radio: Goethe-Institut

Ich erin­ne­re mich, dass die Franzosen immer schon eine etwas eigen­wil­li­ge Politik betrei­ben, wenn es um die Bewahrung und den Schutz ihrer zwei­fels­frei wun­der­schö­nen Sprache geht. Vor Jahren gin­gen sie so weit, selbst Schlager in frem­den Sprachen in den Radiostationen des Landes zu limi­tie­ren, um so die fran­zö­si­sche Sprache vor frem­den Einflüssen zu schüt­zen. Mich erin­ner­te Beaunes Vorstoß gleich an die­se Zeit. Ich hat­te gehofft, die­sen Quatsch hät­ten wir in Europa hin­ter uns. Dass es ähn­li­che Bestrebungen auch in Deutschland gab, macht es nicht besser.

Link: Das fran­zö­si­sche Sprachschutzgesetz und sei­ne Unvereinbarkeit mit EG-Recht


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4 Gedanken zu „Nationalismus sollte in der EU passé sein“

  1. Auch wenn wir die Gründe für den knap­pen Impfstoff jetzt ken­nen, ist das für mich noch immer eine Katastrophe. In den ver­gan­ge­nen Monaten hat man uns erklärt, dass es nach Zulassung der Corona-​Impfstoffe, alle in kür­zes­ter Zeit geimpft wer­den. Heute müs­sen wir fest­stel­len, dass von die­ser Aussage nichts übrig geblie­ben ist. Ich habe heu­te ver­sucht für mei­ne 85-​jährige Schwiegermutter einen Impftermin aus­zu­ma­chen. Das klappt jedoch nicht. Alle ver­füg­ba­ren Termine sind vergeben.

  2. Jens Spahn sagt die Wahrheit. Ich den­ke dass auch die Politiker noch vor ein paar Monaten gedacht haben es gin­ge schnel­ler. Es muss­te in kür­zes­ter Zeit Impfzentren aus dem Boden gestampft wer­den. Heute sind, zumin­dest in Hessen, von den Vielen nur ein Hand voll in Betrieb. Es bleibt für mich eine Katastrophe.

🫶 Freundlichkeit ist Revolution im Kleinen.

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