Experten sagen gern, dass die Pandemie Missstände und Fehlentwicklungen wie unter einem Brennglas offenlege. Das schließt die schlimmen Korruptionsfälle von Unionspolitikern zwar ein. Dieses eine „Details“ hat jedoch viel schwerere Auswirkungen für die Zukunft der Demokratie als die für alle offensichtlichen Fehlleistungen und Versäumnisse „der Politik“.
Wahlen im Herbst
Wenn wir uns vor diesem Hintergrund am beginnenden Frühling mit Gedanken zur anstehenden Wahlentscheidung im Herbst dieses Jahres beschäftigen, werden viele scheitern. Grüne Wähler, auch die von Linken, FDP, AfD vielleicht auch der SPD haben es leichter. Zu sehr ist der Skandal auf die Unionsparteien konzentriert. Aber machen wir uns nichts vor: Das gesamte politische System steht unter Generalverdacht. Dafür sorgt nicht allein die AfD, die mediale Berichterstattung mit ihrem Hang zur penetranten Übertreibung und Verallgemeinerung trägt auch hier ein ordentliches Maß an Verantwortung.
Die Entwicklung der Umfragen legt ein Desaster für die Union nahe. Ich glaube nicht, dass eine kurzfristige Entscheidung zur Kanzlerkandidatur zugunsten von Markus Söder viel ändert.
Wer soll Kanzler werden?
Es ist eine Sache, wie viele bezüglich ihrer Entscheidung Laschet vs. Söder klar sehen. Bis zum Wahltermin wird sich hoffentlich herausgestellt haben, dass wir besser als erwartet vorangekommen sind – und zwar nicht nur im Hinblick auf die Impfquoten im Land. Diese Frage vor allen anderen wird entscheidenden Einfluss auf die Chancen der Union haben.
Insofern wissen wir erst nach den Wahlen, ob wir in dieser schwersten Krise unseres Landes nach dem zweiten Weltkrieg, zur Kenntnis nehmen müssen, dass während der Pandemie, vielleicht nicht nur für unser Land, eine Zeitenwende begonnen hat.
Im Moment sind viele von uns sprachlos, weil die Politik sich nicht an die Spielregeln hält. Man sucht nach Gründen, die ein Verhalten erklären, das eigentlich nicht zu erklären ist. Kanzlerin und Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ziehen angesichts immer weiter steigender Inzidenzwerte nicht die Reißleine und verordnen dem Land nicht den von Wissenschaftlern und Intensivmedizinern seit Wochen geforderten strengen, kurzen Lockdown. Dass dieses Unterlassen letztlich Leben kosten wird, wird den verantwortlichen Nichtentscheidern angelastet werden.
Politik nach Umfrageergebnissen
Das, obwohl eine Mehrheit genau dies von ihr erwartet – je nachdem, welchen Umfragen man Glauben schenkt. Kürzlich gab es in einer Woche zwei völlig gegensätzliche Umfragen. Wenn Medien darüber lamentieren, wie schlecht wir regiert werden, sollten die Verantwortlichen bitte auch einmal darüber nachdenken, was sie mit der Veröffentlichung so mancher „Information“ ohne Mehrwert eigentlich anrichten. Schließlich sollte man doch annehmen, dass dort die wahren Professionals der Disziplin „Kommunikation“ zu finden wären.
Heute habe ich mir (wieder einmal) große Teile des AfD – Parteitages bei Phoenix zugemutet. Ich habe große Sorge, dass die Rechtspopulisten die Nutznießer all dieses aufgestauten Ärgers sein werden. In Sachsen, sagt wiederum eine Umfrage, liegt die Partei aktuell vor der CDU. 29% der Sächsinnen und Sachsen würden die wählen, die ich nicht nur als homophob, rassistisch, ausländer- und fortschrittsfeindlich bezeichne, sondern als die, die unser Land bis zur Unkenntlichkeit verändern würden. Kämen sie je an die Macht.
AfD – Parteitag
Die AfD plädiert für mehr Volksbeteiligung und verweist deshalb gern auf die in dieser Beziehung vorbildhafte Schweiz. Ich bin selbst auch für mehr Volksbeteiligung. Allerdings mit einem anderen Verständnis. Die AfD verspricht sich davon mehr Einfluss, weil sie sicher ist, dass die „schweigende Mehrheit“ viele ihrer Positionen im Grunde richtig fände und sich das deshalb für sie auszahlen würde. Ich glaube, das Gegenteil ist wahr. Die Menschen werden trotz der ernüchternden Erfahrungen und des angekratzten Selbstverständnisses als Deutsche der rückständigen und offen menschenfeindlichen Programmatik nicht folgen.
Verfassungsschutz und Stiftungen
Beim Parteitag wurde darüber gestritten, ob der Verfassungsschutz ganz abgeschafft werden soll oder ob er reformiert werden müsse. Leider war die Mehrheit des Parteitages nicht so dumm, die Abschaffung des Dienstes zu fordern. Und bei der Forderung, dass der Dienst reformiert werden muss, stimmen natürlich viele BürgerInnen zustimmend ein.
Dass AfD-Redner das Versagen des Verfassungsschutzes u.a. in der Causa NSU ansprachen, hatte für mich einen gewissen Unterhaltungswert.Über politische Stiftungen wurde ebenfalls gestritten. Zu ihrem Glück kamen die Parteitagsteilnehmer noch darauf, dass auch ihre Partei eine Stiftung gegründet hat. Sie hat übrigens eine ganz taffe Chefin, die sich in Deutschland insbesondere unter Linken höchster Beliebtheit erfreut.
Der Stiftung könnten aus der staatlichen Finanzierung für Parteistiftungen bis zu 80 Millionen Euro im Jahr zukommen. Bei Gründung gab die AfD an, auf Bundesebene stünden etwa 450 Millionen Euro zur Verfügung.
Desiderius-Erasmus-Stiftung – Wikipedia
Eines der Mitglieder des Parteiausschusses, der sich mit dieser Frage befasste, erwähnte, dass die Stiftung nicht mehr als über 6-7 Mio. Euro Jahresetat verfüge. Dabei hatte vorher ein anderer Redner von 80 Mio. Euro geredet (s. Wikipedia-Eintrag oben). Auf die Widersprüchlichkeit, dass die Partei einerseits die Kultur politischer Stiftungen in Deutschland verdammt, auf der anderen Seite aber selbst eine solche Stiftung unterhält, stießen die cleveren Mitglieder gerade noch selbst.
Staatsdiener mit extremer politischer Haltung
Aufschlussreich waren erneut einzelne Redebeiträge. Darin wurde zum Beispiel die Nähe von Staatsanwälten und Richtern zu „linksextremen“ Parteien hart kritisiert. Wenn ich nicht irre, gibt es gerade in der AfD nicht wenige „Staatsdiener“, die aus ihrer politischen Einstellung vermutlich keinen Hehl machen werden, radikal überzeugt wie viele dieser Leute nun einmal sind.
Einer sprach davon, die Linksextremen hätten leider den Bundestag „okkupiert“. Die Sprache verrät diese Hanswurste eben ein ums andere Mal. Im Wortsinn bedeutet „okkupiert“ nämlich auch „[widerrechtlich] aneignen„. Soviel zum Demokratieverständnis von AfD-Parteitagsvertretern.
Die AfD ist die einzige Partei, die man in Deutschland mit guten Gewissen im Herbst wählen kann. Ich hoffe sehr, dass die Partei zulegt und zwar durchwegs im zweistelligen Bereich. Die Altparteien und die Linksparteien sind einfach für die Füchse!