Alles falsch gemacht?

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So schnell, wie sich „die Leu­te“ im Land ange­grif­fen füh­len, wer­den wir wohl oder übel das Strei­ten wie­der von Grund auf neu ler­nen müs­sen. Wenn jeder publi­zier­te Gedan­ke gleich zu einem Shit­s­torm führt, blei­ben gesell­schaft­li­che Dia­lo­ge auch außer­halb der aso­zia­len Medi­en zu leicht auf der Strecke.

Ich möch­te nicht Frau Mer­kel die Schuld dafür in die Schu­he schie­ben, wie das vie­le – auch Jour­na­lis­ten – gern tun. Es ist aber was dran, dass vie­le Leu­te nicht mehr dazu in der Lage sind, Kon­tro­ver­sen aus­zu­hal­ten oder ihren Stand­punkt auf eine Art und Wei­se „klar­zu­ma­chen“, die all­zu oft nicht über den stan­dard­mä­ßig auf 240 Zei­chen limi­tier­ten Bei­trag hin­aus­geht und sei­ner­seits viel­leicht auch des­halb zum reflex­haf­ten Wider­spruch her­aus­for­dert. Es mag sein, dass er des­halb manch­mal gera­de­wegs zu einem wei­te­ren Shit­s­torm führt.

In der Kür­ze liegt die Wür­ze“ ist des­halb auch kein Bon­mot, das noch in unse­re Zeit passt. Mil­lio­nen Tweets bewei­sen das. 

Twit­ter als Spiel­zeug für Nati­ves ist ein Tool für Leu­te, die nicht begrei­fen wol­len, wohin die­ser Mist führt. Sagt natür­lich einer, der 67 Jah­re alt und im #Neu­land ohne­hin nicht wirk­lich anschluss­fä­hig ist.


Globale Maßnahmen zum Schutz von Schwächeren (älteren Menschen)

Zu Beginn der Coro­na-Pan­de­mie sag­te der Sozio­lo­ge Harald Wel­zer in einer TV-Sen­dung sinn­ge­mäß, dass es his­to­risch gese­hen noch nie vor­ge­kom­men sei, dass glo­ba­le Maß­nah­men zum Schutz von Schwä­che­ren (älte­ren Men­schen) ergrif­fen wurden. 

Mir hat das gefal­len. Mir gefällt der Gedan­ke auch nach all­dem, was bis­her hin­ter uns liegt.

Tja, dumm nur, dass es so vie­le von uns „älte­ren Men­schen“ gibt. Wir, die Alters­grup­pe über 60, lagen schon 2019 bei einem Bevöl­ke­rungs­an­teil von fast 25 %. Der Ego­is­mus unse­rer Zeit, spe­zi­fisch der Boo­mer-Gene­ra­ti­on, hat zu weni­ger Kin­dern geführt. Viel­leicht soll­ten Leu­te wie Lobo und Stö­cker ein­mal kurz dar­über nach­den­ken, wel­che Wir­kun­gen die­ser Ego­is­mus auf ihre per­sön­li­che Ent­wick­lung und ihre Lebens­chan­cen in die­sem Deutsch­land hatten. 

Däm­mert da viel­leicht etwas? Hat der vor­der­grün­dig als beson­ders ego­is­tisch erkann­te deut­sche Boo­mer den woken Jun­gen vor­aus, auf vor­her­seh­ba­re Kri­sen (Report 2000) durch eine immer noch wach­sen­de Welt­be­völ­ke­rung mit einer Ver­hal­tens­än­de­rung reagiert zu haben? Viel­leicht war die mie­se Gebur­ten­ra­te eine prag­ma­ti­sche Maß­nah­me gegen die Über­las­tung von Ressourcen?

Zynis­mus ist das nicht, lie­be Lese­rin­nen und Leser. Ich mei­ne das bit­ter­ernst. Jeder kennt den Satz, der in sei­ner Schlicht­heit erstaun­lich häu­fig von ganz vie­len Men­schen gebraucht wird. Oh ja, auch heu­te noch! Er lau­tet: „Mei­nen Kin­dern solls mal bes­ser gehen!“. Ist das Ego­is­mus? Wel­che Impli­ka­tio­nen hät­te das für eine Dis­kus­si­on, die nur noch in eine Rich­tung zu zei­gen scheint? Ich mei­ne, wenn man sich auf der­ar­ti­ge „Aus­re­den“ über­haupt bereit ist einzulassen. 

Weltweite Emissionen und gewachsener Wohlstand (für alle! viele – übrigens auch Junge)

Hat sich der Res­sour­cen­ver­brauch aus Ego­is­mus und Gleich­gül­tig­keit gegen­über der Natur auf die­ses Niveau kata­pul­tiert? Ist das so ein­fach? Wie steht es mit den real exis­tie­ren­den Grund­la­gen, die mas­siv zum Anstieg der welt­wei­ten Emis­sio­nen bei­getra­gen haben und auf denen die jun­gen Woken ihre Bes­ser­wis­se­rei gründen?


Ver­folgt man die Dis­kus­sio­nen (gera­de ges­tern wie­der zwi­schen der Grü­nen Umwelt­ak­ti­vis­tin Lui­sa Neu­bau­er und CDU-Kanz­ler­kan­di­dat Armin Laschet), so fürch­te ich, wird klar, wo wir ste­hen. Der 54-jäh­ri­ge Laschet gegen eine Akti­vis­tin, die mit allen pro­pa­gan­dis­ti­schen Was­sern gewa­schen ist. Sie bestritt ernst­haft, dass es die NRW – Grü­nen waren, die Laschet bei der Regie­rungs­über­nah­me 2017 die Grund­la­gen ihrer Ener­gie­po­li­tik und damit ein ande­res Koh­le­aus­stiegs­sze­na­ri­um hin­ter­las­sen haben. Die Grü­nen haben sich ärger­li­cher­wei­se einen schlan­ken Fuß gemacht. Die Öffent­lich­keit hat dar­über hin­weg­ge­se­hen. Wohl dem gemein­sa­men gro­ßen Ziel zuliebe. 

Fast 25 % der Bevölkerung ist über 60 Jahre alt

Mal sehen, wohin sie sol­che Prak­ti­ken füh­ren, wenn sie in Ber­lin Regie­rungs­ver­ant­wor­tung übernehmen.

Es scheint für vie­le nicht mehr län­ger hin­nehm­bar, dass über­wie­gend Leu­te die Poli­tik bestim­men, nur weil sie in so einer geball­ten Zahl auftreten. 

Am pro­duk­ti­ven Gesche­hen des Lan­des nimmt die Hälf­te der zwei­ten Hälf­te (die fast 25 %, die über 60 sind) der Bevöl­ke­rung doch gar nicht mehr teil! 

Was Sascha Lobo (Ren­to­kra­tie) oder Chris­ti­an Stö­cker (Kin­der­lo­se Poli­ti­ker) alles schrei­ben, um die vor­her schon exis­tie­ren­den Sor­gen über den Ent­scheid des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes zum selbst­be­stimm­ten Ster­ben durch die Errich­tung einer wohl nur für jun­ge Men­schen erstre­bens­wer­ten Sozi­al­re­vo­lu­ti­on wei­ter zu ver­grö­ßern, ist bemerkenswert.

Latente Geringschätzung

Das bun­des­re­pu­bli­ka­ni­sche Sys­tem ist eben bis in die Details von einer laten­ten Gering­schät­zung des Neu­en und des Jun­gen durch­drun­gen. Fast alle Din­ge wer­den durch eine Bril­le der Alters­be­vor­zu­gung und Jugend­be­n­ach­tei­li­gung betrach­tet. Das steht – lei­der – sogar im Grund­ge­setz, und zwar in Form der soge­nann­ten Schul­den­brem­se, deren Son­der­form im All­tag oft schwar­ze Null genannt wird. Die schwar­ze Null näm­lich ist der Haupt­grund, war­um so vie­le Zukunfts­in­ves­ti­tio­nen von digi­ta­ler Infra­struk­tur über digi­ta­le Bil­dungs- und Gesund­heits­sys­te­me bis zu deut­lich fami­li­en­freund­li­che­rer Poli­tik zurück­ste­hen mussten.

Sascha Lobo, Pan­de­mie-Poli­tik: Die deut­sche Ren­to­kra­tie, jetzt auch mit Coro­na-Top­ping – DER SPIEGEL (Her­vor­he­bung durch mich)

Sascha Lobo ent­blö­det sich nicht, in sei­nem Arti­kel zunächst die Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit der Alten in Kli­ma­fra­gen zu brand­mar­ken, um dann die Begrün­dung und Wir­kung der ins Grund­ge­setz geschrie­be­nen Schul­den­brem­se grot­ten­falsch zu beschrei­ben. Bei bei­den Fra­gen, Kli­ma­wan­del und Schul­den­brem­se, geht es um die Siche­rung künf­ti­ger Gene­ra­tio­nen. Wel­che finan­zi­el­len Spiel­räu­me ein Land künf­tig noch hat, und zwar auch in Zei­ten einer völ­lig ver­rück­ten Null­zins­po­li­tik, hat schon eine hohe Rele­vanz für künf­ti­ge Gene­ra­tio­nen, Herr Lobo! 

Entfernt die Ampeln an Fußgängerüberwegen

Der Vor­wurf, die Erwach­se­nen­ge­ne­ra­ti­on, kon­kret die Älte­ren, leb­ten sorg- und beden­ken­los auf Kos­ten nach­fol­gen­der Gene­ra­tio­nen hal­te ich für völ­lig über­zo­gen. Deutsch­land muss nach die­ser Beschrei­bung ein ganz furcht­ba­res Land sein, das auf der Welt sei­nes­glei­chen nicht sucht. 

Am Her­un­ter­ma­chen unse­res Lan­des betei­li­gen sich Hee­re von Jour­na­lis­ten. Sie fül­len ihre Zei­tun­gen und Sen­dun­gen mit schlim­men Bil­dern und in einer Spra­che, die unser wun­der­schö­nes Land als einen ver­kom­me­nen und ver­roh­ten Ort beschrei­ben. Es heißt oft, die Pan­de­mie habe wie unter dem Brenn­glas Miss­stän­de und Ver­säum­nis­se offen­ge­legt. Ja, vie­les hat nicht so funk­tio­niert, wie der auch von Staats wegen ver­wöhn­te Bür­ger es sich gewünscht hät­te. Mei­ne Fami­lie und Freu­de sind auch mit eini­gem unzu­frie­den. Aber.

Dem­nach sind die jähr­li­chen Aus­ga­ben des Staa­tes für bestimm­te fami­li­en­po­li­ti­sche Leis­tun­gen seit 2009 um knapp 40 Mil­li­ar­den Euro gestiegen.

Fami­li­en­re­port 2020: Aus­ga­ben stei­gen deutlich

Es ist bald Mit­te Mai. Die Pan­de­mie dau­ert und sie über­for­dert vie­le von uns. Wie es aus­sieht, haben wir das Schlimms­te jetzt hin­ter uns. Wir kön­nen uns dann den Auf­ga­ben wid­men, die drin­gend anzu­fas­sen sind. Dazu zäh­len Kon­zep­te, wie sich der Bil­dungs­rück­stand bei Kin­dern, Jugend­li­chen und Stu­den­ten auf­ho­len lässt. Das muss eine der zen­tra­len Auf­ga­ben sein. Es scheint der Fall zu sein, dass sich die Poli­tik dar­über einig ist. 

Vergleiche

Wir wer­den im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern Nach- aber auch vie­le Vor­tei­le in unse­rer Bilanz sehen. Wenn wir fair wären, was ange­sichts einer umfas­sen­den emo­tio­na­len Über­for­de­rung schwer genug ist, könn­ten wir schon heu­te genü­gend Punk­te für die Haben­sei­te beschreiben. 

Lobo aber beschreibt die Lage im Land so, als gebe es kei­ner­lei Ver­gleichs­mög­lich­kei­ten. Gibt es irgend­wo auf der Welt ein Land, in dem Kin­der bereits geimpft wur­den? Oder ist es nicht viel­mehr so, dass die Prio­ri­tä­ten des­halb ande­re waren, weil die Wis­sen­schaft (nicht Poli­ti­ker) auch heu­te noch sagt, dass Men­schen über 60 ein sech­zig Pro­zent höhe­res Risi­ko haben, einen schwe­ren Ver­lauf, viel­leicht den Tod im Fal­le einer Erkran­kung zu erleiden?

Lobo beschreibt, dass die­se Gesell­schaft Kin­der und Jugend­lich sys­te­ma­tisch über­se­hen und benach­tei­ligt habe. Ich will nicht die Maß­nah­men allein des Fami­li­en­mi­nis­te­ri­ums auf­drö­seln, um die­se fal­sche Zustands­be­schrei­bung Lobos en dé­tail gera­de­zu­rü­cken. Die Daten sind für alle abrufbar.

Für Fami­li­en wird nichts getan? Ernsthaft? 

Es wird denen wohl nicht genug, wenn wegen Coro­na zusätz­lich Mil­li­ar­den­be­trä­ge „locker­ge­macht“ wer­den, um den Eltern und Kin­dern zu helfen. 

Link: Finan­zi­el­le Hil­fen und Unter­stüt­zung für Fami­li­en in der Coro­na-Zeit | Fami­li­en­por­tal des Bundes

Link: Kin­der und Jugend­li­che nach der Coro­na-Pan­de­mie stär­ken – BMBF

Man kann und soll­te nie­man­dem Kin­der­lo­sig­keit vor­wer­fen. Aber dass die Pan­de­mie­ma­na­ger Ange­la Mer­kel, Peter Alt­mai­er, Jens Spahn und Kanz­ler­amts­mi­nis­ter Hel­ge Braun sämt­lich kei­ne Kin­der haben, könn­te unter Umstän­den doch etwas zu tun haben mit der unfass­ba­ren kom­mu­ni­ka­ti­ven Igno­ranz, mit der die Bun­des­re­gie­rung Kin­dern, Jugend­li­chen und Eltern kon­ti­nu­ier­lich begegnet.

Chris­ti­an Stö­cker, Kli­ma, Digi­ta­li­sie­rung, Coro­na-Pan­de­mie: Regie­ren gegen die Jun­gen – DER SPIEGEL

Dass Leu­te wie Lobo oder Stö­cker im „Spie­gel“ ihren Platz als Stän­ke­rer gegen gan­ze Gene­ra­tio­nen gefun­den haben, regt mich auf. Man soll­te Lobo und Stö­cker sagen, dass dies kei­ne Debat­ten­bei­trä­ge wären. Die haben bei­de doch so gern. Aber so ein Quatsch spal­tet eine Gesell­schaft, die es wirk­lich schon schwer genug hat.

Schlech­ter hät­te das die AfD nicht machen können.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.
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