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Karl Lauterbach wäre ein guter Gesundheitsminister für den man allerdings Nerven braucht

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Zugegeben, ich schwanke bei Karl Lauterbach auch jetzt noch zwischen einsichtiger Zustimmung und emotionaler Ablehnung. Manchmal erinnert er in der Art seines Vortrages an Piet Klocke.

Während er neue und alte Erkenntnisse erklärt, gerät mein Faible für seine Expertise immer mal wieder ins Schleudern. Halb ausgesprochene Sätze, ausladende Gesten und – nicht zu vergessen – die Klangfarbe seiner Stimme machen es schwierig, ihm zu folgen. Dabei ist mein rheinischer Dialekt dem von Lauterbach sehr ähnlich.

In meinem Alter sollte man gelernt haben, Personen nicht anhand von Äußerlichkeiten zu beurteilen. Ich erinnere mich noch gut, wie über Angela Merkels Frisur und Erscheinungsbild in den ersten Jahren ihrer Amtszeit herumgemäkelt wurde. Immerhin, Männern kann das auch passieren, wie man an diesem Beispiel sehen kann.

Warum wird Lauterbach denn nicht Bundesgesundheitsminister? Mit Olaf Scholz wird er trotz anderslautender Aussagen nicht so dicke sein. Aber wird Scholz es sich leisten, den populären Gesundheitsexperten mit Harvard-Doktorwürde, Professorentitel und Harvard – Professur deshalb zu übergehen?

54 % der Bevölkerung sollen sich Lauterbach als Gesundheitsminister wünschen. Das wäre vermutlich eine hohe Zustimmung, wenn man überlegt, dass manche der Leute, die zu Minister:innen ernannt werden, viele Bürger:innen nicht einmal namentlich kennen. Viel weniger werden sie ihre Eignung für das Amt beurteilen können.

Bei Twitter scheint Lauterbach besonders populär. Das könnte zwangsläufig bedeuten, dass ihm in Telegram-Chats die Herzen nicht gerade zufliegen. Der Mann wird mit dem Tode bedroht und steht (stand jedenfalls) unter Polizeischutz.

An der Stelle ist herauszustellen, dass ich noch nie in meinem Leben einen Politiker erlebt habe, der trotz heftigstem, ja brutalem Gegenwind, die Aufgabe, die er sich vermutlich ja selbst gestellt hat, über lange Zeit und bis heute erfüllt. Immer wieder bringt er neue Studien via Twitter in die Öffentlichkeit und ordnet dankenswerterweise für die medizinisch Ungebildeten die Erkenntnis und Bedeutung ein. Und zwar immer so, dass dies auch von Menschen ohne Medizinkenntnis verstanden wird.

Verrückterweise gibt es Journalisten und Kommentatoren, die gerne Leistungsbilanzen erstellen und die Aussagen von Fachleuten messen. Wer lag wie oft richtig und wer wie oft falsch? Das ist Bild-Niveau, das sich leider einer gewissen Popularität erfreut.

Ich frage mich aber selbst auch oft genug, ob es nötig ist, alle neuen Erkenntnisse von Fachleuten auf der Welt über die asozialen Netzwerke zu verbreiten. Dieser Zweifel wird verstärkt, wenn ich mir die Kommentare der Corona-Zweifler, Querdenker und Nazionkels und -Tanten durchlese. Sie beschimpfen Lauterbach dafür, dass er Panik schüre, in dem er Lügen verbreiten würde. Eingebettet ist der Vorwurf in die generelle Behauptung, dass die unselige Seehofer-Doktrin dieses Vorgehen wunderbar beschreibe.

Wie die Feinde unseres Staates aus solchen geleakten Papieren Nektar saugen, sollte allen zu denken geben, die solches Handeln (auf der einen wie auf der anderen Seite) kommentieren. Dass selbst Veröffentlichungen dieser Art keine Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen haben, muss uns zu denken geben.

Wenn der Ärztepräsident Montgomery die neue Corona-Mutante mit Ebola vergleicht, muss man diese Äußerung als unverantwortliche Panikmache zurückweisen. Ich glaube, so denken die meisten von uns. Das heißt aber nicht, dass man deshalb jede andere (neue und alte) Meinungsbeiträge Montgomerys kleinreden sollte. Wenn sich jemand mit dieser Popularität auf allen Kanälen zitieren lässt (Tyrannei der Ungeimpften), muss er mit Gegenwind rechnen. Übertreibungen, die allein schon aus der Wortwahl ersichtlich, sollten wir nicht zu sehr hochspielen oder womöglich bei ihrer Verbreitung helfen.

Karl Lauterbach tut all dies nicht. Er hält sich an Fakten. Genau das bedeutet längst nicht, dass er zu falschen Schlüssen und Einordnungen kommt. Das hat er selbst mehrfach zugegeben. Er stellt sich der Kritik und er ist nie beleidigt. Ich kann nur sagen, dass ich sein Standing in dieser für uns alle schwer ertragbaren Zeit absolut bewundernswert finde. So sollten Politiker doch eigentlich sein! Ehrlich und kritikfähig. Ich plädiere für Herrn Lauterbach als neuen Gesundheitsminister. Er wird es nicht werden. Es ist die Rede davon, dass Andrea Nahles in die Politik zurückkehren könnte, und zwar just auf den Posten der Gesundheitsministerin. Vielleicht wird Karl Lauterbach Staatssekretär im Gesundheitsministerium? Ob ihm das reicht? Nun, vielleicht winkt er ab.

Übrigens, eine weitere tolle Eigenschaft dieses Mannes habe ich noch nicht einmal erwähnt. Er ist nicht nachtragend, und er hat einen feinen Humor. Der Mann kann sich sogar selbst auf die Schippe nehmen. Ich kenne nicht viele, von denen ich das sagen könnte. Buschmann, Kubicki und Lindner lässt sich so ein Attribut nicht zuschreiben. Die sind arrogante Besserwisser, an denen sicher nicht nur Herr Kretschmer (MP Sachen) in dieser von mir mit aus der mathematischen Notlage heraus mit gewünschten Ampel-Koalition noch schwer tragen muss.

Update: 6. Dezember
Kaum im Amt, schon machen die Medien sich daran, ihn zu beschädigen. Als ob seine Gegner und die Nazis im Land das nicht ganz allein schaffen würden.

Was spricht Kubicki?

„Ich habe Karl Lauterbach schon gratuliert“, sagte Kubicki der „Bild“. „Die deutsche Talkshow-Szene wird jetzt häufiger auf ihn verzichten müssen. So hat alles auch sein Gutes.“

Reaktionen zu Lauterbach: „Die Talkshow-Szene wird auf ihn verzichten müssen“ | tagesschau.de
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Quelle Featured-Image: HorstSchulte.com

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2 Gedanken zu „Karl Lauterbach wäre ein guter Gesundheitsminister für den man allerdings Nerven braucht“

  1. Humor und Selbstkritik, jawohl.

    Schade, dass er gezähmt erscheint jetzt in Talkshows mit fdp-beteiligung.

    Dass er trotz Personenschutz Tacheles redet, ist ihm hoch anzurechnen.

    Nicht jeder kann nachvollziehen, dass sich Einschätzungen täglich fast ändern können. Obwohl er das immer einleitend anmerkt, kleidet man ihm das an.
    Aber weniger twittern wäre vermutlich besser.

    Ich finde ihn im ganzen recht gut.

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  2. Heute beschrieb der Spiegel, dass Politiker heutzutage Angst vor dem Volk hätten und warum das so sei. Nun, der Karl zählt nicht zu denen. Wollen wir hoffen, dass er weiterhin engagiert bleibt. Auch, wenn seine Partei ihn schmählich behandelt. Die Empfehlungen konservativer Politiker und Journalisten sind wohl unehrlich bzw. vergiftet. Sie wünschen der Regierung nichts Gutes und denken, Karl Lauterbach ließe sich kaum in eine Kabinettsdiisziplin einbinden. Dass das nicht stimmt, hat er in den letzten Wochen eigentlich gezeigt. Er hat manche Position sorgfältiger abgewogen und sich, wohl aus Rücksicht auf die Koalition, zurückgenommen.

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