Der Wahlkampf treibt seltsame Blüten in Form von Umfragewerten. Auch das zeigt, dass wir uns in diesem Land auf gar nichts mehr verlassen können.
Am selben Tag meldet Allensbach für die Union 27,5 %, sieht die SPD immerhin auch bei 19,5 % und Infratest Dimap gibt der Union 23 % und der SPD 21 %. So große Unterschiede zwischen den Umfragen einzelner Institute sollten so kurz vor den Wahlen nicht vorhanden sein. Ich weiß nicht, ob das früher ™ anders war. Die Methoden der Institute sollten angesichts der Fortschritte in der Wissenschaft ausgereift sein. Das ist Quatsch.
Wäre dem so, hätten wir neue Indizes zur Bemessung der Bedrohungslage durch Corona. Aber alle arbeiten immer noch entlang der Inzidenzwerte. Dass die Zahl der Krankenhauseinweisungen und der Intensivbettenbelegung erwähnt wird, darf nicht davon ablenken, dass die Verantwortlichen bisher nicht in der Lage waren, die Daten so aufzubereiten, dass wir damit etwas anfangen können. Für mich läuft vieles so, dass ich mich an den Herbst des letzten Jahres erinnert fühle.
Der Abstand zwischen Union und SPD wird sich aus meiner Sicht verringern, weil die Leute die „Leistung“ von Außenminister Maas in der Afghanistan – Angelegenheit gewiss noch würdigen werden. Dieses Versagen wird die SPD Stimmen kosten. Es wäre richtig gewesen, wenn der Mann angesichts der Versäumnisse zurückgetreten wäre. Aber wer in diesem Kabinett würde das schon tun?
Ich las kürzlich von der Ruhmestat des RKI. Angeblich sollen die Statistiken 5 Millionen weniger Erstgeimpfte ausweisen. Was ist in diesem Land eigentlich nicht möglich?
Gut, dazu fallen mir auch gleich ein paar Dinge ein:
- Budgets einhalten
- Fristen einhalten
- Versprechen einhalten
- Korruption vermeiden.
Das galt mal als pure Selbstverständlichkeit. Inzwischen, so muss ich es leider sagen, ist das Gegenteil davon die Regel.
Der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, scheint sehr nervös zu sein. Ich denke mal, dass die volatilen Umfragewerte der Union ihren Anteil daran haben. Er empfiehlt heute via Twitter, die WählerInnen sollten nicht FDP wählen. Sonst könnten Esken und Kühnert am Kabinettstisch aufschlagen. Wenn der oberste Wahlkampfstratege, der der Generalsekretär doch für gewöhnlich ist, solche wirren Aussagen in die Öffentlichkeit bringt und den bevorzugten Koalitionspartner so düpiert, muss es um seine Contenance wohl schlecht bestellt sein.
Die Grünen liegen in den beiden Umfragen bei 19 % bzw. 17 %. Das sorgt dort ebenfalls nicht gerade für Begeisterung.
Ich bin sehr überrascht, wie sehr sich die Popularitätswerte der Kanzlerkandidaten zugunsten von Olaf Scholz verschoben haben. Weiß der Teufel, was die Leute zu diesem Meinungsumschwung veranlasst haben könnte. Vermutlich liegt es an der (natürlichen) Zurückhaltung, mit der Olaf Scholz in diesen irren Zeiten punkten kann. („CumEx, was wolle.“ Quelle: ZDF Heute Show). Er äußert sich nach meinem Empfinden viel weniger und wenn doch viel zurückgenommener als die im Vergleich eher exaltierten Persönlichkeiten der beiden anderen Parteien.
Heute kam raus, dass Franziska Giffey in eine neue Plagiatsaffäre verstrickt ist. Diesmal gehts um ihre Magisterarbeit. Die Berliner Blase schafft es vermutlich dank des doch eigentlich so sympathischen Sprachwissenschaftlers Anatol Stefanowitsch, dass Giffey ihre Kandidatur als Berliner Bürgermeisterin noch zurückziehen muss. Übrigens wusste ich gar nicht, dass Stefanowitsch, den ich immer für gut ausgelastet hielt, noch Zeit für die Plagiat-Jagd übrig hat. Seit heute mag ich ihn nicht mehr. Wer sich als Plagiatsjäger verdingt, ist mir von Haus aus unsympathisch. Denunzianten haben wir schon genug.
Die großen Unterschiede in den Umfragen machen mir auch Sorgen im Hinblick auf den ziemlich statischen Wert der AfD (10 bis 12 %). Hoffentlich erweisen sich die Messmethoden für diese Partei nicht wieder als ungeeignet. Schließlich könnten Anhänger der Nationalisten und Ausländerfeinde bei Umfragen auf die Nebelkerzen zurückgreifen, die sie und ihre Führung schließlich aus dem Effeff beherrschen. Inwieweit die Korruptionsaffären, in die die Führung der AfD verwickelt ist, eine Rolle bei den Werten spielt, bleibt vorerst abzuwarten.
Ich glaube, es gab seit Jahrzehnten nicht mehr so viele theoretischen Koalitionskonstellationen. Das ist aus demokratischen Gesichtspunkten sicher positiv. Nur zeigt das leider auch, wie unentschieden, ja zerrissen die Gesellschaft angesichts einer Regierung und ihren Alternativen ist, die so gut wie nichts gebacken bekommt.


