Die Medien haben ihre Verantwortung. Statt sie wahrzunehmen, vergiften sie die Atmosphäre im Land

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Der „Spiegel“ wundert sich darüber, dass die Zahl der Impfungen vor und an Heiligabend nur einen „Bruchteil“ der Zahl von Impfungen darstellt, die in der Vorwoche stattgefunden hatten. Ernsthaft, „Spiegel“? Außerdem wird in den Medien nachdrücklich darauf verwiesen, dass Olaf Scholz sein Versprechen gebrochen habe, eine Impfquote von 80 % (Erstimpfungen) bis 7. Januar 2022 zu erreichen.

Welchen Grund Journalisten auch immer haben mögen, wenn sie von Versagen (Beenden der pandemischen Lage), gebrochenen Versprechungen (Impfquote) oder Nachbesserung (Infektionsschutzgesetz) reden, solche Schuldzuweisungen ärgern mich. Das ist keine Kritik und bringt uns nicht weiter. Aber sie hat das Zeug, vielleicht die Spaltung der Gesellschaft zu vergrößern. Wo man auch hinsieht, in der Öffentlichkeit fühlen sich Moderatoren wie Martin von Mauchschwitz vom WDR dazu berufen, sich zu beschweren und die Nichteinhaltung irgendwelcher Versprechen zu beklagen. Das WDR-Fernsehen ist zwar „nur“ ein Regionalsender, er erreicht dennoch ein Millionenpublikum, weil die Zuschauer solche Sendungen täglich angucken. Ebenso täglich klagen von Mauchschwitz und seine Mitmoderatorinnen und -Moderatoren.

Dankenswerterweise gibt’s durch Mitarbeiter der Wissenschaftssendung „Quarks“ regelmäßig fundierte Informationen.

Es wird bemängelt, dass Politik und Wissenschaft vor einem Jahr versprochen hatten, dass wir eine Impfquote von 60 % erreichen müssten, um die Pandemie zu überwinden und dass auch die folgenden Aussagen nicht standgehalten hätten. Dabei wird ausgelassen, dass sich Spielregeln geändert haben. Welche Entwicklungen (Delta) hat dazu geführt, dass eine 60 oder 70-er Impfquote nicht mehr ausreichend war. Jede Äußerung von Politikerinnen und Politikern wird auf die Goldwaage gelegt und daran herumgemäkelt. Wem nutzt diese Art von Moderation oder Kommentierung? Zuschauerinnen und Zuschauer sind doch schon verzweifelt genug!

Ich will nicht falsch verstanden werden. Es ist richtig, wenn Fehler und Versäumnisse kritisiert werden. Wenn die Kritik aber gefühlt zum Selbstzweck wird, um ganz offensichtlich Quoten, Auflagen und Klicks zu optimieren, ist das in meinen Augen nicht hinnehmbar.

Viele reden davon, dass es in einer schweren Krise primär auf die Kommunikation ankäme. Warum gehen die TV-Sender nicht mit gutem Beispiel voran und nutzen ihre Reichweiten dazu, statt Schimpftiraden und Klagen über die Wissenschaft und Politik zu verbreiten, permanent und zur besten Sendezeit gut verständliche Informationen zum Thema zu senden? Schließlich hat sich die Infoecke für Aktionäre auch etabliert!

Es wäre besser, wenn in den Medien nicht ständig andere (neue) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor die Kameras und Mikros gezerrt würden, sondern wenn eine abgestimmte und möglichst objektive Krisenlage von höchstens zwei oder drei Experten erklärt würde. Auch damit könnte die real existierende Kakofonie in den Medien reduziert werden.

Ich weiß nicht, wie das zum Beispiel in Schweden funktioniert. Von hier aus habe ich den Eindruck, dass dort fast ausschließlich Chef-Pandemiologe Tegnell Aussagen zu Corona macht. Wenigstens sollte es nicht so sein, dass von den Medien unterschiedliche Standpunkte auch noch ausdrücklich gefördert werden, also so, wie wir das in Deutschland zwischen Prof. Drosten und Prof. Streeck erlebt haben.

Ich fand es sehr klug von Prof. Drosten, dass er sich rasch nach den ersten „Reaktionen“ dazu entschieden hat, keine Talkshow-Besuche mehr zu absolvieren und öffentliche Auftritte drastisch zu reduzieren. Dass seine Aussagen trotzdem zu regelrechten Glaubenskriegen führten, war gewiss nicht in seinem Sinne, übrigens auch nicht, dass Prof. Streeck von „Spiegel“-Redakteuren für Corona-Tote verantwortlich erklärt wurde.

Dass die neue Regierung einen Krisenstab eingerichtet hat, in dem beide Wissenschaftler Mitglied sind, fand ich eine gute Entscheidung. Inwieweit dieser Expertenrat größeren Einfluss auf politische Entscheidungen haben wird, als die vorherigen Beraterstäbe, bleibt noch abzuwarten. Der offensichtliche Twist zwischen RKI-Chef Prof. Wieler und dem Gesundheitsminister Prof. Lauterbach, der auch auf die schwammigen Äußerungen des Krisenstabes zurückging, lässt nicht viel Gutes erwarten. Offensichtlich ist nur der starke Einfluss der Politik – auch auf dieses Gremium. Schlecht, sehr schlecht. Und zwar nicht nur im kommunikativen Sinne.

Überraschenderweise wurden heute wieder gestiegene Inzidenzwerte gemeldet. Überraschend finde ich das, weil die über die Feiertage normalerweise zurückgehenden Meldungen etwas anderes erwarten ließen. Überhaupt ist die Entwicklung der Inzidenz bekanntlich mit der Zahl der im Land durchgeführten Tests verbunden. Die Zahl der Testungen ist in Deutschland vergleichsweise gering, und zwar anhaltend.

Inwieweit die Ausbreitung der Omikron-Variante durch die geringe Zahl von Tests (und Sequenzierungen) in Deutschland auch nur annähernd zuverlässig dargestellt ist, vermag niemand so wirklich zu sagen.

Die auf einer solchen Datenbasis festgestellten Ausbreitung der Omikron-Variante lässt nichts Gutes erwarten.

Omikron in Baden-Württemberg: Sechsfacher Anstieg der Fallzahlen innerhalb einer Woche RND

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