Wie Menschen so sind. Laschets Lachen

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1986 starb mein lie­ber Onkel im Alter von nur 49 Jah­ren an den Fol­gen eines Herz­in­fark­tes. Die Fami­lie war erschüt­tert. Das war nur Tage nach der Tscher­no­byl – Katastrophe. 

Die Fami­lie traf sich im Haus mei­ner Tan­te. Wir rede­ten und wein­ten. Wir waren so eng bei­ein­an­der, wie das bei sol­chen Anläs­sen eben ist. Einer der bei­den Söh­ne war ein Nach­züg­ler und gera­de erst in die Schu­le gekom­men. Ich ver­such­te ihn ein wenig abzu­len­ken und spiel­te Tisch­ten­nis mit ihm. 

Mir ist der Tag so in Erin­ne­rung, dass sich wäh­rend des Nach­mit­tags eine bei­na­he hei­te­re Stim­mung ergab. Und das trotz allem. Es war so, dass ab und zu gelacht wur­de. Ich erin­ne­re mich nicht, dass des­halb jemand ein schlech­tes Gewis­sen hat­te oder dass ein­zel­ne Fami­li­en­mit­glie­der es unpas­send gefun­den hätten.

Die­ser Tag kam mir an dem Abend in den Sinn, als die Öffent­lich­keit über Laschet her­fiel. Wie kann man im Ange­sicht die­ses Unglücks, von dem Tau­sen­de von Men­schen so furcht­bar betrof­fen ist, lachen? 

Der Bun­des­prä­si­dent spricht den Men­schen sein Mit­ge­fühl aus und ver­si­chert sie der Soli­da­ri­tät des Lan­des und der Mann, der sich bald zum Kanz­ler wäh­len las­sen möch­te, lacht? Er tat das vor einem Millionenpublikum. 

Laschet hat sich sofort ent­schul­digt. Aber das Bild bleibt hän­gen, es beschäf­tigt nicht nur Twit­ter. Alle Nach­rich­ten befas­sen sich mit der Fra­ge, ob so ein Mensch über­haupt kanz­ler­fä­hig ist. Jemand, der zum fal­schen Zeit­punkt lacht oder auf pro­vo­zie­ren­de Jour­na­lis­ten­fra­gen schnell mal pat­zig wird. 

Ich hat­te die Situa­ti­on im WDR – Fern­se­hen gese­hen, bevor ich irgend­wo eine Reak­ti­on mit­be­kom­men habe. Ich frag­te mei­ne Frau, ob das etwa der Laschet gewe­sen sei, der im Hin­ter­grund bei Stein­mei­ers Anspra­che lachend im Bild war. Ich konn­te mir das in die­sem Moment nicht vor­stel­len. Es war so ein star­ker Kon­trast zu mei­ner momen­ta­nen Gefühls­welt und vor allem zu den Wor­ten, die der Bun­des­prä­si­dent gera­de sprach. 

Ich hat­te mich nicht geirrt. Noch immer schla­gen die Wel­len hoch und die übli­chen Vor­wür­fe und Beschul­di­gun­gen an die Adres­se des immer nur noch unbe­lieb­ter wer­den­den NRW-Minis­ter­prä­si­den­ten und CDU-Kanz­ler­kan­di­da­ten wer­den lauter.

Man kann alles Mög­li­che gegen Laschet ins Feld füh­ren. Ich sehe es so, dass man vie­les gegen ihn anfüh­ren kann, auch Din­ge, die nichts mit sei­nem Auf­tritt oder angeb­li­chen Cha­rak­ter­schwä­chen zu tun haben. Die man­geln­de Pro­fes­sio­na­li­tät des Man­nes, der schon so lan­ge Voll­zeit­po­li­ti­ker ist, fällt für mich in die­sem Fall aber stark ins Gewicht. Ich hät­te nicht gedacht, dass Laschet so was pas­sie­ren könnte.

Ande­rer­seits wün­sche auch ich mir Poli­ti­ke­rIn­nen, die authen­tisch sind. Also das, was Mer­kel über ihre lan­ge Amts­zeit in mei­nen Augen so aus­ge­zeich­net hat. Ich weiß nicht, ob ich Laschet vor­zu­wer­fen hät­te, nicht authen­tisch zu sein. Der Mann ist Rhein­län­der. Obwohl ich des­halb einen ähn­li­chen Dia­lekt spre­che, den ich in vie­len Jahr­zehn­ten nicht able­gen konn­te, mag ich die­sen Sing­sang ganz und gar nicht. Auch nicht an mir. Es ist mir bis heu­te ein Graus, mei­ne eige­ne Stim­me zu hören. Ich fin­de, dass alles, was man sagt, durch einen sol­chen Dia­lekt abge­wer­tet wird. Aus mei­ner Sicht lei­det damit die intel­lek­tu­el­le Bril­li­anz, die Reden eines Richard von Weiz­sä­cker oder der Wort­ge­walt eines Hel­mut Schmidt häu­fig zu eigen war. Viel­leicht waren Hein­rich Böll und Kon­rad Ade­nau­er in die­ser Hin­sicht Aus­nah­men. Aber womög­lich bin ich auch völ­lig auf dem Holzweg.

Ich glau­be, Laschets rhei­ni­sche Her­kunft und sein Dia­lekt tra­gen dazu bei, dass die Öffent­lich­keit über­kri­tisch mit ihm umgeht. Ande­rer­seits sind da die­se Aus­sa­gen, die er in letz­ter Zeit getrof­fen hat. Ich möch­te vor Fremd­scham in den Boden ver­sin­ken, wenn ich lese, was er wie­der los­ge­las­sen hat.

  1. »Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik.«
  2. „Ich stim­me sel­ten, also eigent­lich nie, der AfD zu. Aber sie haben heu­te einen wah­ren Satz gesagt: Immer wenn jemand ankommt und sagt, ‚die Wis­sen­schaft sagt’, ist man klug bera­ten zu hin­ter­fra­gen, was die­ser gera­de im Schil­de führt“
  3. „Mir sagen nicht Viro­lo­gen, wel­che Ent­schei­dun­gen ich zu tref­fen habe“

Nicht alles ist falsch – viel­leicht. Man­ches ist pro­vo­ka­tiv und trotz­dem rich­tig. Bon­mots mit Lang­zeit­wert wird Laschet wohl nie prägen. 

Link: Laschet bei Bri­git­te: Uni­ons-Kan­di­dat mit kla­rer Ansa­ge Rich­tung AfD – watson

Es ist doch ver­rückt, dass wir einem Kanz­ler­kan­di­da­ten nach ober­fläch­li­chen Ein­drü­cken unter­stel­len, empa­thie­los zu sein. Weil er im fal­schen Moment gelacht hat oder weil sei­nen Reden etwas gefehlt hat. 

Der Eklat um das Lachen Laschets in der Kata­stro­phe pas­siert aus dem einen Grund, dass Kame­ras vor Ort waren, die die­se Situa­ti­on im denk­bar ungüns­tigs­ten Moment auf­zeich­ne­ten. Dass es sich um eine Sze­ne han­delt, die ein paar Sekun­den dau­er­te, spielt bei der Bewer­tung kei­ne Rolle. 

Die Medi­en und vie­le Twit­ter-User kon­stru­ie­ren dar­aus ein cha­rak­ter­li­ches Ver­sa­gen. Oh Mann, wie pha­ri­sä­er­haft Men­schen sein kön­nen. Jeder der Anklä­ger gehe ein­mal in sich. Ok, nicht jeder will Kanz­ler wer­den. Kanz­ler sind auch nur Men­schen. Das hat Frau Mer­kel anläss­lich ihres gest­ri­gen Besu­ches im Kri­sen­ge­biet gemein­sam mit Frau Drey­er bewiesen.

Ich wäh­le in die­sem Jahr erst­mals nicht. Inso­fern ist es mir egal, ob Laschet kurz vor der Ziel­ge­ra­den viel­leicht noch von Söder „abge­fan­gen“ wird oder ob noch eine qua­li­fi­zier­te oder rela­ti­ve Mehr­heit für ein Par­tei­en­bünd­nis ohne die Uni­on zustan­de kom­men könnte. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Flutkatastrophe Laschet

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7 Gedanken zu „Wie Menschen so sind. Laschets Lachen“

  1. Es hat sich ent­schul­digt für den Ein­druck, der ent­stan­den sein könn­te: „den Ein­druck, der durch eine Gesprächs­si­tua­ti­on ent­stan­den ist. Dies war unpas­send und es tut mir leid“

    Also nicht für sein Ver­hal­ten (des Lachens), son­dern dafür, dass ande­re (!) dar­über womög­lich nicht erfreut hät­ten sein kön­nen. M.a.W.: das „Miss­ver­ständ­nis“ liegt in der Reak­ti­on der ande­ren begrün­det, nicht im eige­nen Ver­hal­ten. Ganz die übli­che recht­fer­ti­gen­de poli­ti­sche Umdeu­tung also von (eige­nem) Fehl­ver­hal­ten auf das Fehl­ver­ständ­nis Drit­ter. Man kann das auch einen Ver­such der Schuld­um­kehr nennen…

    Er hät­te auch ganz ein­fach sagen kön­nen, dass ihn eine Äuße­rung des Gegen­über kurz zum Lachen gebracht hat­te, was tat­säch­lich in der gege­be­nen Situa­ti­on unan­ge­mes­sen war. Sor­ry dafür. Oder ähnlich…

    Und schon wür­de kein Hahn mehr danach krä­hen. Aber auch Laschet hat wohl zuviel Schu­lung in poli­ti­scher Rhe­to­rik genos­sen. Und das knallt jetzt eben zurück. Zu Recht, wie ich finde.

  2. Na ja, er wird eben wegen ver­gleich­ba­rer Nich­tig­kei­ten an den Pran­ger gestellt wie Frau Baer­bock. Da regen sich jetzt vie­le drü­ber auf, die sich über das Gebas­he gegen­über der Grü­nen-Kan­di­da­tin nicht auf­ge­regt haben.

    Außer­dem glau­be ich, dass Laschet gar nicht wirk­lich gelacht hat. Er hat bloß kurz die Betrof­fen­heits­mas­ke abge­setzt und das ergab die­sen Ein­druck. Beim Bun­des­prä­si­den­ten saß aller­dings die Mas­ke die gan­ze Zeit betonfest.

  3. Hi Boris, so sehe ich das auch. Ganz genau so. Er hat sich nicht für sein unsäg­li­ches Ver­hal­ten ent­schul­digt son­dern nur bedau­ert, dass man das fehl­in­ter­pre­tiert hat. Geht gar nicht.

    Frau Baer­bock hat falsch zitiert und es gab Unre­gel­mä­ßig­kei­ten in ihrem Lebens­lauf. Dafür wur­de sie zerfleischt.

    Der Sup­pen­kas­per Laschet hat nicht nur aus­ge­las­sen mit ein paar CDU-Ami­gos gelacht, er hat auch die Ver­ant­wort­li­chen 90 Minu­ten war­ten las­sen, nicht zuge­hört, als der Bun­des­prä­si­dent sprach (war­um hast er als Minis­ter­prä­si­dent von NRW über­haupt so weit ent­fernt gestan­den?) und eine Hal­le der Feu­er­wehr blo­ckiert, sodass die drin­gen­den Ein­sät­ze nicht getä­tigt wer­den konn­ten. Außer­dem hat er bei sei­nem ers­ten Besuch zunächst der BILD- „Zei­tung“ ein exklu­si­ves Inter­view gege­ben und ihnen gesagt, was er für ein tol­ler Hecht ist.

    Ich sehe kei­nen Grund, war­um man ihn dafür nicht zer­flei­schen soll­te. Denn das hat er sich red­lich verdient.

  4. Hal­lo Horst,

    „Einer wie Laschet, der ohne­hin kei­nen Stand in der Öffent­lich­keit hat, wird voll­kom­men über­trie­ben an den Pran­ger gestellt und fer­tig gemacht.“

    Erset­ze „Laschet“ mit „Baer­bock“ und Du wirst sehen, dass in der Argu­men­ta­ti­on etwas nicht stimmt…

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