Die konservative Revolution will die Unis beflügeln

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Die NZZ zählt nicht zu mei­ner Lieb­lings­lek­tü­re. Trotz­dem lese ich dort gele­gent­lich Tex­te, die mich inter­es­sie­ren bzw. die nicht hin­ter der Pay­wall ver­steckt sind. Ins­be­son­de­re, wenn da von Revo­lu­ti­on die Rede ist. Ein schrä­ges Bild von der Rea­li­tät haben wohl nicht nur deut­sche Publizisten.

Die soma­lisch-hol­län­disch-ame­ri­ka­ni­sche Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin und Publi­zis­tin Aya­an Hir­si Ali ver­öf­fent­lich­te in der NZZ einen Arti­kel mit dem Titel: „Unse­re Uni­ver­si­tä­ten brau­chen eine Revo­lu­ti­on“. Es geht um die angeb­li­che Domi­nanz einer woken Com­mu­ni­ty, deren Vor­marsch auch hier gern beklagt wird. 

► Universitäten der Mitläufer und Verwaltungsbeamten?

An ame­ri­ka­ni­schen Unis soll nach Hir­si Ali Blü­ten trei­ben, so dass sie sich für fünf Kur­se aufs „Land“ nach Aus­tin, Texas, bege­ben hat. Sie war mit den Kurs­teil­neh­mern sehr zufrie­den, weil die­se sich im Gegen­satz zu ihren offen­bar in Har­vard und Yale gemach­ten Erfah­run­gen, dis­ku­tier­freu­dig, wis­sens­durs­tig, lern­be­gie­rig und leis­tungs­be­reit zeigten.

Kri­ti­sche Geis­ter haben es in die­sen Zei­ten aber auch ver­flucht schwer. Und Frau Hir­si Ali kann man mit Fug und Recht wohl als einen sol­chen bezeichnen. 

Mei­ne Klas­se bestand aus einer eben­so viel­fäl­ti­gen Grup­pe von Stu­den­ten: drei Frau­en, eine Trans­gen­der-Per­son und sie­ben Män­ner. Ein Stu­dent war marok­ka­ni­scher Her­kunft, ein ande­rer indi­scher Abstam­mung. Auf dem Papier ent­sprach die Auf­stel­lung den Traum­vor­stel­lun­gen eines Diversitäts‑, Gleich­be­rech­ti­gungs- und Inte­gra­ti­ons­be­auf­trag­ten. Link fol­gen

Aya­an Hir­si Ali über Akti­vis­mus an Universitäten

Sie war mir vor allem als Islam­kri­ti­ke­rin bekannt. Wie mit Men­schen umge­gan­gen wird, die sich in die­ser Rich­tung klar äußern, ken­nen wir auch aus Deutsch­land. An unsern Unis wer­den Pro­fes­so­ren ver­mut­lich nicht viel Freu­de haben, wenn sie eine kri­ti­sche Ein­stel­lung zum Islam bzw. zu Mus­li­men offen­ba­ren. Wie es sich gehört, war auch Frau Hir­si Ali oder ist es noch heu­te, von Leib­wäch­tern beschützt. Isla­mis­ten ken­nen kein Par­don, wenn man ihnen in die Que­re kommt. Dass man mit einer kri­ti­schen Ein­stel­lung zum Islam an den Unis nicht beson­ders weit kommt – ich erwähn­te es – ist wohl auch in den USA oder den Nie­der­lan­den nicht sehr viel anders. 

► MeToo und BLM im Fokus

MeToo oder BLM sind Bewe­gun­gen, die Frau Hir­si Ali offen­sicht­lich so gar nicht schätzt. Dass gera­de die­se die Unis in den USA zu beherr­schen schei­nen, war ver­mut­lich der Haupt­grund für ihren Arti­kel in der NZZ. Sie beschreibt zwei Fäl­le, in denen sie die ver­que­re Welt der woken Uni­ver­si­täts­in­sas­sen (Har­vard und Yale) mit ihren Mit­teln entlarvt.

Der bis 2018 ange­se­he­ne schwar­ze Pro­fes­sor, Roland Fry­er (45), wur­de wäh­rend der MeToo-Hys­te­rie der sexu­el­len Beläs­ti­gung beschul­digt und dar­auf­hin von Har­vard für zwei Jah­re (ohne Gehalt) sus­pen­diert. Hir­si Ali weiß zu berich­ten, dass dies nur ein vor­ge­scho­be­ner Grund für die Sus­pen­die­rung gewe­sen sein könnte. 

► Ärger um die Evidenz

Fry­er hat­te näm­lich eini­ge Jah­re (2016) zuvor ein Arbeits­pa­pier ver­öf­fent­licht, nach­dem Min­der­hei­ten (Afro­ame­ri­ka­ner und His­pano­ame­ri­ka­ner) zwar häu­fi­ger von poli­zei­li­cher Gewalt­an­wen­dung betrof­fen waren als Wei­ße, dass es aber nicht wahr­schein­li­cher sei, dass sie von der Poli­zei erschos­sen wür­den als Wei­ße. Es gab zwei Wis­sen­schaft­ler (unter ihnen ein Nobel­preis­trä­ger), die die­se Arbeit Fry­ers kri­ti­siert haben. Die Stu­die beruh­te laut James Heck­man und Ste­ven Dur­lauf auf einer feh­ler­haf­ten Daten­er­he­bung. Das Papier der bei­den Wis­sen­schaft­ler wur­de 2020 erstellt. Dies erwähnt Frau Hir­si Ali in ihrem Arti­kel nicht. Im Raum steht, dass Frey­er für die Unter­stüt­zer der BLM-Bewe­gung das fal­sche Fass auf­ge­macht hatte.

Obwohl Fry­ers For­schungs­er­geb­nis­se lan­ge vor den «Black Lives Matter»-Protesten im Jahr 2020 ver­öf­fent­licht wor­den waren, die die Poli­zei als staat­lich finan­zier­ten Akteur der Ras­sen­un­ter­drü­ckung bezeich­ne­ten, mach­te er sich damit in der aka­de­mi­schen Welt Fein­de. Er tat zwar nichts ande­res, als sich auf die Spu­ren der Evi­denz zu begeben. 

Aya­an Hir­si Ali über Akti­vis­mus an Universitäten

Die Fra­ge steht im Raum: Hat die MeToo-Bewe­gung also weni­ger Ein­fluss als BLM? Scherz beiseite.

Ich fand in die­sem Zusam­men­hang inter­es­sant, dass die mir zugäng­li­chen Daten zu den Opfern poli­zei­li­cher Gewalt in den USA sogar die Schluss­fol­ge­rung der Stu­die Fry­ers zu bele­gen schei­nen. In Deutsch­land fal­len jähr­lich viel weni­ger Men­schen einem Mord zum Opfer als von Poli­zis­ten in den USA erschos­sen wer­den. Hier wur­den in 2020 245 Men­schen ermor­det, wäh­rend in den USA allein von Poli­zis­ten 1020 Leu­te durch Schüs­se getö­tet wur­den. Auch wenn man die Bevöl­ke­rungs­grö­ße in Rela­ti­on stellt, ist das eine erschre­cken­de Erkenntnis. 

► Beispiele von Cancel Culture 

Hir­si Ali hat noch ein wei­te­res „Bei­spiel“ im Pet­to. Der Pro­fes­sor Joshua Katz wur­de von sei­ner Uni (Prince­ton) sus­pen­diert und schließ­lich ent­las­sen, weil er vor vie­len Jah­ren ein Ver­hält­nis mit einer Stu­den­tin gehabt hat­te. Auch hier war es für Hir­si Ali eher so, dass der Mann ent­las­sen wur­de, weil er die BLM-Bewe­gung kri­ti­siert habe. Dabei sind bei­de Grün­de in den offi­zi­el­len Unter­su­chun­gen offen­bar durch­aus gleich­ran­gig behan­delt und in die Ent­schei­dung ein­be­zo­gen worden. 

Hir­si Alis for­dert eine Revo­lu­ti­on in unse­ren Uni­ver­si­tä­ten und bezieht sich auf kon­kre­te Bei­spie­le, die in mei­nen Augen nicht viel tau­gen. Sie lässt bestimm­te Sach­ver­hal­te, die jeder via Wiki­pe­dia nach­le­sen kann, ein­fach aus. Sie zieht gleich­wohl ihre Schlüs­se und stellt ihre Forderungen.

Ver­schwun­den sind die­je­ni­gen, die wie Roland Fry­er ver­sucht haben, die wich­tigs­ten Fra­gen, mit denen sich die Gesell­schaft heu­te kon­fron­tiert sieht, frei zu erfor­schen – und zwar mit guten Bewei­sen und stren­ger Logik. Sie wur­den ver­trie­ben von einer laut­star­ken Min­der­heit dünn­häu­ti­ger Stu­den­ten und eif­ri­ger Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ter, danach ersetz­te man sie durch pro­gres­si­ve Mitläufer. 

Aya­an Hir­si Ali über Akti­vis­mus an Universitäten

Mir gefal­len man­che Aus­wüch­se, die der woken Com­mu­ni­ty zuge­schrie­ben wer­den, auch nicht. Mir fällt das Bei­spiel ein, bei dem in Deutsch­land Prof. Lucke (Ex-Chef der AfD) dar­an gehin­dert wur­de, sei­ne Vor­le­sun­gen durch­zu­füh­ren oder Lisa Eck­art an einem Auf­tritt in Ham­burg gehin­dert wur­de, weil die­sen Leu­ten ihre ver­meint­li­che poli­ti­sche Gesin­nung nicht behag­te. Es gibt genug Bei­spie­le, die einem zu den­ken geben kön­nen. Dass Hir­si Ali die­se lau­fen­den Kon­tro­ver­sen jedoch dazu nutzt, die Qua­li­tät der Leh­re an den Unis damit zu kri­ti­sie­ren, ist schon har­ter Tobak. 


Der Alt­phi­lo­lo­ge Joshua Katz wird an der Uni­ver­si­tät Prince­ton ent­las­sen – ein Fall von Can­cel Cul­tu­re? FAZ

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Cancel Culture Demokratie

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