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Und die Schuldigen sind…

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Der Ton wird noch rauer. Ich hatte gehofft, dass das hohe C der Auseinandersetzungen erreicht wäre und Normalität eintreten würde. Aber – mediale Anheizer und Hitze, forcieren gewolltes gegenseitiges Missverstehen.

Die Suche nach den Schuldigen scheint wichtiger als die nach gangbaren Lösungen.

So manche Bürger werden sich immer noch darüber wundern, wie schlecht Deutschland auf „ALLES!“ vorbereitet ist!

Natürlich gibts auch die anderen.

Die, die immer schon gewusst haben, dass eine Regierungsbeteiligung der Grünen schlimme Folgen für das Land haben würden und dass rote und grüne Politiker dieses Land ins Unheil führen werden. Daran ändern auch die prächtigen Umfrageergebnisse der Grünen wenig. Vielleicht fördern sie sogar deren Ablehnung durch reaktionäre Kräfte im Land.

Die Regierung macht jedenfalls alles falsch! Eine feine Leistung. Dabei ist sie erst acht Monate im Amt.

Dass die Ukraine den Krieg gegen Putins Russland noch nicht gewonnen hat, liegt daran, dass Olaf Scholz und Christine Lambrecht die „schweren Waffen“ zu langsam und zögerlich herausrücken. So etwas sagt übrigens nicht nur der geschasste Botschafter der Ukraine.

Die Zeitenwende ist noch immer nicht abgeschlossen.

Und für das Wiederaufbauprogramm der Ukraine braucht es fast eine Billion Euro. Warum, so „scherzt“ mancher im Land, haben wir Deutschen das Geld eigentlich immer noch nicht überwiesen?

Deutschland ⎯ immer hintendran. Ob mit Waffen oder beim Geld. Dabei haben wir von letzterem doch wirklich genug, meinen die Leute. Die anderen schimpfen, mal berechtigt, mal nicht, darüber, dass z.B. China auch jetzt immer noch mehrere Hundert Millionen Euro Entwicklungshilfe erhält. Ja, die Entwicklungshilfe insgesamt muss, wenn es nach vielen Deutschen ginge, endlich abgeschafft werden.

Wenn wir unseren Anteil finanzieller Leistungen an die Ukraine aufs BIP beziehen, sagen auch die inländischen Kritiker, fällt Deutschland im Ranking der edlen Geldgeber ins untere Mittelfeld zurück.

Und dort dürfen wir, angesichts einer Armutsquote von 16,6 Prozent doch auf keinen Fall stehen!

Dass auch die EU eine Menge Geld für die Ukraine lockergemacht hat, wird in dieser Rechnung ausgelassen, obwohl ein gewaltiger Anteil wiederum aus Deutschland kommt. Gerade erst (wieder!) hat die EU ein Hilfspaket von 400 Mio. Euro verabschiedet. Der deutsche Anteil wird wiederum nicht klein sein. Diese Feinheiten spielen in Debatten über die Unterstützung der Ukraine schlicht keine Rolle.

Positives passt in diesen Zeiten offenbar nicht zum Selbstbild eines naiven und egoistischen Volkes.

Ob es nun die Flutkatastrophe im Westen unseres Landes war, der Sommer wieder zu heiß ist, die Wälder brennen, die Felder verdorren, 60 marode Autobahnbrücken an einer Autobahn (A45) liegen oder wir mit heißem Blut auf den nächsten Corona-Herbst warten. Die Regierung, sagen uns die Medienleute, macht mehr falsch als richtig.

Es geht weniger um individuelle Fehler einzelner Politiker, sondern darum, dass DIE POLITIK nichts taugt. Die Leute scheinen es gründlich sattzuhaben. Da jagt eine Krise die nächste und eine Gewissheit nach der anderen verschwindet. Die Zukunft wird in düsteren Farben gezeichnet. Vor allem von unseren Medien. Leider färbt von Opportunismus getragene Strategie der Medien (Klicks und Quote) negativ ab.

Optimismus ist nicht unser Ding, glaube ich. Der Deutsche grübelt gern. Das prägt mal unser Bild von außen. Es herrscht Pessimismus und – natürlich – German Angst.

Es scheint vielen gar nicht aufzufallen, dass diejenigen mit am lautesten in diese Kritik einstimmen, die die letzte Regierung unseres Landes angeführt haben.

Vermutlich wäre es in der momentanen Lage Deutschlands egal, wenn im Moment Union und Grüne die Regierung bildeten.

Die Lösungen wären dieselben, die Reaktionen der Medienleute ebenfalls.

Nimmt man nur die Ausschläge (Empörungswellen und Shitstorms) der asozialen Medien als Maßstab, wäre nur eine Schlussfolgerung möglich: Politiker können es Medien und einem wachsenden Teil der Bürger nicht recht machen können.

Im WDR wurde letzte Woche eine Serie von Kurz-Beiträgen zur Flutkatastrophe im letzten Jahr gesendet. Ein Jahrestag ist ein geeigneter Anlass, die Ereignisse auch aus Sicht der Betroffenen zu erinnern.

Mich hat gestört, dass in diesen Beiträgen vor allem die Rede vom Fehlverhalten von Politikern und Behörden war. Auf mich wirkten manche Beiträge so, als wäre es den Autoren wichtiger, Politiker zu Schuldigen zu machen, als die tatsächlichen Ursachen und Hintergründe zu beschreiben.

Im WDR Fernsehen wird die Not der Menschen in den Überflutungsgebieten vor allem damit begründet, dass die Politik „unbürokratische Hilfe“ zugesagt, bisher jedoch nicht geleistet habe.

Es wurden häufig Beiträge mit denselben Menschen gezeigt. Diese haben aus bestimmten Gründen bisher keine Geldleistungen erhalten. Manchmal hatte ich Eindruck, dass diese besonderen Schicksale herausgestellt wurden, um beim Zuschauer verärgerte Reaktionen auszulösen.

Ein Mann, dem ein denkmalgeschütztes Haus gehört, das die Flut fast zerstört hat und das zum Zeitpunkt der Flut unbewohnt war, hat bisher kein Geld für den von ihm auf eigene Kosten begonnenen Wiederaufbau erhalten. Jetzt möchte er dort einziehen und erwartet ganz selbstverständlich die finanzielle Hilfe des Staates.

Es gibt Untersuchungsausschüsse, es werden weitere gefordert. Ein Landrat (Ahrweiler) wird vor Gericht gestellt. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen, weil er sich nicht hinreichend gekümmert hätte. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, SPD, sagte in einem Interview: „Ausmaß konnte niemand vorhersehen“. Was dieser Satz ausgelöst hat, ist zum einen typisch für die sozialen Netzwerke. Die Kommentare zum Zeitungsartikel selbst sind genauso voller Wut und Ablehnung. Dabei geht es in meinen Augen um ein eindeutiges „Missverstehenwollen“.

Dreyer nimmt eine Position ein, die andere Politiker und Behördenvertreter dazu vertreten haben. Niemand hätte die Flutkatastrophe verhindern können, weil sie in ihrem Ausmaß zwar von ein paar Meteorologen beschrieben wurde, die mögliche Katastrophe jedoch bei vielen Menschen in den betroffenen Gebieten gar nicht ernst genommen worden ist. Was hätte ich wohl getan, wenn in meinem Heimatort eine schwere Flut mit diesen gewaltigen Niederschlägen angekündigt worden wäre? Ich hätte an Übertreibung gedacht und entschieden, erst einmal abzuwarten.

Die Leute unterstellen, übrigens auch anhand der TV-Dokumentationen über die Hintergründe für die Katastrophe mit insgesamt 143 Toten (die NZZ – s.u. – nennt höhere Opferzahlen) und über 760 Verletzten, dass die Zahl der Toten und Verletzten geringer wäre, wenn die Verantwortlichen (Politiker und Behörden) nur ihren Job gemacht hätten. Dass es auch Vorwürfe von und gegen Meteorologen gab, die gute bzw. schlechte Voraussagen gemacht hätten, war für mich ebenfalls eine neue Erfahrung.

Journalisten des WDR Fernsehens warfen den Behörden vor, die Warnungen vor der außergewöhnlichen Hochwasserflut nicht weitergeleitet bzw. ignoriert hätten.

Es gab Vorhersagen, die die ungewöhnlich großen Niederschlagsmengen für die betroffenen Regionen angekündigt haben. Zu den Meteorologen, denen nachträglich Vorwürfe gemacht wurden, gehört Sven Plöger. Plöger ist einer der beliebtesten Meteorologen der ARD. Er moderiert im Wechsel mit Kollegen auch den Wetterbericht für das WDR-Fernsehen. Er sagte: „In der Nachhersage ist es vollkommen klar: Ich hätte ja im Fernsehen stehen und eine Warnung sondergleichen, härter, kräftiger formulieren müssen“.

Was Herrn Plöger (richtigerweise!) nachgesehen wurde, mit den zuständigen Behörden und Politikern ging die Öffentlichkeit weniger nachsichtig um. Bis heute gehen die Forderungen vom Rücktritt, einer Anklage bis mindestens ehrabschneidenden Unterstellungen und Vorhaltungen.

Wer würde die Wirkmächtigkeit von allgemeinen TV-Durchsagen, Sirenen und der Benutzung irgendwelcher Warnapps unterstellen bzw. sicher sein, dass die „angesprochenen“ Bürger folgsam das Weite gesucht hätten? Außerdem ist es billig, nachher solche massiven Vorwürfe zu erheben. Der deutsche Mensch braucht offenbar für alles Schuldige. Jedenfalls, solange er diese Rolle nicht selbst übernehmen muss.

Zu allem Überfluss hat sich jetzt auch noch so ein deutscher Journalist in Diensten der NZZ (in echter Feuilletonmanier) zu Wort gemeldet. Er besteht anhand seiner Sicht auf diese Dinge und der eines bekanntermaßen sehr zugeneigten rechtsnationalen deutschen Publikums darauf, dass die Flutkatastrophe eben doch nicht auf den Klimawandel zurückzuführen war, sondern auf Fehler der handelnden Politiker und Behörden.

Die Flut wurde zur Katastrophe, weil sich in Deutschland der Katastrophenschutz in einem katastrophalen Zustand befindet.

NZZ, Alexander Kissler

Alexander Kissler mit einer Behauptung, die selbst die von ihm im Text erwähnte Studie so nicht belegt. Ihm gehts darum, dass er die Katastrophe im Interesse seines Lesezirkels als selbstgemacht und nur nicht als Folge des Klimawandels anerkennt.

Überhaupt findet Kissler, dass der deutsche Katastrophenschutz eine Katastrophe ist. Das mag stimmen, wenn man oberflächlich ist und sich daran abarbeitet, dass die Sirenen in unserem Land samstags nicht mehr pünktlich um 12.00 Uhr heulen. Man könnte erwähnen, weshalb das THW aus Deutschland so häufig für Katastropheneinsätze ins Ausland gerufen wird. Jedenfalls kann man das nicht als Nachweis von Unfähigkeit werten. Dieser Mann differenziert nur, wenn es ihm und seiner Intention in die Karten spielt.

Kissler gibt seinem Artikel den Titel: „Der Klimawandel ist nicht an den Toten der Flutkatastrophe schuld„. Das ist bei seinen Lesern (s. Kommentarbereich der NZZ) super angekommen. Man spürt den Hass dieser Leute auf Veränderungen aller Art. Deshalb haben sie mit dem Klimawandel so gar nichts am Hut. Ich würde so weit gehen, zu sagen, dass sie die Grünen und jeden Politikansatz hassen, der auch nur im Geringsten ihren Egoismus einschränken könnte.

Im Artikel mildert Kissler die Aussage seines Titels ab:

Die Flutkatastrophe war nämlich keineswegs allein eine Folge des Klimawandels. Wer es dennoch behauptet, stiehlt sich aus der Verantwortung und instrumentalisiert eine Tragödie zu politischen Zwecken. Link folgen

Flutkatastrophe: Nicht an allem ist der Klimawandel schuld

Es sind solche unappetitlichen Draufsatteleien, die Kissler sehr systematisch und von Chefredakteur Gujer wohl durchaus gewollt, in seinen NZZ-Artikeln gegen Deutschland vollzieht. Die Leute werden nicht informiert, sondern mit einseitiger Meinung zur Empörung getrieben. Alle, denen die Politik der Grünen (in diesem Falle gegen den Klimawandel) ein Dorn im Auge ist, werden ihre Freude an diesem Deutschland-Bashing Kisslers sowie der NZZ haben.

Ich bin überzeugt davon, dass das Ausmaß dieser Katastrophe selbst dann nicht beherrschbar gewesen wäre, wenn Katastrophenschutz und die handelnden Personen gut funktioniert hätten. Die TV-Bilder von den Massermassen und angerichteten Schäden, die doch allen Bürgern zugänglich sind, machen bis heute klar, wie außergewöhnlich dieses furchtbare Unglück gewesen ist. Diesen Naturgewalten hat der Mensch nichts entgegenzusetzen. Schon gar nicht, wenn Aufrufe zur Vorsicht in großen Teilen der Bevölkerung einfach in den Wind geschlagen werden (Impfungen). Dass diese Leute ihrem Land vorwerfen, sie umerziehen oder bevormunden zu wollen, passt nicht so richtig zu den Vorhaltungen in der Flutkatastrophe.

Kissler favorisiert das Märchen, dass ein tüchtiger Staat die Bürger vor jedem Unheil schützen kann, wenn er sich nur Mühe gäbe. Aber es ist nicht möglich, den Bürgern jedes Unglück vom Halse zu halten. Schon gar nicht, wenn Naturgewalten solcher Dimensionen ins Spiel kommen.

Ich hoffe, Kissler nicht so schnell in einer deutschen TV-Sendung wiederzusehen. Seine Beiträge im „Presseclub“ waren bei Weitem nicht so aggressiv wie seine Artikel für die NZZ oder früher bei Cicero. Trotzdem.

Artikelinformationen:

Gesellschaft, Medien

Flüchtlinge, Grüne, medien, Putin, Ukraine, Zusammenhalt

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