Die Würde des Menschen – Der Satz aus dem Grundgesetz ist uns doch heilig – oder? Dank einer Empfehlung von Claudia konnte ich den Artikel von Menno Baumann lesen. Der Beitrag soll – ich kann es nicht glauben! – einem Twitter – Thread zu verdanken sein (War’n Insider).
Motive – Werte – Würde
Dem Text ist nicht zu entnehmen, ob Baumanns Artikel durch die brutale Kritik konservativer Medien an Bundesinnenministerin Nancy Faeser inspiriert wurde. Sie hatte (angeblich persönlich) die Abschiebung eines jungen Afghanen verhindert, der in Deutschland mit 14 Jahren wegen Vergewaltigung verurteilt wurde. Ob eine solche Entscheidung tatsächlich auf Intervention der Innenministerin erfolgt? Sei’s drum. Jedenfalls war das ein ergiebiges Thema für die rechte Blase. Ganz schlimm wird es ja immer zu, wenn es um straffällig gewordene Flüchtlinge geht.
Egal, ob dieser Einzelfall Baumann zum Artikel motiviert hat, derartige Vorfälle führen immer wieder zu kontroversen Diskussionen. Es ist so einfach, mit Messerstechereien oder Vergewaltigungen Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.
Der Text Baumanns ist in sich so schlüssig und nachvollziehbar, dass meine Gewissheiten ins Wanken gerieten. Ich bin nämlich einer von denen, die grundsätzlich dafür sind, konsequente Ausweisungen von straffällig gewordenen Flüchtlingen durchzuführen. Es ergeben sich aus Baumanns Darlegungen weitere, grundlegende Fragen, die wir in solchen Zusammenhängen stellen und beantworten müssen.
Lebensumstände
Es ist für mich überzeugend, dass die bisherigen Lebensumstände traumatisierter, aus ihrer Heimat geflüchteter Menschen, so völlig unterschiedlich zu den hier Lebenden sind bzw. dass deshalb die von Baumann empfohlene individuelle Risikoanalyse sinnvoll wäre. Überfordert uns diese Aufgabe nicht, personell und finanziell?
Wir brauchen offensichtlich Risikoanalysen. Flüchtlingsbewegungen müssen beobachtet und analysiert werden: Aus welchen Dynamiken kommen die Menschen auf welchen Routen und mit was für Erlebnissen, Erfahrungen und Traumata müssen wir rechnen? Und wenn wir das Risikopotential allgemein überblicken, dann bedarf es für Risikogruppen individueller psychologischer Screenings, um individuelle Gewaltrisiken zu ermitteln. Dies ist sicherlich keine 100%-tige Sicherheit, aber es ermöglicht weit mehr, als die aktuelle Praxis der Aufnahmeunterkünfte.
Quelle: Menno Baumann
Andererseits kann ich mir vorstellen, wie groß der Widerstand gegen diese Maßnahme in unserer Öffentlichkeit sein würde, wenn also präventive Untersuchungen mit der Zielsetzung systematisch eingeführt würden, um Gewaltrisiken zu minimieren.
„Dann kommt aber kein Mensch in unserem Land zu schaden“ kann nicht ernst gemeint sein – das hieße, ein Leben in den Grenzregionen der Kriege oder an den EU-Außengrenzen ist weniger wert als hier – und das hieße, wir kloppen unsere Menschenrechte einfach in die Tonne, gepaart mit blankem Rassismus!!! Schutzgedanke klar, aber nicht zulasten anderer, dann ungeschützter!!!!
Quelle: Menno Baumann
Die Grundlage für all solche sinnvollen Maßnahmen ist nicht gegeben. Baumann hat so recht, wenn er bestimmte „Argumentationsmuster“ klar benennt und sie ad absurdum führt. Ja, es ist wohl Rassismus oder mindestens Egoismus, wenn wir nicht bereit sind anzuerkennen, dass Flüchtlinge und Migranten, egal, woher aus der Welt sie zu uns kommen, würdevoll behandelt werden. Jedes Leben zählt, jedes Leben ist gleichviel wert.
Danke, @Horst, das du dich diesem Thema nochmal angenommen hast. Es bleibt für mich unvorstellbar, in welcher Empathielosigkeit und Brutalität sich Menschen gegeneinander begegnen können.
Die rein sachliche Beleuchtung eines Zustandes, wie von Baumann analysiert und beschrieben, gehört nach meinem Empfinden zu den eher sehr seltenen Beiträgen im www.
@menachem Welcland, wer in das Thema einsteigt, sollte nachvollziehen können, wie groß die Not Geflüchteter ist. Ich habe mit Entsetzen den Artikel des Chefredakteurs der NZZ, Gujer, gelesen. Er sieht hinter dem Verhalten unserer Regierung nicht seit gestern schwere Versäumnisse, die er als ideologisch motiviert beschreibt. (Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/der-andere-blick/asyl-und-kriminalitaet-deutschlands-blinder-fleck-ld.1717037?utm_source=pocket_reader)
Es ist so viel einfacher, gegen einzelne Menschen unter Flüchtlingen, die grausame und brutale Taten verüben, gegen die ganze Gruppe Stimmung zu machen, als nach Wegen zu suchen, solchen Taten präventiv zu begegnen.
Wer vor dem Hintergrund bekundet, dass wir ohne solche Aufgaben schon genügend Probleme hätten, mag viel Zustimmung in unserer Bevölkerung bekommen.
Das ändert nichts daran, wie unmenschlich, ja brutal-egoistisch diese Sichtweise ist. Eine rassistische Grundhaltung ist dabei hilfreich. Sie ist in unserem Land verbreitet, aber Gott sei Dank nicht mehrheitsfähig.
Es gibt seit Jahren Auswertungen darüber, wie groß der Prozentsatz der Anhänger von xenophoben, antisemitischen und rassistischen Ansichten in Deutschland ist. Er lag über Jahrzehnte fast statisch bei ca. 20 %. Zuletzt war diese Zahl gestiegen.