Nicht so aggressiv! Stattdessen konstruktiv und sachorientiert denken und handeln.

HS230625

Horst Schulte

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Wel­che Ursa­chen kön­nen wir anfüh­ren, die die zuneh­men­de Aggres­si­vi­tät in frei­en Gesell­schaf­ten, wenn nicht begrün­den, so doch wenigs­tens erklären?

Wir sehen „den Wes­ten“ mit sei­nen in viel­schich­ti­ger Hin­sicht unter­schied­li­chen Län­dern in ver­schie­de­nem Umfang betrof­fen. Das Phä­no­men ver­brei­tet sich in unter­schied­li­chem Tem­po. Die Ver­än­de­run­gen sind beun­ru­hi­gend und wer­den längst auch von gro­ßen Medi­en thematisiert. 

Die Haupt­grün­de haben aus mei­ner Sicht weni­ge Dimensionen:

  1. Sozia­le Medi­en und Digi­ta­li­sie­rung: Platt­for­men wie Tik­Tok, Twit­ter, Face­book und Insta­gram för­dern eine Pola­ri­sie­rung der Mei­nun­gen. Anony­mi­tät und feh­len­de direk­te Kon­se­quen­zen für aggres­si­ves Ver­hal­ten eben­so wie die auf Trig­ger aus­ge­leg­te Algo­rith­men füh­ren dazu, dass Men­schen ihre Mei­nun­gen extrem und aggres­siv mit erheb­li­chem Stei­ge­rungs­po­ten­zi­al ausdrücken.
  2. Wirt­schaft­li­che Unsi­cher­heit: In vie­len Län­dern führt wirt­schaft­li­che Unsi­cher­heit zu Frus­tra­ti­on und Angst. In Deutsch­land hat die von der poli­ti­schen Eli­te bis heu­te hoch­ge­lob­te Agen­da 2010 der Regie­rung Schrö­der (SPD) den Grund­stein für einen der größ­ten Nied­rig­lohn­sek­to­ren Euro­pas geführt. Erwerbs­lo­sig­keit, pre­kä­re Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se und stei­gen­de Lebens­hal­tungs­kos­ten (Infla­ti­on) füh­ren zu ver­stärk­ten sozia­lem Unmut.
  3. Poli­ti­sche Pola­ri­sie­rung: Der Auf­stieg popu­lis­ti­scher Bewe­gun­gen und Par­tei­en trägt eben­falls zur Aggres­si­vi­tät bei. Die­se Bewe­gun­gen nut­zen oft eine pola­ri­sie­ren­de Rhe­to­rik, die »wir gegen sie« betont und Geg­ner als Fein­de dar­stellt. Lei­der gehen die eta­blier­ten poli­ti­schen Par­tei­en zwar per­ma­nent auf das Ver­hal­ten der AfD ein, küm­mern sich aber viel zu wenig um die Grün­de, die zum Erstar­ken (Ver­dopp­lung der Stim­men­an­tei­le seit den letz­ten Wah­len!) rechts­extre­mer Kräf­te in die­sem Land führten.
  4. Medi­en­land­schaft: Sen­sa­ti­ons­jour­na­lis­mus und ein stän­di­ger Nach­rich­ten­zy­klus dürf­ten eben­falls dazu bei­tra­gen, dass Men­schen das Gefühl haben, stän­dig unter Bedro­hung zu ste­hen. Das macht aggressiv.

Mir gefällt über­haupt nicht, wenn sich die eta­blier­ten Par­tei­en einen schlan­ken Fuß machen, in dem sie die Ver­ant­wor­tung für die Ent­wick­lung fast aus­schließ­lich Feh­lern ande­rer Par­tei­en, am liebs­ten der AfD, zuschreiben. 

Bing: Nachdenken
Bing: Nach­den­ken

Wenn die­sen Par­tei­en ein Ver­bot der AfD for­dern, mögen sie dafür objek­tiv gute Grün­de haben. Eine wehr­haf­te Demo­kra­tie muss sich gegen ihre Fein­de behaup­ten und soll dazu auch die Mit­tel ein­set­zen, die uns das Grund­ge­setz an die Hand gibt. Lei­der hat man aus mei­ner Sicht aber so lan­ge zuge­war­tet, bis die Aus­gangs­la­ge für ein sol­ches Ver­bots­ver­fah­ren denk­bar schlecht ist und unse­rer Demo­kra­tie wei­te­ren Scha­den zufü­gen könnte. 

Die AfD wird von Mil­lio­nen von Men­schen in Deutsch­land gewählt. Wie wer­den die es auf­neh­men, wenn die ande­ren Par­tei­en ein sol­ches Mit­tel ein­set­zen? Die damit geschla­ge­nen Wun­den wird der Teil unse­rer Gesell­schaft, der ein sol­ches Ver­bots­ver­fah­ren befür­wor­ten wür­de, nicht mehr hei­len kön­nen. Außer­dem ist zu befürch­ten, dass die rech­te Gesin­nung durch ein sol­ches Ver­bot nicht ein­fach wie­der ver­schwin­den wird. Wir wis­sen, dass rund 20 % (eher mehr) der Bevöl­ke­rung eine Affi­ni­tät zu rech­ten Posi­tio­nen hat. Wol­len wir die poten­zi­el­len AfD-Wäh­ler wie zuvor schon die vie­len Ver­wei­ge­rer, die nicht mehr zu den Wah­len gehen, end­gül­tig ver­sto­ßen? Dür­fen wir uns das leis­ten, weil wir unse­re Demo­kra­tie vor extre­men Posi­tio­nen schüt­zen wollen? 

Ich fin­de, uns soll­ten bes­se­re Lösun­gen ein­fal­len. Dazu zählt eine gewis­se Ein­sichts­fä­hig­keit aller Par­tei­en. Es liegt bei Ihnen, ihre poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen plau­si­bler zu kom­mu­ni­zie­ren und vor allem dafür zu sor­gen, dass sie trans­pa­rent und nach­voll­zieh­bar wer­den. Das ist auch auf­grund der zwei­fel­los bestehen­den hohen Kom­ple­xi­tät nicht ein­fach. Aber wenn es ein­fach wäre… 

Das Schlech­tes­te, was wir in die­ser Lage tun könn­ten, wäre, ein­fach so wei­ter­zu­ma­chen wie bis­her. Was unbe­dingt dazu gehört, ist, dass wir uns Mühe geben, ver­nünf­tig mit­ein­an­der zu kom­mu­ni­zie­ren und bei der all­seits fest­ge­stell­ten Ver­ro­hung des Dis­kur­ses, wie das immer so harm­los genannt wird, selbst nicht mit­zu­ma­chen. Es wäre ein Anfang, sich die Zusam­men­hän­ge neu bewusst zu machen und her­aus­zu­fin­den, dass wir die Demo­kra­tie unbe­dingt ver­tei­di­gen müs­sen. Wir haben näm­lich kei­ne ande­re. Kei­ne, die allen in den Kram passt.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Aggressivität Debatten Ideologie Politik

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