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Zwischen Lebenslügen und Realpolitik: Deutschlands Herausforderung mit der Migration

Die Diskussion um Migration in Deutschland offen­bart poli­ti­sche Feigheit, man­geln­de Selbstkritik und die drin­gen­de Notwendigkeit einer Kurskorrektur.

Ulf Poschardt, Chef der „Welt” führt einen Beitrag von Harald Martenstein mit fol­gen­den Worten ein: 

Islamistische Terroristen & aus­län­di­sche Kriminelle haben es in Deutschland zu leicht. Abschiebungen durch die Ampel kurz vor den Wahlen ändern nichts dar­an. Kernproblem ist die Feigheit der Politik, sich nicht von den Lebenslügen zur Migration zu ver­ab­schie­den.

Ulf Poschardt

Am Ende sei­ner Vorhaltungen an „die” bun­des­deut­sche Politik kommt Martenstein zu die­sem Fazit:

Das Motiv der Islamisten ist klar. Aber was ist das Motiv der Regierenden und jener Medien, die seit 2015 alle Gefahren geleug­net und alle Hellsichtigen dif­fa­miert haben, das Motiv derer, die immer die glei­chen Phrasen aus­spu­cken und die auch dies­mal ihren Worten erst kurz vor den Wahlen, aus Angst vor den Wählern, ver­mut­lich nicht aus Einsicht, ein paar eher sym­bo­li­sche Taten fol­gen lassen?

Ich glau­be, es ist inzwi­schen vor allem Feigheit. Es gehört Mut dazu, Irrtümer ein­zu­ge­ste­hen und sich von Lebenslügen zu ver­ab­schie­den.

Harald Martenstein für „Welt”

Bevölkerung im Osten schrumpft weiter (Ausländerfeindlichkeit ist ein Grund)

Ich habe heu­te in einem Podcast erfah­ren (TableMedia), dass die Abwanderung aus Ostdeutschland unver­min­dert vor­an­schrei­tet. Lediglich die Universitätsstädte schei­nen einen leich­ten Zuwachs in der Bevölkerung zu ver­zeich­nen. Insgesamt schrumpft die Bevölkerung vor allem in den länd­li­chen Gebieten im Osten. Übrigens ist der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, die im Osten abwan­dern, beson­ders hoch. Begründung im Podcast: Wer will schon in einer Region leben, in denen man so unfreund­lich, ja feind­se­lig, behan­delt wird? 

Es gibt Gründe, wes­halb die­se Regierung (auch die vori­ge) in der Migrationsthematik ver­sagt, wenn man das so aus­drü­cken möch­te. Es ist schwer, eige­ne Fehler ein­zu­ge­ste­hen. Das ist eine Binsenwahrheit. Dass Martenstein die­sen Tatbestand als Grund dafür benennt, dass die deut­sche Migrationspolitik so lang­sam kor­ri­giert wird, wür­de ich als infa­me und vor allem fal­sche Unterstellung zurückweisen. 

Migrationsdruck und Änderungsbereitschaft

Es gibt vie­le Menschen in Deutschland, die sich nach wie vor zu den Werten beken­nen, die vor der auch von mir emp­fun­de­nen Überlastung durch den Migrationsdruck, hoch­ge­hal­ten wur­den. Obwohl ich eine ande­re Migrationspolitik möch­te, ach­te (und schät­ze) ich die Haltung der Grünen. Anders als bei der SPD herrscht dort eine kla­re Entschiedenheit. Wenn Hasselmann oder Stolla nach den Entscheidungen der Regierung dar­auf ver­wei­sen, dass die Streichung der finan­zi­el­len Unterstützung für abge­lehn­te Asylbewerber laut Bundesverfassungsgericht unzu­läs­sig sei, ist die öffent­li­che Reaktion erwart­bar nega­tiv. Aber natür­lich sind die­se Hinweise (so ver­zwei­felt lei­se sie sein mögen) durch­aus berech­tigt. Andererseits, da muss ich Merz zustim­men, man kann Gesetze und Grundlagen auch ändern. Und das ist, auch in so schwie­ri­gen Fragen, die Aufgabe der Politiker. Ist der Verweis auf die Handhabung sol­cher Fragen in ande­ren demo­kra­ti­schen Ländern (etwa Dänemark) legi­tim oder nicht? 

Die Pauschalität, in der heu­te dis­ku­tiert wird, berei­tet mir Kummer. Unser Staat offen­bart an vie­len Stellen gro­ße Schwäche. Diese führt viel­leicht in ers­ter Linie dazu, dass sich die Dinge so nega­tiv ent­wi­ckelt haben. Der Rechtsstaat wird als hilf­los und schwach emp­fun­den. Begonnen hat das mit der juris­ti­schen Aufarbeitung der schwe­ren sexu­el­len Übergriffe auf der Kölner Domplatte an Silvester 2015. Viele ein­zel­ne Entscheidungen von Gerichten sind kaum mehr nach­voll­zieh­bar und wur­den des­halb von vie­len infra­ge gestellt. Die Polizei beklagt sich über man­geln­den Rückhalt der Politik. In der Bevölkerung ist die­se Einstellung eben­falls häu­fig ver­gleich­bar vor­han­den. Dass Rettungskräfte und Polizisten von Zivilisten ange­grif­fen wer­den, zäh­le ich als äuße­re (schlim­me) Zeichen einer mas­si­ven Veränderung in die­sem Kontext. Da muss mir auch kei­ner damit kom­men, dass die­se Taten von Migranten began­gen wer­den. Da sind auto­chtho­ne Deutsche eben­so beteiligt. 

Hellsichtige Systemfeinde

Martensteins Schlussfolgerungen offen­ba­ren die­sel­be Tendenz, wie vie­le Aussagen man­cher AfD-​Leute. Ich zäh­le mich zu denen, die weder zu den „Hellsichtigen” zäh­len, noch zu denen, die sich mit der Einsicht, dass die­se Art der Migration unse­re Gesellschaft über­for­dert, früh­zei­tig ange­freun­det hät­ten. Meine Einstellung war Pro-​Migration, weil ich dach­te, man müs­se den Menschen hel­fen. Ja, so platt, so gut­mensch­lich. Was damit aller­dings in die­sem Land ange­rich­tet wur­de, habe ich ignoriert. 

Jetzt sehe ich das anders. Nicht, weil ich die­sen Faschisten auf den Leim gegan­gen wäre oder zu vie­le rech­te Websites oder ande­ren Dreck im Internet lese, son­dern weil ich sehe, was im Land vor sich geht. Die Stimmung im Hinblick auf die Migration ist noch viel schlech­ter, als es in den libe­ra­le­ren Teilen oder Institutionen der Republik wahr­ge­nom­men wird. Kommen wir nicht zu einer wirk­sa­men Regulierung der ille­ga­len Migration, wer­den die Probleme immer wei­ter wachsen. 

Soziale Spannungen der nahen Zukunft

Leider könn­te der sich ver­stär­ken­de wirt­schaft­li­che Abschwung dazu füh­ren, dass ande­re sozia­le Spannungen hin­zu­kom­men. Wir erin­nern uns natür­lich, dass sol­che Veränderungen, die Unzufriedenheit mit den Maßnahmen des Staates, zum Faschismus bzw. Nationalsozialismus geführt haben. Der Hang der Deutschen nach einem star­ken Führer ist ent­täu­schen­der­wei­se über­dies immer noch aus­ge­prägt. Deshalb fin­de ich es nicht falsch, eine Analogie zwi­schen der Weimarer Republik und unse­rer politisch-​gesellschaftlichen Gegenwart zu erkennen. 

Ähnlich wie in Italien Anfang der 20-​er Jahre war die Unzufriedenheit der deut­schen Bevölkerung, die wirt­schaft­li­che Krise und die Schwäche der bestehen­den poli­ti­schen Ordnung ein Nährboden für den Aufstieg des Nationalsozialismus. Hinzu kamen Faktoren wie der Versailler Vertrag, die Propaganda der NSDAP und die Zusammenarbeit mit kon­ser­va­ti­ven Kräften spiel­ten eine ent­schei­den­de Rolle.

Hoffentlich sind sich die Deutschen die­ser Gefahr bewusst. Würde man die hirn­lo­sen zwei­zei­li­gen Zornesausbrüche und feh­len­den Intelligenznachweise in den sozia­len Medien als Stimmungsbarometer her­neh­men, wären wir längst im Arsch. Hoffentlich wird es um 18.00 Uhr nicht gar so schlimm, wie ich fürch­te. Solches Magengrimmen hat­te ich frü­her ™ nur bei Länderspielen unse­rer Fußballnationalmannschaft.


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9 Gedanken zu „Zwischen Lebenslügen und Realpolitik: Deutschlands Herausforderung mit der Migration“

  1. „Die Pauschalität, in der heu­te dis­ku­tiert wird, berei­tet mir Kummer. ”

    Ja, und dar­an wirkt die CDU/​CSU der­zeit hef­tig mit! Schaut man ins Detail, sind die Dinge nun mal recht komplex!

    Z.B. bezüg­lich der Merz-​Idee, eine „natio­na­le Notlage” aus­zu­ru­fen, um sich von europ. Gesetzen ver­ab­schie­den zu kön­nen und „an den Grenzen zurück­zu­wei­sen”: In die­sem Zusammenhang wur­de gemel­det, dass ledig­lich 30% der Gemeinden sich als „über­las­tet” bezeich­nen, der Rest sieht es als Herausforderung, mit der man aber zurecht kom­me. Damit wäre die „Notlage” also nicht zu begrün­den, bzw. nicht gerichtsfest. 

    Dann der Begriff „irre­gu­lä­re Migration”: Auf ein­mal ist wie­der „irre­gu­lär” bzw. gar „ille­gal”, wer aus einem siche­ren Drittland kommt. Dass das Dublin-​Verfahren inkl. Dublin III seit Jahren fak­tisch tot ist, wird nicht erin­nert. Es wur­de wegen des Massenzustroms 2015 augesetzt – aus diver­sen Gründen: Überlastung der Randstaaten, Unmöglichkeit, diver­se Fristen ein­zu­hal­ten, Durchführungsschwierigkeiten und und und.
    Italien und Griechenland neh­men bereits „grund­sätz­lich” kei­ne Flüchtlinge zurück. Wie auch immer die kom­ple­xen Verfahren sein mögen: Plötzlich dem ein­zel­nen Flüchtling vor­zu­wer­fen, er sei „ille­gal ein­ge­reist”, ist nicht in Ordnung und unter­stützt die Verhetzung ALLER Flüchtlinge. 

    Im übri­gen: Offene Grenzen zäh­len zu den wich­tigs­ten Grundpfeilern der EU. Mich wun­dert, dass so leicht­fer­tig Grenzen wie frü­her gefor­dert wer­den: Wir sind das Land in der Mitte, durch das vie­le Lieferungen fah­ren (müs­sen), zudem selbst stark export­ab­hän­gig. Derzeit exis­tie­ren spo­ra­di­sche Kontrollen z.B. zu Polen, jedoch erweist es sich als UNMÖGLICH, alle her­ein fah­ren­den Laster effek­tiv zu kon­trol­lie­ren – es sind schlicht zu viele. 

    Grundsätzlich stim­me ich dir aber inso­weit zu, dass etwas pas­sie­ren muss, um zumin­dest Menschen los­zu­wer­den, die hier­zu­lan­de nur Ärger machen oder gar Verbrechen bege­hen. Bin gespannt, was die gro­ße Runde die­se Woche brin­gen wird.

  2. „Selbst in Nachbarstädten wird das Bild von klei­nen und grö­ße­ren Gruppen jun­ger Männer geprägt. ”

    Dem wäre nicht so, wenn die­se BESCHÄFTIGT wür­den! Das soll­te eigent­lich lan­ge schon Allgemeinwissen sein: Junge Männer machen Ärger, wenn sie nichts zu tun haben und nur her­um lun­gern! Würde so viel Energie wie sie jetzt in aggres­si­ve Symbolpolitik fließt, auf allen Ebenen in kon­se­quen­tes Beschäftigen (Arbeitserlaubnis, Zuweisung in gemein­nüt­zi­ge Maßnahmen, die die Gemeinden brau­chen kön­nen”) inves­tiert, sähe die Situation anders aus!
    Man tut aber kaum etwas in die­ser Richtung, son­dern ver­stärkt die Hetze der Rechtsradikalen, indem man ihre Agenda zu Teilen über­nimmt. Und doch wäh­len die Leute das Original…

  3. Ja, die Ampel hat die Fristen ver­kürzt, was ich begrü­ße. Aber immer noch muss in jedem Fall die Erlaubnis des BAMF ein­ge­holt wer­den, und wie ich immer wie­der lese, brau­chen die viel zu lan­ge und der Job ist dann halt weg.

    Ich mein­te auch nicht nur den Abbau von Hindernissen, die einer Arbeitsaufnahme ent­ge­gen ste­hen (war­um immer noch die­se Fristen?), son­dern wirk­lich alle erdenk­li­chen Maßnahmen, um sie zu BESCHÄFTIGEN. Es man­gelt vie­ler­orts an Arbeitskräften im gemein­nüt­zi­gen Bereich: zu wenig Ehrenamtler, kein Geld für pro­fes­sio­nel­le Dienstleistungsangebote. Da könn­te man eine Menge Maßnahmen ent­wi­ckeln, jeweils in und mit den Gemeinden – und ja, auch dafür müss­ten wohl Gesetze geän­dert wer­den, damit die nöti­gen „Anreize” geschaf­fen wer­den kön­nen, damit auch wirk­lich gear­bei­tet wird (wohl gemerkt, ich spre­che von jun­gen gesun­den Männern!).
    Ich zweif­le nicht dar­an, dass das geht, wür­de man denn wol­len – jeden­falls wür­de es bes­ser funk­tio­nie­ren als das lächer­li­che aber in der Praxis nicht umsetz­ba­re „Zurückweisen an der Grenze”. Siehe mei­nen aktu­el­len Diary-​Eintrag, in dem ich das begründe:

    Zurückweisungen an der Grenze: absur­de Symbolpolitik, Populismus pur

    Merz et al ver­hal­ten sich abso­lut ver­ant­wor­tungs­los! Der „Trumpismus” hat Deutschland ange­steckt und nein, SO soll es nicht wei­ter­lau­fen, dafür plä­die­re ich nicht! Es sol­len Maßnahmen ergrif­fen wer­den, die die Gemeinden spür­bar ent­las­ten und den Bürgern ein Gefühl grö­ße­rer Sicherheit geben – aber man soll sich nicht wegen der Wahlen im Ost zu einer von rechts­au­ßen dik­tier­ten Politik trei­ben las­sen, die zudem nicht den Schimmer einer Chance hat, die Einreisen effek­tiv zu sen­ken! Die aber das Potenzial hat, Zuziehende und Flüchtlinge jed­we­der Art zu ver­het­zen – mit Folgen, die sich eigent­lich nie­mand wün­schen kann, der noch alle Tassen im Schrank hat! 

    In Sachsen haben gra­de mal 2,2 Mio Bürger gewählt, in Thüringen sind es 1.365.000 – zusam­men sind das weni­ger als Berlin Einwohner hat und sie wäh­len ja nicht etwa ALLE rechts. 

    Dennoch las­sen sich Merz, Söder et al vor deren Karren span­nen, anstatt sich wirk­lich zu bemü­hen, sach­lich und ernst­haft mit allen zusam­men zu arbei­ten, um die Situation zu ver­bes­sern – sowohl tat­säch­lich als auch „gefühlt”. Aber wie gesagt: es herrscht ja jetzt der Trumpismus… da wird der Volkszorn lie­ber geschürt, denn man kann ja so wun­der­bar das eige­ne Süppchen dar­auf kochen!

    Früher dach­te ich mal, CDU und FDP sei­en haupt­säch­lich der Wirtschaft ver­pflich­tet – auch das ist offen­bar Schnee von ges­tern! Sonst wür­de näm­lich end­lich die Schuldenbremse refor­miert, damit Investitionen in die Zukunft mög­lich wer­den, die Integrationsmodalitäten wür­den mas­siv ver­bes­sert und arbeits­wil­li­ge Flüchtlinge wür­den geför­dert statt genervt und zum Sündenbock gemacht – schließ­lich hat sich am BEDARF der Wirtschaft nichts geändert.

  4. Dass das Dublin-​Verfahren inkl. Dublin III seit Jahren fak­tisch tot ist, wird nicht erinnert.

    „Erinnern” ist übri­gens ein tran­si­ti­ves Verb. Man erin­nert sich an etwas.

    Wie auch immer die kom­ple­xen Verfahren sein mögen: Plötzlich dem ein­zel­nen Flüchtling vor­zu­wer­fen, er sei „ille­gal ein­ge­reist“, ist nicht in Ordnung und unter­stützt die Verhetzung ALLER Flüchtlinge.

    Da muss ich aller­dings bei­pflich­ten. Falls Abläufe inner­halb der Bürokratie zu lahm­ar­schig sind, ist es wider­wär­tig, genau das den „Opfern” der Bürokratie (Ich schrei­be es mal absicht­lich in Gänsefüßchen.) zum Vorwurf zu machen.

    Im Übrigen: Offene Grenzen zäh­len zu den wich­tigs­ten Grundpfeilern der EU. Mich wun­dert, dass so leicht­fer­tig Grenzen wie frü­her gefor­dert wer­den: Wir sind das Land in der Mitte, durch das vie­le Lieferungen fah­ren (müs­sen), zudem selbst stark exportabhängig.

    In rech­ten Kreisen wird ger­ne behaup­tet, dass offe­ne Grenzen und ein Sozialstaat nicht gleich­zei­tig funk­tio­nie­ren würden.

🌈 Gemeinsam ist schöner als allein.

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