Gewalt auf Berlins Straßen: Wie reagieren wir auf Antisemitismus und Palästina-Proteste?

Die Pro­tes­te in Ber­lin wer­fen wei­ter­hin drin­gen­de Fra­gen zum Umgang mit Gewalt, Anti­se­mi­tis­mus und dem Schutz jüdi­scher Bür­ger auf.

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Ges­tern gab es in Ber­lin wie­der Aus­schrei­tun­gen von Unter­stüt­zern der Paläs­ti­nen­ser. Dar­un­ter befan­den sich auch vie­le Mus­li­me, die die Sache Paläs­ti­nas unter­stüt­zen wol­len. Ich habe Ver­ständ­nis für die Pro­tes­te. Für die­se Ein­sicht habe ich lan­ge gebraucht. Lan­ge habe ich mir vor­ge­macht, dass wir unser Land ledig­lich von den »Stö­ren­frie­den« befrei­en müs­sen; dann wäre schon Ruhe…

Igno­rie­ren kön­nen und dür­fen wir die Gewalt aller­dings nicht. Wel­che Maß­nah­men wären ange­sichts der emo­tio­na­len und für vie­le Bür­ger inak­zep­ta­blen Aktio­nen der Paläs­ti­na-Unter­stüt­zer über­haupt durch­zu­set­zen und hät­ten eine Chan­ce auf Erfolg? Wie könn­ten sich die fort­ge­setz­ten und gewalt­tä­ti­gen Aus­schrei­tun­gen dau­er­haft unter­bin­den las­sen und vor allem, wie könn­te die Gesell­schaft, wie könn­ten WIR die jüdi­schen Bür­ger, die in Deutsch­land leben, dau­er­haft und umfas­send vor den Über­grif­fen der Anti­se­mi­ten schüt­zen?

Natür­lich ist auch das The­ma, wie fast alle, die uns beschäf­ti­gen, die angst­be­setzt sind, uns ver­un­si­chern und sau­er machen, hoch­kom­plex. Auch sei­ne Bear­bei­tung erfor­dert sowohl kurz­fris­ti­ge als auch lang­fris­ti­ge Maß­nah­men, um die Sicher­heit auf unse­ren Stra­ßen, vor allem aber die unse­rer jüdi­schen Bür­ger zu gewähr­leis­ten und die sich auch ange­sichts unse­rer all­ge­mei­nen Rat­lo­sig­keit zur Nor­ma­li­tät ent­wi­ckeln­de Gewalt zu verhindern?

Mit poli­ti­schen Erklä­run­gen ist die­ser Ent­wick­lung nicht bei­zu­kom­men. Die gibt es fast immer eben­so zahl­reich wie über­flüs­sig. Immer­hin schaf­fen sie ja mög­li­cher­wei­se ein Bewusst­sein für die­ses gro­ße Pro­blem, das man sich vor eini­gen Jah­ren nicht ein­mal hät­te aus­den­ken kön­nen. Es gab und es gibt in Deutsch­land Anti­se­mi­tis­mus, und die­ser ist nicht bloß auf die Anwe­sen­heit von Men­schen zurück­zu­füh­ren, die auf­grund ihrer Her­kunft eine ande­re Sozia­li­sie­rung und Bezie­hung zu dem Dau­er­kon­flikt im Nahen Osten haben. 

Wel­che Maß­nah­men fal­len mir ein, um die Kon­flik­te auf unse­ren Stra­ßen zumin­dest zu ver­rin­gern und über­for­der­te Poli­zei-Ein­satz­kräf­te, die es auf­grund unter­schied­li­cher Sach­stän­de doch wahr­schein­lich schwer genug haben: 

  1. Kla­re recht­li­che Kon­se­quen­zen: Gewalt und Anti­se­mi­tis­mus müs­sen in Deutsch­land kon­se­quent straf­recht­lich ver­folgt wer­den. Das bedeu­tet, dass bestehen­de Geset­ze, die Hass­ver­bre­chen und Auf­ru­fe zur Gewalt regeln, strin­gen­ter ange­wen­det wer­den. Ins­be­son­de­re bei Aus­schrei­tun­gen, wie sie kürz­lich statt­fan­den, soll­te der Staat deut­lich machen, dass sol­che Taten nicht tole­riert wer­den. Eine schnel­le­re Straf­ver­fol­gung und här­te­re Stra­fen für anti­se­mi­ti­sche Ver­ge­hen könn­ten abschre­ckend wirken.
  2. Ver­bes­ser­te Prä­ven­ti­on und Früh­warn­sys­te­me: Der Staat könn­te in Zusam­men­ar­beit mit den Sicher­heits­be­hör­den ver­stärkt Prä­ven­ti­ons­ar­beit betrei­ben. Dazu gehö­ren etwa die enge­re Über­wa­chung extre­mis­ti­scher Grup­pen und die Ana­ly­se von sozia­len Netz­wer­ken (sie­he Dis­kus­si­on #Trus­ted­Flag­ger), um poten­zi­el­le Aus­schrei­tun­gen früh­zei­tig zu erken­nen. Auch müss­ten radi­ka­li­sier­te und gewalt­be­rei­te Ein­zel­per­so­nen schnel­ler iden­ti­fi­ziert wer­den, um prä­ven­tiv ein­grei­fen zu können.
  3. Dia­log und Inte­gra­ti­on: Eine lang­fris­ti­ge Lösung erfor­dert inten­si­ve­re Anstren­gun­gen in der Inte­gra­ti­ons­ar­beit, haupt­säch­lich unter der mus­li­mi­schen Bevöl­ke­rung. Vie­le Men­schen, die an den Aus­schrei­tun­gen teil­neh­men, füh­len sich mög­li­cher­wei­se auf­grund der Situa­ti­on im Nahen Osten emo­tio­nal stark invol­viert und durch viel­fach fal­sche, zumin­dest ein­sei­ti­ge Infor­ma­tio­nen radi­ka­li­siert. Es ist wich­tig, Dia­lo­ge zu för­dern, die auf gegen­sei­ti­gem Ver­ständ­nis, Respekt und der Bekämp­fung von Vor­ur­tei­len basie­ren. Dies könn­te durch Bil­dungs­in­itia­ti­ven gesche­hen, die über den Nah­ost-Kon­flikt dif­fe­ren­ziert infor­mie­ren und den Wert des fried­li­chen Mit­ein­an­ders betonen.
  4. Schutz jüdi­scher Ein­rich­tun­gen: Es ist wich­tig, dass jüdi­sche Ein­rich­tun­gen (Syn­ago­gen, Schu­len, Gemein­de­zen­tren) dau­er­haft [sic?] unter beson­de­ren Schutz gestellt wer­den. Die Zusam­men­ar­beit zwi­schen jüdi­schen Gemein­den und Sicher­heits­be­hör­den könn­te womög­lich inten­si­viert wer­den, um Gefah­ren zu mini­mie­ren. Mobi­le Poli­zei­ein­hei­ten könn­ten ver­stärkt in jüdi­schen Vier­teln oder bei Ver­an­stal­tun­gen prä­sent sein.
  5. Poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung und kla­re Bot­schaf­ten: Poli­ti­ker auf allen Ebe­nen soll­ten unmiss­ver­ständ­lich gegen Anti­se­mi­tis­mus vor­ge­hen und öffent­lich klar­stel­len, dass Angrif­fe auf Juden und Gewalt im Kon­text des Nah­ost-Kon­flik­tes und über­haupt in Deutsch­land kei­nen Platz haben. Es muss eine kla­re Tren­nung zwi­schen berech­tig­ter Kri­tik an der Poli­tik Isra­els und Anti­se­mi­tis­mus gezo­gen werden.
  6. Zivil­ge­sell­schaft­li­che Unter­stüt­zung: Anti­se­mi­tis­mus ist nicht nur ein Pro­blem des Staa­tes, son­dern der gan­zen Gesell­schaft. Es braucht einen brei­ten zivil­ge­sell­schaft­li­chen Kon­sens, dass anti­se­mi­ti­sche Über­grif­fe geäch­tet wer­den. Initia­ti­ven, die sich für den Schutz von Min­der­hei­ten ein­set­zen, soll­ten wei­ter gestärkt und aus­ge­baut wer­den, und Bür­ger soll­ten ermu­tigt wer­den, Zivil­cou­ra­ge zu zei­gen und gegen anti­se­mi­ti­sche Äuße­run­gen und Taten aufzutreten.

Die­se Schrit­te erfor­dern sowohl einen kurz­fris­ti­gen Hand­lungs­wil­len als auch lang­fris­ti­ge Stra­te­gien, um die Sicher­heit jüdi­scher Bür­ger zu gewähr­leis­ten und das gesell­schaft­li­che Kli­ma zu verbessern. 

Im Prin­zip sind all die­se Maß­nah­men bereits seit Jah­ren am Start. Ich hal­te Punkt 1 für ent­schei­dend. Die recht­li­chen Kon­se­quen­zen sind aus mei­ner Sicht bis­her nicht hin­rei­chend. Zu die­sen zäh­le ich auch die Aberken­nung der deut­schen Staats­bür­ger­schaft, wenn Migran­ten sie besit­zen und sich nicht an unse­re Regeln hal­ten möch­ten, muss dies har­te Kon­se­quen­zen, letzt­lich die Abschie­bung die­ser Per­so­nen, zur Fol­ge haben. Dass sol­che Kon­se­quen­zen in die­sen Zei­ten gera­de bei Unter­stüt­zern der paläs­ti­nen­si­schen Anlie­gen unpo­pu­lär sind und auf Wider­stand sto­ßen, darf kein Grund dafür blei­ben, recht­li­che Kon­se­quen­zen auf Spar­flam­me zu halten. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Antisemitismus Gewalt

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3 Gedanken zu „Gewalt auf Berlins Straßen: Wie reagieren wir auf Antisemitismus und Palästina-Proteste?“

  1. Ich wür­de mich für Punkt 3 und Punkt 6 ent­schei­den, sozua­gen als 1. Hil­fe im Sin­ne einer mach­ba­ren Sofort­mass­nah­me. Zu war­ten, bis Staat und Instu­tio­nen in die Gän­ge kom­men, das kann dauern.

  2. Dan­ke für dei­nen Tip, Horst. Lanz wer­de ich mir dann spä­ter in der Media­thek anschauen.

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