Kevin Kühnerts Rücktritt: Diffamierung oder legitime Kritik?

Kevin Küh­nerts Rück­tritt offen­bart die oft ver­zerr­te öffent­li­che Wahr­neh­mung von Poli­ti­kern und ihrer Arbeit.

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Wenn Poli­ti­ker nach den Grün­den gefragt wer­den, wes­halb sie in die Poli­tik gegan­gen wären, kommt oft die Ant­wort, dass sie dabei hel­fen wol­len, Poli­tik zu „gestal­ten“ und so das Leben der Men­schen bes­ser zu machen. 

Das muss man nicht glau­ben. Es gibt immer mehr Leu­te im Land, die den­ken, es gin­ge ihnen „den Poli­ti­kern“ nur um Macht und Ein­fluss und – natür­lich – die groß­zü­gi­gen Salä­re, die sie für ihre Arbeit ein­strei­chen. Dabei den­ken sie sich „Arbeit“ häu­fig in Anfüh­rungs­zei­chen. So unge­fähr geht doch das Bild, das sich vie­le von „den Poli­ti­kern“ machen? Mit­ma­chen wol­len die, die die­se Wer­tung ver­in­ner­licht haben, auf gar kei­nen Fall. Weil: Poli­tik ist ein schmut­zi­ges Geschäft. Funk­tio­niert Demo­kra­tie ohne Poli­tik, also ohne Poli­ti­ker? Selbst Putin han­delt auch als Poli­ti­ker. Aller­dings ist er ein Dik­ta­tor. Ande­re Auto­kra­ten erhal­ten immer mehr „Bein­frei­heit“. Also, über­le­gen wir uns viel­leicht noch ein­mal, ob wir Poli­ti­ker brau­chen und ob wir unse­re Ein­stel­lung zu die­sem Beruf nicht zumin­dest noch ein­mal auf den Prüf­stand stel­len sollten!

Die Reak­tio­nen zu Kevin Küh­nerts Aus­schei­den aus der Poli­tik sind die Kom­men­ta­re nicht nur bei „X“ viel­fach auf einem Niveau, das nicht nur für SPD-nahe­ste­hen­de Men­schen nur schwer erträg­lich ist. Bots wer­den viel­leicht auch bei die­sem The­ma eine Rol­le spie­len. Ich gehe davon aus, dass es sich bei den meis­ten bös­ar­ti­gen Schmä­hun­gen um den Nach­weis man­geln­der Intel­li­genz ihrer Urhe­ber han­delt (mehr brin­gen die­se Men­schen im wah­ren Leben auch nie zustande).

Ges­tern habe ich die gro­ßen Medi­en nach Kom­men­ta­ren zum Rück­tritt gescannt. Mei­ne Erwar­tun­gen wur­den nicht ent­täuscht. Ich war vor­be­rei­tet, denn ich traue mir zu, die poli­ti­sche Hal­tung und Linie nicht ganz falsch ein­zu­schät­zen. Die offi­zi­el­len Into­nie­run­gen gehen für mich in Ord­nung. Schließ­lich ist das Amt eines Gene­ral­se­kre­tärs tra­di­tio­nell eines, das den Inha­ber als beson­ders wehr­haft und kon­flikt­fä­hig aus­weist. Aus­nah­men bestä­ti­gen da nur die Regel.

Man muss jeder­zeit sprech­fä­hig und per­ma­nent erreich­bar sein, Kam­pa­gnen orga­ni­sie­ren, Wah­len gewin­nen; man muss Erwar­tun­gen erfül­len, Druck aus­hal­ten, die Par­tei­ba­sis bespie­len. Man muss atta­ckie­ren, ein­ste­cken, sich beschimp­fen las­sen; man muss Mit­ar­bei­ter in der Par­tei­zen­tra­le füh­ren, sei­nen Wahl­kreis unter­hal­ten, Gene­ra­list und Spe­zia­list zugleich sein. Und man muss sich andau­ernd in den Dienst von ande­ren Stel­len, sei­nen Par­tei­chefs, dem Kanz­ler – und zugleich das Pro­fil der eige­nen Par­tei schär­fen. Man muss bei Lanz, Maisch­ber­ger und Ill­ner jede zwei­te Woche sei­ne Par­tei, sei­nen Kanz­ler, sei­ne Regie­rung und auch sich selbst erklä­ren, obwohl man die­se Erklä­run­gen selbst schon nicht mehr hören kann.

Quel­le

Ich habe das Gefühl, dass vie­le die Auf­ga­ben eines Gene­ral­se­kre­tärs gar nicht ken­nen. Wie kämen sie andern­falls dar­auf, Küh­nerts Arbeit in die­ser Art und Wei­se zu dif­fa­mie­ren? Gene­ral­se­kre­tä­re haben im Wesent­li­chen die Auf­ga­be, die Pro­gram­ma­tik ihrer Par­tei zu ver­tre­ten, zu schär­fen und Wahl­kämp­fe zu orga­ni­sie­ren. Küh­nerts angeb­lich feh­len­de Bil­dung wird von den Hatern jeder Cou­leur immer wie­der ins Spiel gebracht. Dass er einen Stu­di­en­platz ein­ge­klagt hat und das Stu­di­um dann jedoch abbrach, lässt sich her­vor­ra­gend aus­schlach­ten. Dass er das Abi mit der Note 2,5 gemacht hat, wird sel­ten erwähnt. 

Küh­nert gilt als poli­ti­sches Talent. Das könn­te „man“ immer­hin gel­ten las­sen. Nur „man“ äußert sich als Bestand­teil einer rech­ten Bla­se, einem Heer aus frus­trier­ten Unbe­ach­te­ten, die sich im Inter­net mit ein, zwei Sät­zen nie lum­pen las­sen können. 

Dass immer mehr Poli­ti­ker (gera­de im kom­mu­na­len Bereich) ihre teil­wei­se ehren­amt­li­chen Posi­tio­nen aus Frust und sogar aus Angst um die eige­ne Gesund­heit und die ihrer Fami­li­en auf­ge­ben, beweist, wel­che Dimen­si­on der Hass in die­sem Land längst erreicht hat. Dass die Qua­li­tät der poli­ti­schen Eli­ten bean­stan­det wird, kann ich aller­dings schon nach­voll­zie­hen. Wir über­se­hen aller­dings, dass das Reser­voir an Men­schen, die noch bereit sind, sich die­ser men­schen­fres­sen­den Maschi­ne­rie aus­zu­set­zen, immer klei­ner wird. Sind die har­ten Kri­ti­ker tat­säch­lich der Ansicht, dass wir kei­ne Poli­ti­ker benö­ti­gen? Woher soll die Qua­li­tät kom­men, wenn die Per­spek­ti­ven für alle, die sich wirk­lich noch in der Poli­tik zu enga­gie­ren bereit sind, so mies sind? 

Ich über­le­ge gera­de, wie ich reagie­ren wür­de, wenn der CSU-Gene­ral Mar­tin Huber oder AfD-Geschäfts­füh­rer Bernd Bau­mann aus sol­chen Grün­den zurück­tre­ten wür­den. Ich mag bei­de näm­lich über­haupt nicht. Mensch­li­che Kotz­bro­cken wäre die Umschrei­bung, die mir ein­fal­len könn­te. Bei­de haben pro­mo­viert, Huber sogar cum lau­de. Da sind sie – mit wel­cher poli­ti­schen Gesin­nung auch immer – für die Anti-Küh­nert Com­mu­ni­ty schon allein des­halb sakro­sankt. Egal, wie sie sich aufführen.

Cars­ten Lin­ne­mann, der CDU-Gene­ral­se­kre­tär, hat Küh­nert in einer kur­zen Stel­lung­nah­me sei­ner Wert­schät­zung ver­si­chert. Er ging auf die gesund­heit­li­chen Pro­ble­me Küh­nerts ein und wünsch­te ihm eine bal­di­ge und voll­stän­di­ge Gene­sung. Natür­lich gehört es sich so. Aber was soll das für eine Kate­go­rie sein? Leu­ten um die 70 soll­te sie noch etwas sagen!

Das Gegen­bei­spiel ist ein ech­ter Drecks­kom­men­tar, der wie­der­um viel Applaus von der X‑Kundschaft erhält:

  1. Macht Poli­tik krank, Herr Roth?: „Es gibt kei­ne Kul­tur des Ver­zei­hens und der Nach­sicht“ ($)
  2. AfD macht sich über Küh­nerts Krank­heit lus­tig – que​er​.de
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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: KevinKühnert Medienkritik Politik Wahlkampf

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4 Gedanken zu „Kevin Kühnerts Rücktritt: Diffamierung oder legitime Kritik?“

  1. Ich neh­me mal das von Jani­ne Beicht auf der Kackeplatt­form Gesag­te und füge zitat­ar­tig hinzu:
    „Wie steht es um Jani­ne Beicht? Sie ist ein Para­de­bei­spiel für den Auf­stieg von Schwät­ze­rin­nen, die sich in der media­len Are­na maxi­mal durch hei­ße Luft und immer glei­chen abge­dro­sche­nen Wort­hül­sen her­vor­ge­tan haben, ohne dabei jemals ernst­haft etwas zu leis­ten.“ (Recht­schreib­feh­ler ent­stam­men dem zitier­ten Original)

    Mehr Zeit wid­me ich sol­chen Gestal­ten, die nichts, aber wirk­lich gar nichts Sub­stan­zi­el­les mit­zu­tei­len haben, nicht…

  2. So lan­ge alle bei „X“ blei­ben, und so lan­ge alles, was dort an Hass und Miss­gunst abge­son­dert wird, bestän­dig vor­herr­schen­des The­ma in Debat­ten ist, wird sich die­ser Unfug aus­brei­ten und aus­brei­ten. Und ausbreiten.

    Wir krie­gen das nicht wie­der ein­ge­fan­gen. Es gibt Besin­nung auf gemein­sa­me Wer­te nur unter denen, die die­se gemein­sa­men Wer­te hoch­hal­ten. Die ande­ren errei­chen wir damit über­haupt nicht, die hören nicht mal zu oder lachen uns aus. Oder sie kübeln ihren Hass auch über uns aus.

    Sie sind die Gewin­ner, wir die Verlierer.

    Jeden­falls so lan­ge, wie sie die media­le Agen­da bestim­men. So lan­ge, wie sie als Min­der­heit, die sie tat­säch­lich sind, dar­über bestim­men, über was sich im Land auf­ge­regt wird und über was nicht.

    Lei­der haben sie dafür jeden Tag die vol­le Auf­merk­sam­keit der ver­sam­mel­ten Medi­en­land­schaft und der Politik.

    Glaub mir, so lan­ge das so ist, wird es immer schlim­mer werden.

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