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Kevin Kühnerts Rücktritt: Diffamierung oder legitime Kritik?

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von Horst Schulte

5 Min. Lesezeit

Kevin Küh­nerts Rück­tritt offen­bart die oft ver­zerr­te öffent­li­che Wahr­neh­mung von Poli­ti­kern und ihrer Arbeit.

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Wenn Poli­ti­ker nach den Grün­den gefragt wer­den, wes­halb sie in die Poli­tik gegan­gen wären, kommt oft die Ant­wort, dass sie dabei hel­fen wol­len, Poli­tik zu „gestal­ten“ und so das Leben der Men­schen bes­ser zu machen. 

Das muss man nicht glau­ben. Es gibt immer mehr Leu­te im Land, die den­ken, es gin­ge ihnen „den Poli­ti­kern“ nur um Macht und Ein­fluss und – natür­lich – die groß­zü­gi­gen Salä­re, die sie für ihre Arbeit ein­strei­chen. Dabei den­ken sie sich „Arbeit“ häu­fig in Anfüh­rungs­zei­chen. So unge­fähr geht doch das Bild, das sich vie­le von „den Poli­ti­kern“ machen? Mit­ma­chen wol­len die, die die­se Wer­tung ver­in­ner­licht haben, auf gar kei­nen Fall. Weil: Poli­tik ist ein schmut­zi­ges Geschäft. Funk­tio­niert Demo­kra­tie ohne Poli­tik, also ohne Poli­ti­ker? Selbst Putin han­delt auch als Poli­ti­ker. Aller­dings ist er ein Dik­ta­tor. Ande­re Auto­kra­ten erhal­ten immer mehr „Bein­frei­heit“. Also, über­le­gen wir uns viel­leicht noch ein­mal, ob wir Poli­ti­ker brau­chen und ob wir unse­re Ein­stel­lung zu die­sem Beruf nicht zumin­dest noch ein­mal auf den Prüf­stand stel­len sollten!

Die Reak­tio­nen zu Kevin Küh­nerts Aus­schei­den aus der Poli­tik sind die Kom­men­ta­re nicht nur bei „X“ viel­fach auf einem Niveau, das nicht nur für SPD-nahe­ste­hen­de Men­schen nur schwer erträg­lich ist. Bots wer­den viel­leicht auch bei die­sem The­ma eine Rol­le spie­len. Ich gehe davon aus, dass es sich bei den meis­ten bös­ar­ti­gen Schmä­hun­gen um den Nach­weis man­geln­der Intel­li­genz ihrer Urhe­ber han­delt (mehr brin­gen die­se Men­schen im wah­ren Leben auch nie zustande).

Ges­tern habe ich die gro­ßen Medi­en nach Kom­men­ta­ren zum Rück­tritt gescannt. Mei­ne Erwar­tun­gen wur­den nicht ent­täuscht. Ich war vor­be­rei­tet, denn ich traue mir zu, die poli­ti­sche Hal­tung und Linie nicht ganz falsch ein­zu­schät­zen. Die offi­zi­el­len Into­nie­run­gen gehen für mich in Ord­nung. Schließ­lich ist das Amt eines Gene­ral­se­kre­tärs tra­di­tio­nell eines, das den Inha­ber als beson­ders wehr­haft und kon­flikt­fä­hig aus­weist. Aus­nah­men bestä­ti­gen da nur die Regel.

Man muss jeder­zeit sprech­fä­hig und per­ma­nent erreich­bar sein, Kam­pa­gnen orga­ni­sie­ren, Wah­len gewin­nen; man muss Erwar­tun­gen erfül­len, Druck aus­hal­ten, die Par­tei­ba­sis bespie­len. Man muss atta­ckie­ren, ein­ste­cken, sich beschimp­fen las­sen; man muss Mit­ar­bei­ter in der Par­tei­zen­tra­le füh­ren, sei­nen Wahl­kreis unter­hal­ten, Gene­ra­list und Spe­zia­list zugleich sein. Und man muss sich andau­ernd in den Dienst von ande­ren Stel­len, sei­nen Par­tei­chefs, dem Kanz­ler – und zugleich das Pro­fil der eige­nen Par­tei schär­fen. Man muss bei Lanz, Maisch­ber­ger und Ill­ner jede zwei­te Woche sei­ne Par­tei, sei­nen Kanz­ler, sei­ne Regie­rung und auch sich selbst erklä­ren, obwohl man die­se Erklä­run­gen selbst schon nicht mehr hören kann.

Quel­le

Ich habe das Gefühl, dass vie­le die Auf­ga­ben eines Gene­ral­se­kre­tärs gar nicht ken­nen. Wie kämen sie andern­falls dar­auf, Küh­nerts Arbeit in die­ser Art und Wei­se zu dif­fa­mie­ren? Gene­ral­se­kre­tä­re haben im Wesent­li­chen die Auf­ga­be, die Pro­gram­ma­tik ihrer Par­tei zu ver­tre­ten, zu schär­fen und Wahl­kämp­fe zu orga­ni­sie­ren. Küh­nerts angeb­lich feh­len­de Bil­dung wird von den Hatern jeder Cou­leur immer wie­der ins Spiel gebracht. Dass er einen Stu­di­en­platz ein­ge­klagt hat und das Stu­di­um dann jedoch abbrach, lässt sich her­vor­ra­gend aus­schlach­ten. Dass er das Abi mit der Note 2,5 gemacht hat, wird sel­ten erwähnt. 

Küh­nert gilt als poli­ti­sches Talent. Das könn­te »man« immer­hin gel­ten las­sen. Nur „man“ äußert sich als Bestand­teil einer rech­ten Bla­se, einem Heer aus frus­trier­ten Unbe­ach­te­ten, die sich im Inter­net mit ein, zwei Sät­zen nie lum­pen las­sen können. 

Dass immer mehr Poli­ti­ker (gera­de im kom­mu­na­len Bereich) ihre teil­wei­se ehren­amt­li­chen Posi­tio­nen aus Frust und sogar aus Angst um die eige­ne Gesund­heit und die ihrer Fami­li­en auf­ge­ben, beweist, wel­che Dimen­si­on der Hass in die­sem Land längst erreicht hat. Dass die Qua­li­tät der poli­ti­schen Eli­ten bean­stan­det wird, kann ich aller­dings schon nach­voll­zie­hen. Wir über­se­hen aller­dings, dass das Reser­voir an Men­schen, die noch bereit sind, sich die­ser men­schen­fres­sen­den Maschi­ne­rie aus­zu­set­zen, immer klei­ner wird. Sind die har­ten Kri­ti­ker tat­säch­lich der Ansicht, dass wir kei­ne Poli­ti­ker benö­ti­gen? Woher soll die Qua­li­tät kom­men, wenn die Per­spek­ti­ven für alle, die sich wirk­lich noch in der Poli­tik zu enga­gie­ren bereit sind, so mies sind? 

Ich über­le­ge gera­de, wie ich reagie­ren wür­de, wenn der CSU-Gene­ral Mar­tin Huber oder AfD-Geschäfts­füh­rer Bernd Bau­mann aus sol­chen Grün­den zurück­tre­ten wür­den. Ich mag bei­de näm­lich über­haupt nicht. Mensch­li­che Kotz­bro­cken wäre die Umschrei­bung, die mir ein­fal­len könn­te. Bei­de haben pro­mo­viert, Huber sogar cum lau­de. Da sind sie – mit wel­cher poli­ti­schen Gesin­nung auch immer – für die Anti-Küh­nert Com­mu­ni­ty schon allein des­halb sakro­sankt. Egal, wie sie sich aufführen.

Cars­ten Lin­ne­mann, der CDU-Gene­ral­se­kre­tär, hat Küh­nert in einer kur­zen Stel­lung­nah­me sei­ner Wert­schät­zung ver­si­chert. Er ging auf die gesund­heit­li­chen Pro­ble­me Küh­nerts ein und wünsch­te ihm eine bal­di­ge und voll­stän­di­ge Gene­sung. Natür­lich gehört es sich so. Aber was soll das für eine Kate­go­rie sein? Leu­ten um die 70 soll­te sie noch etwas sagen!

Das Gegen­bei­spiel ist ein ech­ter Drecks­kom­men­tar, der wie­der­um viel Applaus von der X‑Kundschaft erhält:

  1. Macht Poli­tik krank, Herr Roth?: „Es gibt kei­ne Kul­tur des Ver­zei­hens und der Nach­sicht“ ($)
  2. AfD macht sich über Küh­nerts Krank­heit lus­tig – que​er​.de
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Ich bin Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

Artikelinformationen:

Medien, Politik

Generalsekretär, Kevin Kühnert, Medienkritik, Politik, Politikerwahrnehmung, Rücktritt

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4 Gedanken zu „Kevin Kühnerts Rücktritt: Diffamierung oder legitime Kritik?“

  1. Ich neh­me mal das von Jani­ne Beicht auf der Kackeplatt­form Gesag­te und füge zitat­ar­tig hinzu:
    »Wie steht es um Jani­ne Beicht? Sie ist ein Para­de­bei­spiel für den Auf­stieg von Schwät­ze­rin­nen, die sich in der media­len Are­na maxi­mal durch hei­ße Luft und immer glei­chen abge­dro­sche­nen Wort­hül­sen her­vor­ge­tan haben, ohne dabei jemals ernst­haft etwas zu leis­ten.« (Recht­schreib­feh­ler ent­stam­men dem zitier­ten Original)

    Mehr Zeit wid­me ich sol­chen Gestal­ten, die nichts, aber wirk­lich gar nichts Sub­stan­zi­el­les mit­zu­tei­len haben, nicht…

    Antworten
    • Dass du dich mit sol­chem Geschwätz wie dem von Frau Beicht oder gene­rell bei X nicht aus­ein­an­der­setzt, mag dir eine Beru­hi­gung oder Genug­tu­ung sein. Ich mache mir auch kei­ne Illu­si­on dar­über, dass mei­ne Beschäf­ti­gung mit die­sen The­men etwas ändern wür­de. Ganz und gar nicht.

      Ich glau­be aller­dings, dass man sich schon weh­ren soll­te gegen den Schmutz, der z. B. bei X und all den ande­ren aso­zia­len Netz­wer­ken ver­zapft wird… Igno­rie­ren kann für den Ein­zel­nen zwar eine Bewäl­ti­gungs­me­tho­de sein, für das Land dürf­te es zu wenig sein. Eine Rück­be­sin­nung auf das, wovon nur noch die Rede ist – auf gemein­sa­me Wer­te näm­lich, ist wün­schens­wert. Doch wie erreicht man das abseits der Idio­ten-Tum­mel­plät­ze? Die Dorf­trot­tel haben sich bei X gefun­den und stel­len nun eine Haus­macht dar, vor der die Medi­en und teil­wei­se die Poli­tik zu kapi­tu­lie­ren scheint. 

      Es gibt die­ses klit­ze­klei­ne Pro­blem, dass die Men­schen nicht immun gegen die Aus­saat von Hass sind und des­halb mit sol­chen Gedan­ken und Ein­stel­lun­gen infi­ziert wer­den. Das wie­der­um schlägt sich auf ihr Den­ken und Han­deln (Wah­len) nie­der. So geht das nicht mehr lan­ge gut. Zumal dann, wenn der Sozi­al­staat auf­grund schwer­wie­gen­der fal­scher Ent­schei­dun­gen unter die Räder kommt.

      Antworten
      • So lan­ge alle bei »X« blei­ben, und so lan­ge alles, was dort an Hass und Miss­gunst abge­son­dert wird, bestän­dig vor­herr­schen­des The­ma in Debat­ten ist, wird sich die­ser Unfug aus­brei­ten und aus­brei­ten. Und ausbreiten.

        Wir krie­gen das nicht wie­der ein­ge­fan­gen. Es gibt Besin­nung auf gemein­sa­me Wer­te nur unter denen, die die­se gemein­sa­men Wer­te hoch­hal­ten. Die ande­ren errei­chen wir damit über­haupt nicht, die hören nicht mal zu oder lachen uns aus. Oder sie kübeln ihren Hass auch über uns aus.

        Sie sind die Gewin­ner, wir die Verlierer.

        Jeden­falls so lan­ge, wie sie die media­le Agen­da bestim­men. So lan­ge, wie sie als Min­der­heit, die sie tat­säch­lich sind, dar­über bestim­men, über was sich im Land auf­ge­regt wird und über was nicht.

        Lei­der haben sie dafür jeden Tag die vol­le Auf­merk­sam­keit der ver­sam­mel­ten Medi­en­land­schaft und der Politik.

        Glaub mir, so lan­ge das so ist, wird es immer schlim­mer werden.

        Antworten
        • Das ist der Punkt. Mei­ne jah­re­lan­ge Abs­ti­nenz hat rein gar nichts ver­än­dert. Also kann ich auch dabei blei­ben und dort zur guten Stim­mung beitragen 🙂

          Ver­lie­rer sind wir natür­lich alle. Auch die Idio­ten, die es selbst noch nicht gemerkt haben. Zurück­zu­dre­hen ist all dies nicht. Dage­gen spre­chen die Erfah­run­gen der Geschich­te und das Bei­spiel, das gera­de unter dem Tag Trus­ted Flag­ger für Furo­re sorgt. Jeder Ein­griff wird spä­tes­tens ab jetzt als Zen­sur­maß­nah­me der Mäch­ti­gen inter­pre­tiert. Damit ist das Ver­blei­ben aller aso­zia­len Netz­wer­ke zunächst ein­mal bis zu dem Punkt gesi­chert, an dem eine neue Drecks­er­fin­dung die­se gesell­schaft­li­che Kata­stro­phen­bei­la­ge ablö­sen wird. Viel­leicht ist sie dann sogar KI-basiert. Wahr­schein­lich sogar.

          Antworten

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