Überlegungen zum Umgang mit der AfD reichen bereits aus, um öffentliche Empörung auszulösen. Jens Spahn (CDU) kann davon ein Lied singen. Dabei liegt auf der Hand, dass die bisherige Vorgehensweise keinen Erfolg hatte. Dass er von vielen Empörten auch noch falsch zitiert wurde – nun, das ist nun einmal so, wenn es um etwas geht.
Dass Spahn ein konservativer Knochen ist, um es salopp auszudrücken, ist kein Geheimnis. Wenn sich die Leute trotzdem bei jeder neuen Einlassung ähnlich undifferenziert äußern, wie er es mitunter selbst tut, liegt das wohl in der Natur der Sache. Das passiert im Eifer des Gefechts. Ich glaube, wir wären gut beraten, unsere bisherigen Strategien im Umgang mit den Rechten zu justieren. Vielleicht ist es dafür aber auch schon zu spät. Die Partei liegt fast gleichauf mit der Union. Ich halte das für eine sehr schlimme Entwicklung. Sie zeigt, welch mangelhaftes Geschichts- und Verantwortungsbewusstsein in dieser Gesellschaft existiert – und welcher Grad an Egoismus.
Wenn ich mich darüber aufrege (was häufiger vorkommt, als es mir guttut), gebietet der gesunde Menschenverstand – in der Gestalt meiner Frau –, mich (wenigstens kurzfristig) zurückzunehmen. Sie sagt dann so weise Dinge wie: »Was regst du dich auf, du änderst ja doch nichts«. Und dann denke ich an meinen Vater, der mir in seiner Altersmilde Ähnliches ins Herz sprach.
Sorry. Aber mir fehlt der Gleichmut für so viel Besonnenheit.
Stellt euch mal vor, in der Geschichte der Menschheit hätten sich alle von so schnöden Ratschlägen beeindrucken lassen? Keine Revolution (friedlich oder nicht) hätte je stattgefunden. Das Patriarchat stünde noch immer in voller Blüte.
Mitte März warteten laut Auswärtigem Amt noch rund 2.800 Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage auf eine Ausreise nach Deutschland, in der Regel in Pakistan. Ihnen droht inzwischen die Abschiebung: Die pakistanische Regierung hatte angekündigt, alle Afghanen und Afghaninnen ohne offizielle Aufenthaltsgenehmigung des Landes zu verweisen.
Was mich im Moment allerdings mehr bewegt, sind Spahns Aussagen, die er gestern Abend bei »Markus Lanz« getroffen hat. Es geht um die Afghanen, die als sogenannte Hilfskräfte für die Bundeswehr gearbeitet haben – und die wir, wenn es nach der CDU ginge, nun noch einmal im Stich lassen sollen. Es geht um ca. 2.800 Menschen, die immer noch auf eine Evakuierung aus dem Land der Taliban warten. Welchen Gefahren sie und ihre Familien dort ausgesetzt sind, kann man sich auch ohne größeres Einfühlungsvermögen vorstellen.
Da wird einmal mehr deutlich, wohin Populismus Gesellschaften treiben kann. Es werden Grundsätze verbogen, ignoriert, manchmal sogar ins Gegenteil verkehrt. Die Union will eine harte Gangart in der Migrationspolitik umsetzen, und die SPD muss – notgedrungen – mitmachen. Hätte Merz nicht seine vollmundigen Ansagen im Wahlkampf gemacht, wäre der politische Druck heute nicht so groß, wenigstens irgendwo Versprochenes zügig umzusetzen.
Mit anderen Worten: Die 2.800 Menschen aus Afghanistan werden auf dem Altar der gebrochenen Merz-Versprechen geopfert. Wenigstens bei diesem Thema will die Union jetzt konsequent und hart sein.
Wie widerlich. Wie durchschaubar.
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Update: Rainer Wendt hat sich geäußert. Auf seine unnachahmlich ekelhafte Art und Weise. Leider ist an seinem Vorwurf allerdings etwas dran. Was Baerbock da im Namen ihrer ach so humanistischen Gesinnung abzieht, sucht an Dreistigkeit schon ihresgleichen.
- Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 26.02.2025 – Auswärtiges Amt
- Bundesregierung rechtfertigt Aufnahme von Afghanen nach Unions-Kritik | tagesschau.de
Sachsens Innenminister Armin Schuster (ebenfalls CDU) sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Der politische Anstand gebietet einer geschäftsführenden Bundesregierung, maßzuhalten und nicht noch das zu intensivieren, wofür die neue Bundesregierung bekanntermaßen genau nicht stehen wird“. Dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) quasi in letzter Sekunde vor ihrem Abtritt derart weitreichende und „unsere Gesellschaft massiv polarisierende Aktionen im Akkord“ nacheinander „durchziehen“ wolle, sei „wirklich infam und vollkommen verbohrt“, so Schuster
Quelle
Wenn die CDU von politischem Anstand redet, wie Schuster, dann frage ich mich, welche Arten von Anstand solche Sichtweisen eigentlich erfordern.
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