Der stille Urlaub: Wenn das Zuhause der größte Klimaschutz ist

Urlaubsverzicht spart CO₂ – selbst ohne Umweltmotivation. Warum Bleiben trotzdem Wirkung entfaltet und kleine Schritte große Kreise ziehen.

4 Min. Lesezeit

0 Gedanken



Merken

Roter Sonnenuntergang über Häusern, daneben Flugzeug auf grauem Rollfeld

„Bleiben ist das neue Reisen“, sagen manche. Für uns war es keine Mode, kein stiller Klimaprotest. Es war schlicht unser Leben – getragen von familiären Gründen, schon gar nicht verstanden als ökologische Heldentat. Und mit dem Alter hat es sicher auch zu tun.

Alltag als Klimafaktor

Ob manche es glauben wollen oder nicht: Der größte Hebel für unseren ökologischen Fußabdruck liegt nicht im Griff zum Papierbeutel beim Bäcker – sondern in grundlegenden Alltagsentscheidungen: Wohnen, Mobilität, Ernährung, Konsum. Und: Urlaub.

Laut Umweltbundesamt verursacht jeder Deutsche durchschnittlich rund 10,4 Tonnen CO₂-Äquivalente pro Jahr. (UBA, 2025)

Durchschnittlicher CO2 Fußabdruck pro Kopf in Deutschland Umweltbundesamt 2025
Durchschnittlicher CO2 Fußabdruck pro Kopf in Deutschland Umweltbundesamt 2025

Die großen Bereiche teilen sich grob so auf:

  • Wohnen und Energie: ca. 2,7 Tonnen
  • Ernährung: ca. 1,6 Tonnen
  • Mobilität (inkl. Auto & Flug): rund 2,0 Tonnen
  • Konsum, Dienstleistungen & Sonstiges: ca. 4,1 Tonnen

Das klingt abstrakt – bis man sich fragt, was davon vermeidbar ist.

Der Flug, der nicht stattfand

Seit über zehn Jahren sind meine Frau und ich nicht mehr verreist. Kein Flugzeug, kein Auto, keine Wochen an der Adria oder in Skandinavien. Aber: Nicht aus ökologischer Überzeugung. Es gab familiäre Gründe. Und ganz ehrlich – irgendwann war das Fernweh einfach still geworden. Wir könnten jetzt wieder reisen und tun es nicht. Einen Tag vor unserem geplanten Urlaub an der niederländischen Nordseeküste verstarb meine Mutter. Das war genau heute vor zwei Jahren. Seitdem haben wir keinen weiteren Anlauf mehr genommen.

Erstaunlich ist, was ein solcher Verzicht „rein rechnerisch“ bedeutet:

Ein Flug von Köln nach Mallorca (Hin- und Rückflug) verursacht etwa 700 kg CO₂ pro Person (Atmosfair) – ein Langstreckenflug nach Thailand über 3 Tonnen CO₂. Pro Kopf, wohlgemerkt.

Über zehn Jahre nicht zu fliegen bedeutet also – ohne dass wir es wollten – eine Einsparung von etwa 6 bis 20 Tonnen CO₂. Das entspricht dem Jahresausstoß eines durchschnittlichen Deutschen.

Der kleine Alltag zählt ebenfalls

Nicht nur Fernreisen wiegen schwer. Auch unser Alltag ist voller versteckter CO₂-Fallen – und Potenziale.

  • Vegetarische Ernährung kann den Fußabdruck um etwa 0,5 bis 1 Tonne pro Jahr senken. (WWF)
  • Second-Hand-Käufe statt Neuware: Ein neues Smartphone verursacht rund 80 kg CO₂, ein Fernseher sogar bis zu 400 kg.
  • Strom aus erneuerbaren Quellen senkt jährlich ca. 0,6 Tonnen CO₂ pro Haushalt. (UBA, 2023)

Wir selbst haben sicher nicht alles richtig gemacht und nur begrenzt in vollem Bewusstsein unseres Handelns – jedenfalls ohne es groß zu thematisieren, sind wir offenbar in einer CO₂-ärmeren Nische gelandet.

Bleiben ist nicht gleich Stillstand

Natürlich könnte man sagen: „Was bringt es schon, wenn zwei Menschen nicht fliegen?“ Und genau das passiert ja. Viele mögen nichts mehr vom Klimaschutz hören. Sie sind froh, welchen Kurs die neue Regierung eingeschlagen hat. Allein die Signale werden von vielen bejubelt. Kurzfristiges und kleinliches Denken ist schon lange eine besondere Stärke unserer leider viel zu alten Bevölkerung!

Ich denke konkret an Frau Reiches (Wirtschaftsministerin und damit Nachfolgerin von Robert Habeck) Äußerungen zu Einspeisevergütungen. Sätze wie »Schluss mit der Ökowirtschaft« finden trotzdem nicht überall Anklang.

Gedanken wie unsere beschäftigen wohl mehr Menschen, als man in diesen Zeiten (Trump) annehmen sollte. Ich tröste mich damit, dass jeder Kiesel im Wasser Kreise zieht und die Einsicht nicht zuletzt in dem Maße zurückkehrt, in dem die Natur uns die Rechnung für unsere brutale Ignoranz vorhalten wird. Das ist im Gange, auch wenn die Maulaffen einer wachsenden Schar von Ignoranten das ausblenden.

Wir sind einfach nicht mehr weggefahren. Doch heute – im Licht der Zahlen – merken wir: Vielleicht war das Bleiben auch mehr als eine Notlösung. Vielleicht war es eine still gelebte Form der Nachhaltigkeit. Ungewollt, aber doch wirksam.

Kein Heldentum oder die Ambition, sich hervorzutun – nur Leben

Verzicht ist heute oft moralisch aufgeladen. Aber bei uns war es keine bewusste Enthaltsamkeit und auch kein Statement. Und vielleicht liegt gerade darin ein Wert: Wenn das Bleiben zur Geste wird, ohne sich als Geste zu inszenieren.

Ich wünsche allen einen schönen Sommerurlaub. Das ist nicht ironisch, sondern ehrlich gemeint.

Diesen Beitrag teilen:

Schlagworte: Klimawandel Konsumverhalten Nachhaltigkeit

Quelle Featured-Image: Roter Sonnenuntergang über Häusern, daneben Fl...
Anzahl Wörter im Beitrag: 669
Aufgerufen gesamt: 103 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 103 mal

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance