Der stille Urlaub: Wenn das Zuhause der größte Klimaschutz ist

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 2 Kommentare

„Bleiben ist das neue Reisen“, sagen man­che. Für uns war es kei­ne Mode, kein stil­ler Klimaprotest. Es war schlicht unser Leben – getra­gen von fami­liä­ren Gründen, schon gar nicht ver­stan­den als öko­lo­gi­sche Heldentat. Und mit dem Alter hat es sicher auch zu tun.

Alltag als Klimafaktor

Ob man­che es glau­ben wol­len oder nicht: Der größ­te Hebel für unse­ren öko­lo­gi­schen Fußabdruck liegt nicht im Griff zum Papierbeutel beim Bäcker – son­dern in grund­le­gen­den Alltagsentscheidungen: Wohnen, Mobilität, Ernährung, Konsum. Und: Urlaub.

Laut Umweltbundesamt ver­ur­sacht jeder Deutsche durch­schnitt­lich rund 10,4 Tonnen CO₂-​Äquivalente pro Jahr. (UBA, 2025)

Durchschnittlicher CO2 Fußabdruck pro Kopf in Deutschland Umweltbundesamt 2025
Durchschnittlicher CO2 Fußabdruck pro Kopf in Deutschland Umweltbundesamt 2025

Die gro­ßen Bereiche tei­len sich grob so auf:

  • Wohnen und Energie: ca. 2,7 Tonnen
  • Ernährung: ca. 1,6 Tonnen
  • Mobilität (inkl. Auto & Flug): rund 2,0 Tonnen
  • Konsum, Dienstleistungen & Sonstiges: ca. 4,1 Tonnen

Das klingt abs­trakt – bis man sich fragt, was davon ver­meid­bar ist.

Der Flug, der nicht stattfand

Seit über zehn Jahren sind mei­ne Frau und ich nicht mehr ver­reist. Kein Flugzeug, kein Auto, kei­ne Wochen an der Adria oder in Skandinavien. Aber: Nicht aus öko­lo­gi­scher Überzeugung. Es gab fami­liä­re Gründe. Und ganz ehr­lich – irgend­wann war das Fernweh ein­fach still gewor­den. Wir könn­ten jetzt wie­der rei­sen und tun es nicht. Einen Tag vor unse­rem geplan­ten Urlaub an der nie­der­län­di­schen Nordseeküste ver­starb mei­ne Mutter. Das war genau heu­te vor zwei Jahren. Seitdem haben wir kei­nen wei­te­ren Anlauf mehr genommen.

Erstaunlich ist, was ein sol­cher Verzicht „rein rech­ne­risch“ bedeutet:

Ein Flug von Köln nach Mallorca (Hin- und Rückflug) ver­ur­sacht etwa 700 kg CO₂ pro Person (Atmosfair) – ein Langstreckenflug nach Thailand über 3 Tonnen CO₂. Pro Kopf, wohlgemerkt.

Über zehn Jahre nicht zu flie­gen bedeu­tet also – ohne dass wir es woll­ten – eine Einsparung von etwa 6 bis 20 Tonnen CO₂. Das ent­spricht dem Jahresausstoß eines durch­schnitt­li­chen Deutschen.

Der kleine Alltag zählt ebenfalls

Nicht nur Fernreisen wie­gen schwer. Auch unser Alltag ist vol­ler ver­steck­ter CO₂-​Fallen – und Potenziale.

  • Vegetarische Ernährung kann den Fußabdruck um etwa 0,5 bis 1 Tonne pro Jahr sen­ken. (WWF)
  • Second-​Hand-​Käufe statt Neuware: Ein neu­es Smartphone ver­ur­sacht rund 80 kg CO₂, ein Fernseher sogar bis zu 400 kg.
  • Strom aus erneu­er­ba­ren Quellen senkt jähr­lich ca. 0,6 Tonnen CO₂ pro Haushalt. (UBA, 2023)

Wir selbst haben sicher nicht alles rich­tig gemacht und nur begrenzt in vol­lem Bewusstsein unse­res Handelns – jeden­falls ohne es groß zu the­ma­ti­sie­ren, sind wir offen­bar in einer CO₂-​ärmeren Nische gelandet.

Bleiben ist nicht gleich Stillstand

Natürlich könn­te man sagen: „Was bringt es schon, wenn zwei Menschen nicht flie­gen?“ Und genau das pas­siert ja. Viele mögen nichts mehr vom Klimaschutz hören. Sie sind froh, wel­chen Kurs die neue Regierung ein­ge­schla­gen hat. Allein die Signale wer­den von vie­len beju­belt. Kurzfristiges und klein­li­ches Denken ist schon lan­ge eine beson­de­re Stärke unse­rer lei­der viel zu alten Bevölkerung! 

Ich den­ke kon­kret an Frau Reiches (Wirtschaftsministerin und damit Nachfolgerin von Robert Habeck) Äußerungen zu Einspeisevergütungen. Sätze wie »Schluss mit der Ökowirtschaft« fin­den trotz­dem nicht über­all Anklang. 

Gedanken wie unse­re beschäf­ti­gen wohl mehr Menschen, als man in die­sen Zeiten (Trump) anneh­men soll­te. Ich trös­te mich damit, dass jeder Kiesel im Wasser Kreise zieht und die Einsicht nicht zuletzt in dem Maße zurück­kehrt, in dem die Natur uns die Rechnung für unse­re bru­ta­le Ignoranz vor­hal­ten wird. Das ist im Gange, auch wenn die Maulaffen einer wach­sen­den Schar von Ignoranten das ausblenden. 

Wir sind ein­fach nicht mehr weg­ge­fah­ren. Doch heu­te – im Licht der Zahlen – mer­ken wir: Vielleicht war das Bleiben auch mehr als eine Notlösung. Vielleicht war es eine still geleb­te Form der Nachhaltigkeit. Ungewollt, aber doch wirksam.

Kein Heldentum oder die Ambition, sich hervorzutun – nur Leben

Verzicht ist heu­te oft mora­lisch auf­ge­la­den. Aber bei uns war es kei­ne bewuss­te Enthaltsamkeit und auch kein Statement. Und viel­leicht liegt gera­de dar­in ein Wert: Wenn das Bleiben zur Geste wird, ohne sich als Geste zu inszenieren.

Ich wün­sche allen einen schö­nen Sommerurlaub. Das ist nicht iro­nisch, son­dern ehr­lich gemeint.


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2 Gedanken zu „Der stille Urlaub: Wenn das Zuhause der größte Klimaschutz ist“

  1. Interessant fin­de ich ja, dass Kerosin immer noch steu­er­lich begüns­tigt wird. Eine der Ungereimtheiten, die ich als Bürger nicht nach­voll­zie­hen kann. Selbst in den eige­nen Reihen derer, die ein­dring­lich für eine Verringerung des CO2 Ausstoßes plä­die­ren, war zumin­dest Frau Baerbock die­je­ni­ge, die für eine Strecke von 250km lie­ber mit dem Flugzeug zurück­legt – zu einem Fußballspiel wohlgemerkt. 

    Das ist es, was mich eigent­lich stört. Politiker erlie­gen sehr schnell der Macht mit all ihren Möglichkeiten und pre­di­gen anschlie­ßend den Verzicht allein für den Bürger. Der Klimawandel ist unbe­strit­ten, aber wenn der CO2 Ausstoß nur den Sonntagsreden der Politik nutzt, akzep­tiert die Gesellschaft kon­kre­te Maßnahmen dazu immer weniger.

    Antworten
🤝 Miteinander statt gegeneinander.

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