Wer sich von der Rückkehr nach Deutschland überfordert fühlt, weil der Supermarkt nicht nach Kirschblüte duftet, darf gerne reflektieren – aber bitte mit Maß und Mitte.
Ich verstehe den Impuls. Man kommt zurück aus einem Land, in dem Höflichkeit zur DNA gehört wie Reis zum Bento. Und dann steht man plötzlich wieder zwischen Wursttheke und Wutbürger, sieht sich konfrontiert mit schiefen Blicken, schroffen Tönen, schmuddeligen Bahnhöfen. Kein Zweifel – unser Alltag hat raue Kanten.
Aber daraus gleich einen Abgesang auf das ganze Land zu komponieren? Das ist nicht Kulturschock – das ist Hochmut mit Jetlag.
Ich will nichts beschönigen. Ja, (auch) an (unseren) Bahnhöfen riecht es nicht immer nach Chanel No. 5. Und ja, wer sich durch Menschenmengen wuchtet, spürt bisweilen mehr Ellbogen als Etikette. Doch ich frage mich: Was wiegt schwerer – ein muffiger U-Bahn-Eingang oder ein warmherziges Wort zur rechten Zeit?
Wie oft habe ich selbst erlebt, dass mir fremde Leute halfen oder es ist mir davon erzählt worden. Die Leute helfen: sei es, um Auskunft zu geben oder mit einem schlichten Lächeln. Meine Frau hatte kürzlich einen Unfall. Gleich haben sich Menschen, fremde Menschen, um sie gekümmert. Und meine Frau ist keine alte, hilfsbedürftig aussehende Oma. Es passiert nicht mit tiefem Knicks, aber es kommt von Herzen. Und das zählt mehr als die Temperatur eines Brötchens oder die Haltung beim Aussteigen.
Was sagt es über uns aus, wenn wir lieber über die „Rentnerschrapnelle“ meckern, statt zu sehen, dass in demselben Bus vielleicht eine Mutter gerade ein Kind tröstet oder ein Jugendlicher (oft Migranten!) einem Älteren den Platz überlässt?
Man kann – wie Hadmut Danisch – empfundene Realität mit Schärfe beschreiben. Das ist sein gutes Recht. Aber der Ton macht die Musik. Und dieses Land hat mehr als nur Misstöne zu bieten.
Was soll man von einem Blogger wie Danisch erwarten, wenn er aus der Ferne so etwas über „sein“ Land bloggt:
Sorry, wenn ich es mal so direkt sage, aber was ich über den Mai aus Deutschland an Nachrichten gelesen habe – vielleicht habe ich einiges verpasst – war eigentlich nur gequirlte Scheiße. Kaum oder keine inhaltlichen Nachrichten. Dafür solcher Mist, dass Person X irgendeinen Mist Y geredet hat, über den sich irgendwer aufregt, und all so einen Quatsch. Irgendwie hatte ich da durch die Japan-Brille den Eindruck, dass in Deutschland gar nichts mehr passiert, was noch wirklich wichtig ist, stattdessen jeder irgendetwas schwätzt, um sich wichtig zu machen und ins Gespräch zu bringen, und die Medien das dann eben hochkochen, durchkneten, auswringen. So etwas wie ein Schild rauszuhängen, auf dem steht „Sorry, heute keine Meldungen, denn es ist in Deutschland einfach nichts passiert, was unseren qualitativen Mindestanforderungen entspricht, und für das ganze blöde Geschwätz sind wir uns zu schade“ ist nicht drin.
Bei Danisch habe ich gefühlt Jahre nichts mehr gelesen. Jetzt bin ich „nur“ durch die Suchanzeigen nach dem verschollenen Fefe dort gelandet. Gott, herrscht dort ein Frust. Dabei ist der nicht mal Rentner!
Was fehlt, ist oft nicht Höflichkeit, sondern im Augenblick etwas mehr Hoffnung. Nicht Ordnung, sondern Orientierung.
Wir alle haben unsere Brillen auf – sei es eine rosarote vom Urlaub oder eine tiefblaue vom Alltag. Aber bevor wir unser Land in ein Zerrbild pressen, sollten wir vielleicht erst mal den Fokus justieren.
Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann helfen keine pauschalen Abrechnungen, sondern offene Augen und ein wenig Nachsicht – auch mit uns selbst.
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