Von Likes zu Lautstärke: Wie soziale Medien immer noch und immer mehr unsere Debatten vergiften

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hitzige Diskussion links kuehler Rueckzug rechts – symbolisch Kopie

Wo frü­her dis­ku­tiert wur­de, wird heu­te domi­niert. Wer laut ist, hat recht – so scheint es. Die Tonalität, in der wir mit­ein­an­der spre­chen, hat sich ver­än­dert. Nicht über­all, aber oft genug, um ein dump­fes, wach­sen­des Unbehagen zurück­zu­las­sen. Was ist passiert?

Es fehlt nicht an Stimmen wie der von Tom, der gera­de in einem lesens­wer­ten Beitrag das Phänomen skiz­zier­te. Auch ich beob­ach­te: Der gegen­sei­ti­ge Respekt ist vie­ler­orts ero­diert, Duldsamkeit wird zur Mangelware.

Die neuen Regeln des Diskurses

In Kommentarspalten, auf X (vor­mals Twitter), Facebook, TikTok, YouTube oder Reddit hat sich ein Klima eta­bliert, das nicht mehr auf Austausch, son­dern auf Übertrumpfung zielt. Ironie ist oft das Mittel der Wahl, Sarkasmus eine Waffengattung. Aggression scheint ein Schutzschild, das infla­tio­när ver­wen­det wird. Die Plattformen beför­dern genau das: kur­ze Reizimpulse, schnel­le Likes, wenig Kontext. Die Algorithmen beloh­nen Empörung. Wir wis­sen das, wir reflek­tie­ren es und uns, aber nur manch­mal. Wie ist das entstanden?

Doch sind die sozia­len Medien allein schuld?

Der Mensch als Verstärker

Die Netzwerke mögen Werkzeuge sein – aber wir bedie­nen sie. Vielleicht sind sie nur ein Brennglas, das längst vor­han­de­ne gesell­schaft­li­che Spannungen sicht­bar macht. Die Polarisierung nimmt zu, nicht nur poli­tisch. Wer sich wider­spricht, wird nicht mehr als Gesprächspartner betrach­tet, auch nicht als Gegner, son­dern als Feind.

Manch einer spricht von einer „Kultur des Abschaltens“. Debatten enden nicht mehr mit Nachdenken, son­dern mit Abbruch. Ghosting für die Seele.

Was ging uns verloren?

Es gibt Untersuchungen zu die­ser Entwicklung. Kluge Leute haben sich inten­siv mit dem Phänomen beschäf­tigt. Vielleicht ken­nen wir eini­ge der Gründe dafür, dass die Dinge sind, wie sie sind. Aber Einfluss scheint man auf die uner­wünsch­ten Nebenwirkungen der erwei­ter­ten Kommunikation bzw. der Tatsache, dass wir seit Langem nicht mehr nur Empfänger, son­dern auch Sender wur­den, nicht zu haben.

Vielleicht fehlt die Geduld. Vielleicht das Vertrauen. Oder viel­leicht nur die Ahnung, dass Meinungsverschiedenheit auch ein Geschenk sein kann – eine Einladung, zu wach­sen. Natürlich gibt es die­se schreck­li­chen Vorbilder, die wir jen­seits des Atlantiks täg­lich von unse­ren Medien vor­ge­setzt bekommen.

Es ist kein Naturgesetz, dass der Ton rau­er wird. Aber es scheint ein Zeitzeichen zu sein. Eines, dem wir nicht taten­los zuse­hen soll­ten. Denn wer nicht mehr zuhö­ren kann, hat auch bald auch nichts mehr zu sagen.


Links zum Thema: 

  1. bpb kürt enga­gier­te Projekte mit dem Jugenddemokratiepreis 2024 – Demokratie Vielfalt Respekt
  2. Die Hauptrisiken sozia­ler Medien für die Demokratie
  3. Digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen der deut­schen Bevölkerung im Test


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10 Gedanken zu „Von Likes zu Lautstärke: Wie soziale Medien immer noch und immer mehr unsere Debatten vergiften“

  1. So man­ches erin­nert mich an die Klassiker der poli­ti­schen Theorie, wie Alexis deToqueville und sei­ne Analyse zur fran­zö­si­schen Revolution. Je weni­ger wir in der Lage sind, mit­ein­an­der in kritisch-​rationalem Dialog (Popper) unter­schied­li­che Sichtweise zu erkun­den, des­to schnel­ler fin­den wir uns einer abso­lu­tis­ti­schen Diktatur wie­der, in die Freiheit des Einzelnen nicht mehr existiert.

  2. @Horst Schulte dar­auf woll­te ich raus. Am Ende gestal­ten wir die Zukunft nicht pro­ak­tiv, wir zie­hen uns ins Private zurück und über­las­sen das Feld den „star­ken Mackern”, die uns sagen, wie es zu gehen hat. Da kann man schön meckern und ande­ren die Schuld geben, ohne sich selbst an die Nase fas­sen zu müssen.

  3. Wo waren nur die Hetzer, bevor es Social Media gab …
    Jetzt ent­fal­ten sie sich online frei, anonym, wie sie Lust haben, ohne Scham und Rechtsgefühl.

    Man soll­te mehr im Leben leben. Für Ältere sicher­lich nicht mehr so mög­lich, da ist Internet eher ein Segen und Hilfe

  4. @Horst Schulte Aber was soll das bedeu­ten, „den dort statt­fin­de­nen Exzessen den Kampf anzusagen”?

    Wie sieht die­ses „Kampf ansa­gen” aus?

    Was genau tun wir, und dann sind die Exzesse vorbei?

    Hier liegt das Problem: Wir stel­len fest, dass eine Entwicklung ein­ge­tre­ten ist, die kata­stro­phal in die fal­sche Richtung geht, und dann heißt es immer von allen erscho­cke­nen Seiten, es müs­se ja etwas unter­nom­men wer­den, und das und hier und jetzt und gleich. Denn so kann es ja nicht, des­we­gen jetzt, sonst…

    Und ich fra­ge dann immer: Ja? Was? Was ist die Lösung?

    Und dann kommt nichts. Ok, von den Verbotsparteien (CDU und SPD) kom­men umset­zungs­fer­ne Verbotsvorschläge, das tote stau­bi­ge Pferd „Klarnamenpflicht” wird aus dem Grab geholt. Smartphone-​Verbot an Schulen. Wie putzig.

    Auf EU-​Ebene wird ein wir­kungs­lo­ses Regulierungsgesetz nach dem ande­ren durchgewunken.

    Im Grunde pas­siert nichts, nie­man­dem – mich ein­ge­schlos­sen – fällt etwas Profundes ein, und alle gucken aufs Höchste alar­miert zu, wie der Karren sich dem Abgrund nähert…

    Ich dre­he und wen­de inzwi­schen den Gedanken, dass wir uns womög­lich einem gesell­schaft­li­chen Endpunkt annä­hern. Vielleicht sind wir an einem Punkt, wo es nicht mehr mög­lich ist, etwas zu repa­rie­ren? Also sozu­sa­gen schon hin­ter dem letz­ten Kipppunkt…

    (Na, ist das pessimistisch?)

  5. @Horst Schulte: Aber das ist doch eher eine Rückzugserklärung als eine Kampfansage. Der „Gegner” bleibt im Ring und lacht. Wie bei mir selbst übri­gens auch. Wir sind eine ver­schwin­den­de Minderheit von Sonderlingen, die sich dem all­ge­mei­nen Trend ver­wei­gern. Auf uns hört man nicht, man lacht uns bes­ten­falls aus.
    Währenddessen zieht die Karawane unbe­irrt weiter…

🕊️ Ein gutes Wort kann Wunder wirken.

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