Chalamet als Dylan – Bühne in Rot Weiß trifft auf stillen Rückzug in Dunkelblau Kopie(1)

„A Complete Unknown“ – Wenn aus einem Widerspruch ein Film wird

15. Juni 2025

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Bob Dylan. Ein Künstler, der sich ent­zieht – mit jedem Schritt, jedem Song, jeder Silbe. Und aus­ge­rech­net über die­sen Mann hat James Mangold nun ein Biopic gedreht. A Complete Unknown – schon der Titel ist mehr als nur ein Verweis auf den berühm­ten „Like a Rolling Stone“-Vers: Er ist eine Vorwarnung. 

Dieser Film erklärt nichts. Er rekon­stru­iert kei­ne Karriere. Er stellt Dylan nicht auf ein Podest und zer­pflückt ihn auch nicht mit dem Seziermesser.

Stattdessen folgt er Dylan durch jene flir­ren­den Jahre Anfang der 60er, in denen aus einem jun­gen Mann aus Duluth, Minnesota, etwas Unfassbares wur­de. Etwas, das man spä­ter Legende nen­nen wür­de. Oder Messias. Oder Hochstapler. Je nach Laune und poli­ti­schem Standort.

Mangold erzählt nicht chro­no­lo­gisch, son­dern atmo­sphä­risch. Kein „und dann und dann“, son­dern ein „wie fühl­te es sich an?“ – das ist die gro­ße Stärke die­ses Films. Dass er damit auch schei­tern kann, liegt in der Natur sei­nes Protagonisten.

Chalamet spielt nicht Dylan – er beschwört ihn

Timothée Chalamet hat mich über­rascht. Statt viel­leicht zu erwar­ten­der Darstellung kommt da jemand auf die Bühne, der Dylans Körpersprache nicht nur imi­tiert, son­dern trans­for­miert. Er singt live, er spielt Gitarre, Harmonika – und wirkt doch nie wie ein Schauspieler, der Dylan spielt. Eher wie jemand, der kurz in ihn hin­ein­ge­schlüpft ist. Eine Art Medium.

Chalamets Dylan ist mal ver­letz­lich, mal sprö­de, mal erschöpft – nie glatt. Nie bere­chen­bar. Er fragt nicht, ob man ihn mag. Und das macht ihn umso glaubwürdiger.

Newport, Guthrie, Baez – Ikonen im Nebenlicht

Der Film erzählt von Dylans Aufbruch nach New York, von den Besuchen bei Woody Guthrie im Krankenhaus, von Joan Baez, von Pete Seeger und vom berühm­ten Newport Folk Festival 1965, bei dem Dylan sei­ne akus­ti­sche Gitarre gegen eine elek­tri­sche tausch­te – und damit eine Revolution losbrach.

Edward Norton als Pete Seeger ist eine klei­ne Wucht, Monika Barbaro als Baez trifft den Ton zwi­schen Liebe und poli­ti­schem Ernst erstaun­lich genau. Und Elle Fanning als fik­ti­ve Figur Sylvie Russo – tja, die bleibt lei­der eine Projektionsfläche. Vielleicht muss das so sein, viel­leicht ist sie ein Echo all der namen­lo­sen Frauen, die an der Seite gro­ßer Männer verschwinden.

Viel Applaus, ein paar Pfeifkonzerte

Der Film wur­de bei sei­ner Premiere in Cannes gefei­ert, erhielt acht Oscar-​Nominierungen, dar­un­ter für Chalamet, Norton und Mangold. Nicht alles funk­tio­niert. Kritiker bemän­geln die dra­ma­tur­gi­sche Oberflächlichkeit – Rotten Tomatoes nennt ihn eine „shal­low cha­rac­ter stu­dy“. Und sie haben nicht ganz unrecht. Wer Dylan wirk­lich sucht, wird ihn auch in die­sem Film nicht finden.

Aber ganz ehr­lich? Das hät­te er ver­dient. Denn Dylan war nie dazu da, ver­stan­den zu wer­den. Sein Werk ist dazu zu groß.

Kino der Zwischenräume

„A Complete Unknown“ ist kein Denkmal, son­dern ein Kaleidoskop. Bruchstücke, Lieder, Begegnungen. Manchmal berüh­rend, manch­mal rät­sel­haft, manch­mal ärger­lich. Ein Film, der sich wei­gert, sich fest­zu­le­gen – ganz wie sein Sujet.

Ich moch­te ihn—manchmal. Ein Nonkonformist? Ziemlich sicher. Jedenfalls ist Dylan kein glatt gebü­gel­ter Star, wie wir sie zuhauf in unse­rer Gegenwart fast nur noch sehen.

HS230625


Horst Schulte, Blogger und politisch interessierter Rentner aus dem Rheinland. Schreibt mit Leidenschaft über Gesellschaft, Medien und Zeitgeschehen – pointiert, kritisch und mit Herz.

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Kategorie: Kultur Musik

Schlagworte: Biografie BobDylan Film

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