Man könnte die Fußball-WM in den USA boykottieren. Gründe dafür gäbe es genug.

US-Vize droht WM-Fans, Medi­en ver­dre­hen die Zeit – und der Fuß­ball macht den Affen­zir­kus mit.

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Was kön­nen Mexi­ko und Kana­da für die faschis­to­ide Poli­tik von Män­nern wie Trump und Van­ce? Das wäre wohl die schwie­rigs­te Fra­ge über­haupt in die­sem Zusam­men­hang. Eine, die all­zu oft unter den Tisch fällt – wie so vie­le unbe­que­me Wahr­hei­ten, wenn es ums gro­ße Geschäft geht.

FIFA-Chef Gian­ni Infan­ti­no jeden­falls freut sich wie ein Kind auf die Fuß­ball-WM im kom­men­den Jahr. Die fin­det – welch Iro­nie – aus­ge­rech­net in den USA, Kana­da und Mexi­ko statt. „Wir kön­nen es kaum erwar­ten, Fuß­ball­fans aus der gan­zen Welt will­kom­men zu hei­ßen“, ließ Trump ver­lau­ten. Und sein Vize Van­ce? Der trat sofort auf die Eupho­rie­brem­se: Natür­lich, jeder sei ein­ge­la­den, die­ses „groß­ar­ti­ge Ereig­nis“ mit­zu­er­le­ben. „Wir wol­len, dass die Men­schen kom­men, fei­ern und die Spie­le genie­ßen.” Aber dann kam der unver­meid­li­che Nach­satz, der einem die Spra­che ver­schlägt: »Wenn die Zeit vor­bei ist, sol­len sie wie­der gehen – ansons­ten müs­sen sie mit Minis­te­rin Noem spre­chen.« Hei­mat­schutz-Minis­te­rin Noem, bekannt unter dem char­man­ten Spitz­na­men ›Abschie­be-Bar­bie‹.

Sehr lau­nisch, Herr Vize­prä­si­dent. Und sehr ent­lar­vend. Soll­te man sol­chen Aus­sa­gen nicht end­lich eine kla­re poli­ti­sche Ant­wort ent­ge­gen­set­zen? Nicht wie­der ein­mal „Betrof­fen­heit“ und betre­te­nes Schwei­gen, son­dern Wider­stand – durch Fans, durch Mann­schaf­ten, durch die Öffent­lich­keit? Wie wär’s mit einem ech­ten, spür­ba­ren Zei­chen? Viel­leicht dem, was auto­ri­tä­re Ego­ma­nen am meis­ten fürch­ten: einem Boy­kott der WM.

Club-WM in den USA

Bereits ab Mit­te nächs­ten Monats neh­men der FC Bay­ern und Borus­sia Dort­mund an der Club-WM in den USA teil. In Anbe­tracht der elen­den Bil­der, die uns tag­täg­lich von dort errei­chen – poli­ti­scher Hass, sozia­le Spal­tung, Gewalt gegen Min­der­hei­ten – fällt es schwer, sich auf so ein Event zu freu­en. Man könn­te die­se über­flüs­si­ge FIFA-Ver­an­stal­tung schlicht­weg mei­den. Schon aus Rück­sicht auf die ohne­hin kör­per­lich genug geschun­de­nen Fuß­ball­pro­fis, deren Ter­min­ka­len­der längst in Rich­tung Wahn­sinn tendiert.

Aber da gilt wie immer: Wer am Zir­kus gut ver­dient, der muss auch tan­zen. Oder, weni­ger poe­tisch: Wer Mil­lio­nen kas­siert, kann nicht ein­fach absa­gen, nur weil irgend­wo das Gewis­sen klopft.

Was aller­dings eben­so schwer wiegt: Die Tages­the­men, in Per­son von Frau Bell­mer, nutz­ten die berech­tig­te Aver­si­on gegen Trumps Regie­rungs­stil, um ihren Bericht über die Club-WM mit Aus­sa­gen zu spi­cken, die zeit­lich nicht ganz sau­ber ein­ge­ord­net wur­den. Eine jour­na­lis­ti­sche Unge­nau­ig­keit, die kaum weni­ger pro­ble­ma­tisch ist als die bru­ta­le Rhe­to­rik der US-Regierung.

Club WM
Club WM

Einordnung, bitte. Aber richtig.

Die Tages­the­men (ab ca. Min. 18) berich­te­ten ges­tern über die bald begin­nen­de Club-WM und grif­fen dabei auf Aus­sa­gen von Trump und Van­ce zurück, die bereits im Mai die­ses Jah­res für Auf­re­gung sorg­ten. Die­se bezo­gen sich klar auf die kom­men­de WM – nicht auf das bevor­ste­hen­de Club-Tur­nier. Inhalt­lich mag der Unter­schied mar­gi­nal sein: Wer über­zeugt ist, dass Gäs­te nach dem Spiel bes­ser wie­der ver­schwin­den sol­len, der denkt ver­mut­lich bei bei­den Events gleich. Und den­noch bleibt die Unsau­ber­keit ein Makel – beson­ders in einer Zeit, in der Medi­en­kri­tik Hoch­kon­junk­tur hat.

Aber es passt eben gut ins Bild. In eine Zeit, in der sich ein Pro­test­sturm gegen die­se US-Regie­rung auf­baut – auch wenn die­ser sich all­zu oft in Sym­bo­lik erschöpft.

Damals in Argentinien

Nach dem Tur­nier, bei dem er als Kapi­tän die deut­sche Mann­schaft anführ­te, sag­te Ber­ti Vogts über die dama­li­ge Mili­tär­dik­ta­tur in Argen­ti­ni­en: „Argen­ti­ni­en ist ein Land, in dem Ord­nung herrscht. Ich habe kei­nen ein­zi­gen poli­ti­schen Gefan­ge­nen gesehen.“

Ich erin­ne­re an die­se alten Zei­ten, in denen man sich lie­ber die Augen zuhielt, statt hin­zu­se­hen. Heu­te lau­fen Pro­tes­te anders – oder? Ein paar bun­te Bin­den um die Ober­ar­me, ein biss­chen Regen­bo­gen hier, ein biss­chen Soli­da­ri­tät da. Gut­mensch­li­che Atti­tü­den, die kei­nem weh­tun – außer der Ideo­lo­gie man­cher AfD-Funk­tio­nä­re. Der Fuß­ball hät­te die Kraft, ech­te Zei­chen zu set­zen. Doch was tut er? Er kniet, wenn alle knien. Er schweigt, wenn man schwei­gen kann. Und er dankt Infan­ti­no für das nächs­te Event, das glänzt – und zugleich davon ablenkt, wie tief das Land im Dreck steckt.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: FIFA Fußball Infantino Trump USA Vance WM

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