In schöner Regelmäßigkeit ($) flammt sie wieder auf – die Debatte um Schönheit und beruflichen Erfolg. Gerade befeuert durch eine Studie, die mittels künstlicher Intelligenz sprachliche Muster in 68 Sprachen analysierte. Sie kommt zum Ergebnis: In vielen Ländern – besonders in Finnland und Japan – wird Schönheit stark mit Erfolg und Kompetenz verknüpft. Auch in Deutschland zeigt sich dieser Zusammenhang, wenn auch schwächer.
Mich wundert, dass Finnland besonders heraussticht. Diese Nation soll doch, wenn ich richtig informiert bin, die oder jedenfalls eine der Glücklichsten in Europa sein. Geht das zusammen?
Laut dem World Happiness Report leben die glücklichsten Menschen in Finnland. Die Finnen sind bereits zum achten Mal in Folge auf Platz eins der weltweiten Glücksrangliste.
Und doch wirkt die Reaktion hierzulande fast typischer als die Studie selbst: Der Ruf nach Regelungen ist nicht fern. Bewerbungen ohne Foto, heißt es, könnten helfen, den sogenannten „Schönheitsbonus“ zu neutralisieren. Doch ist dieser Schritt wirklich sinnvoll? Und wie weit reicht unser Glaube, dass Fairness durch Formalitäten entsteht?
Attraktivität wirkt – das lässt sich kaum leugnen
Zunächst einmal: Ja, es gibt ihn, diesen Effekt. Studien aus der Verhaltenspsychologie und den Wirtschaftswissenschaften belegen seit Jahrzehnten, dass schöne Menschen im Durchschnitt höher eingeschätzt, häufiger eingeladen und besser bezahlt werden. Sie gelten als durchsetzungsfähiger, sympathischer, kompetenter.
Das hat weniger mit objektiver Qualifikation zu tun als mit tief verankerten Urteilen. Wir Menschen neigen dazu, positive Eigenschaften miteinander zu verknüpfen – ein kognitiver Kurzschluss, der unter dem Begriff Halo-Effekt bekannt ist.
Dass solche Prägungen auch in Bewerbungssituationen greifen, ist wenig überraschend. Ein Foto, auf dem ein sympathisches, gepflegtes Gesicht zu sehen ist, kann – bewusst oder unbewusst – die ganze Bewerbung aufwerten. Und ja, das ist problematisch.
Der deutsche Reflex: regulieren statt reflektieren?
Doch ist das Verbot von Bewerbungsfotos der richtige Weg? In Deutschland wird dieser Vorschlag seit Jahren diskutiert. Die Befürworter argumentieren: Wenn das Foto entfällt, zählt endlich nur noch, was inhaltlich vorliegt – Ausbildung, Erfahrung, Motivation. Die Bewertung wird objektiver, Chancengleichheit wahrscheinlicher.
Aber diese Hoffnung könnte trügen. Denn Schönheit lässt sich nicht durch den Verzicht auf Bilder aus der Welt schaffen. Menschen mit Ausstrahlung, Stil, Charme – all das sind oft sichtbare oder hörbare Qualitäten, die spätestens im Vorstellungsgespräch wieder zum Tragen kommen. Ein Bild lässt sich streichen, der Eindruck bleibt!
Was zählt wirklich? Und wann?
Zudem: In vielen Berufsfeldern sind Auftreten, Kommunikation, Ästhetik durchaus relevante Fähigkeiten – etwa im Kundenkontakt, in der Beratung, in Medien oder Werbung. Schönheit wird dort oft mit Professionalität gleichgesetzt. Ist das verwerflich? Oder schlicht realistisch?
Und umgekehrt: In den allermeisten Jobs – ob in der Pflege, im Handwerk, in der Wissenschaft oder der öffentlichen Verwaltung – zählen andere Dinge weit mehr: Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit, Know-how. Dort mögen schöne Menschen beim ersten Eindruck punkten. Aber sie allein tragen ein Projekt nicht zum Erfolg.
Schönheit als „soziale Währung“?
Man könnte sagen: Schönheit ist eine Art sozialer Startvorteil – aber kein Garant für den Aufstieg. In der Tiefe des Berufslebens, wo es um Verantwortung, Zusammenarbeit, Krisenfestigkeit geht, greifen andere Kriterien.
Die Herausforderung besteht darin, diesen Startvorteil bewusst zu machen – ohne daraus eine neue Bürokratie zu stricken. Nicht jedes Unrecht lässt sich per Formular verhindern.
Ein Plädoyer für bewusstes Entscheiden
Vielleicht brauchen wir nicht weniger Bilder, sondern mehr Bewusstsein. Wer einstellt, sollte wissen, dass der erste Eindruck trügen kann. Und dass Qualifikationen sich nicht im Lächeln zeigen. Wer sich bewirbt, sollte wissen: Schönheit kann Türen öffnen, aber dahinter beginnt ein anderes Spiel.
Und vielleicht sollten wir alle öfter innehalten, wenn wir jemanden als „kompetent“ wahrnehmen – und uns fragen, warum eigentlich.
Schönheit verschafft Vorteile – das ist menschlich, aber nicht fair. Doch statt neue Verbote zu schaffen, wäre es klüger, den Umgang mit solchen Effekten zu reflektieren. Die Welt ist nicht gerecht. Aber sie wird gerechter, wenn wir unsere Maßstäbe hinterfragen – nicht nur unsere Fotos.
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