Zwischen Apokalypse und Apathie: Hans-Werner Sinn über Amerikas Schulden und Europas Naivität

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 6 Kommentare

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merika im Schatten der Schulden

In der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ warnte Ökonom Hans-Werner Sinn vor den dramatischen Schulden der USA und deren globalen Folgen. Ein Kommentar über politische Verdrängung, ökonomische Realitäten und Europas gefährliche Bequemlichkeit.

Die einen reden vom Krieg, ande­re beschrei­ben die auf­zie­hen­de Apokalypse durch Szenarien zusam­men­bre­chen­der Wirtschaften. Suchen wir uns aus, wel­ches Szenarium uns doch so gar nicht inter­es­siert, und üben uns wei­ter in Apathie. Mich erin­nert der eher gelas­se­ne Umgang doch sehr an Zeiten zwi­schen den gro­ßen Kriegen – an jene unheim­li­che Stille, die nicht Friede ist, son­dern das Schweigen vor dem Sturm.

Während der öffent­li­che Diskurs sich an Genderfragen und Verkehrspolitik abar­bei­tet, schie­ben sich unbe­merkt tek­to­ni­sche Platten unter der Oberfläche des Weltfinanzsystems. Es kracht nicht, es knis­tert – aber das reicht klu­gen Köpfen wie Prof. Hans-Werner Sinn, um Alarm zu schla­gen. Am 5. Juni 2025 war er bei Markus Lanz zu Gast und sprach aus, was vie­le lie­ber nicht hören wol­len: Die welt­weit größ­te Volkswirtschaft steht auf töner­nen Füßen.

Prof. Sinn leg­te mit der ihm eige­nen ana­ly­ti­schen Schärfe dar, dass die USA mit einer Staatsverschuldung von rund 36 Billionen Dollar kon­fron­tiert sei­en – einer Zahl, die so abs­trakt wie absurd wirkt, bis man sie in Relation setzt: Mehr als 900 Milliarden Dollar müs­sen die USA jedes Jahr nur für Zinszahlungen auf­brin­gen. Das sind 11 bis 13 Prozent des gesam­ten Bundeshaushalts. Zum Vergleich: Deutschland liegt mit etwa 2 Prozent deut­lich nied­ri­ger – noch. Denn auch bei uns stei­gen die Kosten, das Unbehagen, die Ungewissheit.

Diese Dimension sei, so Sinn, „nicht nach­hal­tig“. Er spricht nicht von Panik, son­dern von „sys­te­mi­schen Risiken“. Von einem Spiel mit dem Feuer, bei dem der Zündstoff längst bereit­liegt, der Funke aber noch fehlt.

Brisant wur­de es, als er Donald Trumps Rückkehr auf die poli­ti­sche Bühne kom­men­tier­te: Dessen ange­droh­te Strafzölle sei­en – so Sinn – nicht pri­mär han­dels­po­li­ti­sche Instrumente, son­dern ein ver­deck­ter Versuch, Kapital aus dem Ausland anzu­zie­hen, um das eige­ne System künst­lich zu sta­bi­li­sie­ren. Eine Art öko­no­mi­sches Beruhigungsmittel mit gefähr­li­chen Nebenwirkungen. Die Weltwirtschaft als Spielball innen­po­li­ti­scher Taktik – ein gefähr­li­ches Spiel, das den Zusammenhalt west­li­cher Demokratien auf die Probe stel­len könnte.

Die Warnung kam nüch­tern, nicht dra­ma­tisch: Wenn die Welt das Vertrauen in den Dollar ver­liert, wenn Kapital in siche­re­re Häfen strömt, könn­te das glo­ba­le Finanzsystem erschüt­tert wer­den. Und Europa? Es steht dane­ben, noch halb­wegs sta­bil, aber ohne stra­te­gi­sche Autonomie. Sinn plä­dier­te ein­dring­lich für eine stär­ke­re wirt­schaft­li­che Eigenständigkeit Europas, für mehr Selbstvertrauen – und für weni­ger Naivität gegen­über dem geo­po­li­ti­schen Großspiel.

Er mal­te kein Endzeitbild. Aber er zeich­ne­te Linien nach, die sich irgend­wann schnei­den wer­den – und wo sich die­se Linien schnei­den, wird es ungemütlich.

Vielleicht ist das unse­re Zeit: eine Zwischenzeit. Nicht Krieg, nicht Frieden. Eine Ära des Dazwischen, des beque­men Ignorierens. Wer genau hin­hört, spürt: Die Einschläge kom­men näher. Und wer die Worte eines Hans-Werner Sinn nicht ein­fach als „alte Schule“ abtut, son­dern als Echo öko­no­mi­scher Erfahrung begreift, der ahnt, dass sich unter unse­rer Wohlstandsfassade längst Risse zeigen.

Nicht um Angst zu schü­ren, son­dern um Klarheit zu gewin­nen, soll­ten wir hin­hö­ren – und handeln.

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6 Gedanken zu „Zwischen Apokalypse und Apathie: Hans-Werner Sinn über Amerikas Schulden und Europas Naivität“

  1. Ich den­ke bei die­sen Zahlen immer an die Visualisierungen von Chris Jordan.
    Der hat­te um 2007 sei­ne Arbeit „Running the num­bers“ vorgelegt.
    Keiner weiß, was 500.000 ist. Erst recht nicht, was 5 Millionen oder 5 Milliarden sind.
    So wie es Jordan dar­stell­te, konn­te man sich ein Bild machen. 

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  2. Im ver­link­ten Video zeigt Rieck übri­gens auf, war­um die Angst vor dem Einsatz von Atomwaffen durch Putin jeg­li­cher Grundlage ent­behrt. Das nur zum lei­di­gen Klickbait, den er für das Video nutzt!

    Die Lage in den USA ver­fol­ge ich mit Priorität 1, was den Nachrichtenkonsum angeht. Es ist der tota­le Wahnsinn, den die Trumpisten da ver­an­stal­ten! Der Kanal „Large Man abroad”, der die Wirkungen auf „nor­ma­le Amerikaner” the­ma­ti­siert, hat kürz­lich ein Video mit dem Titel „Guillotine Season Is Coming” her­aus­ge­ge­ben – und er ist KEIN Extremist!

    Sehenswert ist auch „China and Germany Manage Trump Like A Toddler” von Mallon Baker, der das durch­aus erfolg­rei­che Standing von Merz beim Besuch bei Trump (und vor­her) begrün­det: Nur wer Stärke zeigt, wird von Trump halb­wegs respekt­voll behandelt.
    Den ganz gro­ßen Rahmen betrach­tet Richard D. Wolff, ein ame­ri­ka­ni­scher Ökonom und eme­ri­tier­ter Professor an der University of Massachusetts Amherst. Er erzählt das alles als Aspekte und Folgen des Niedergangs des US-ame­ri­ka­ni­schen Empires.

    Die Videos sind zwar in Englisch, aber es gibt ja deut­sche Untertitel. Derart tief schür­fen­de Analysen fin­de ich jeden­fall deutsch­spra­chig nicht. 

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