Die Idee ist nicht neu, aber plötzlich ist sie wieder da – wie ein mahnender Geist, der aus meiner Sicht ruhig etwas massiver daherkommen sollte. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat mit seinem Vorschlag einer Digitalsteuer, dem sogenannten Plattform-Soli, einer längst überfälligen Lösung aus dem Nachrichtenkeller heraus geholt. Mit anderem Ansatz: Wie viel ist uns Kultur wert – und warum zahlen Google, Meta & Co. in Deutschland immer noch keine faire Abgabe?
Es muss sich jetzt etwas ändern. Deutschland macht sich inzwischen in bedenklicher Weise abhängig von der technologischen Infrastruktur der Amerikaner.
Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister
Weimer fordert zehn Prozent auf Werbeeinnahmen großer Plattformen. Keine revolutionäre Idee, eher ein später Reflex auf Realitäten, die andere Länder längst anerkannt haben. In Österreich ist man damit vor Jahren vorangegangen – und siehe da: Die Welt ist nicht untergegangen. Aber in Deutschland? Da diskutiert man lieber weiter. Oder besser: Man prüft. Scheinbar endlos.
Olaf Scholz’ vergessene Fußnote
Erinnern wir uns: Auch Olaf Scholz hatte als Finanzminister schon 2019 eine Digitalsteuer gefordert. Das hat er als Kanzler wiederholt. Was ist daraus geworden? Ein Prüfauftrag, hieß es damals, ganz staatsmännisch. Die Ergebnisse dieser Prüfung? Vermutlich liegen sie neben dem Klimageld unter einer dicken Schicht politischer Sedimente.
Was Weimer nun vorschlägt, ist nichts anderes als das konsequente Weiterdenken eines Plans, den Scholz einst andeutete – und dann, wie so oft, im Nebel der Pragmatik verschwinden ließ.
CDU gegen CDU: Der tiefe Riss
Die Ironie ist bitter: Ausgerechnet aus den eigenen Reihen weht Weimer der schärfste Gegenwind entgegen. Wirtschaftsministerin Reiche bremst, laviert, warnt vor einem „nationalen Alleingang“. Der Bitkom tönt von „digitalem Rückschritt“, der BGA orakelt von „bürokratischem Albtraum“ – und niemand redet darüber, wie grotesk es ist, dass Milliardengewinne in Irland verbucht werden, während deutsche Kulturstätten ums Überleben kämpfen.
Der CDU-Wirtschaftsflügel ist nicht etwa Bremser aus Vernunft, sondern aus schlichter Bequemlichkeit. Man will es sich mit den Großen im Silicon Valley nicht verscherzen. Schließlich weiß man nie, wer nach dem Ministerium ruft, wenn die Legislatur vorbei ist.
Mut sieht anders aus
Deutschland diskutiert lieber auf EU-Ebene, als Verantwortung zu übernehmen. Man wartet auf Brüssel, auf Paris, auf Washington – Hauptsache, man muss selbst keine Haltung zeigen. Dabei wäre gerade jetzt der Moment, um ein Zeichen zu setzen: für digitale Souveränität, für Medienvielfalt, für kulturelle Selbstachtung. Übrigens, auch gegen Trumps komplett bekloppte Sicht auf die angeblich so schlechte Handelsbilanz.
Das von Trump behauptete Handelsdefizit von 350 Milliarden Dollar zuungunsten der USA gebe es nicht, sagte ein Sprecher in Brüssel. Fakt sei, dass die EU und die USA komplementäre Stärken hätten. „Wir haben einen Überschuss im Warenhandel, während die USA einen Überschuss im Dienstleistungshandel haben“, sagte er.
Quelle
Von der EU wird aus meiner Sicht zu wenig über die Größenordnungen der Umsätze gesprochen, die Big Tech-Konzerne mit den Ländern der EU machen und dafür höchstens symbolische Abgaben zahlen. Diese werden außerdem nicht in der Datenbasis berücksichtigt, aus der gemeinhin Handelsbilanzen erstellt werden. Mit anderen Worten: Das Handelsbilanzdefizit ist viel kleiner als von Trump behauptet. Das wiederum stellt seine dämliche Argumentation komplett infrage. Komisch, dass darüber so wenig geredet wird.
Handelsüberschuss
Die EU hatte im Jahr 2024 im Handel mit Waren und Dienstleistungen einen Handelsüberschuss mit den Vereinigten Staaten von 50 Mrd. €. Dies entsprach weniger als 3 % des gesamten Handels zwischen der EU und den USA.
Beim Warenhandel verzeichnete die EU einen Überschuss von 198 Mrd. € und beim Handel mit Dienstleistungen ein Defizit von 148 Mrd. €.
In dieser Hinsicht ergänzen sich die Volkswirtschaften der EU und der USA sehr gut.
Weimer hat es also auch versucht. Doch die Dämpfer aus dem eigenen Lager sind laut. Vielleicht zu laut. Und vielleicht will man in Berlin auch gar nicht, dass der Plattform-Soli kommt. Denn dann müsste man ja wirklich einmal gegen einen globalen Trend steuern – und nicht nur gegen das eigene Gewissen.
Wir dürfen uns nicht wegducken
Die Frage ist nicht, ob wir uns Digitalsteuern leisten können. Die Frage ist, ob wir uns den Verzicht auf sie leisten wollen. Die Kultureinrichtungen, die Zeitungen, die Theater, die Filmfestivals – sie alle finanzieren sich nicht durch Likes und Klicks, sondern durch Ressourcen. Und die fließen momentan in Strömen in die Taschen von Konzernen, die weder Verantwortung tragen noch Steuern zahlen.
Weimers Vorstoß war ein Weckruf. Ein positiver Aufschlag, der gerade mich als langjährigem Kritiker dieses Mannes positiv überrascht hat. Und der Widerstand dagegen ist ein Offenbarungseid. Was fehlt, ist nicht die Machbarkeit, sondern der politische Wille. Ich verstehe das alles nicht mehr!
Passende Links:
Ich denke schon, dass Prime, Netflix und Co., X, insta, zahlen sollten, die nehmen Unmengen an Werbung/Einnahmen ein, die sollten in den entsprechenden Ländern auch zahlen.
Deutschland ist was das angeht, auch viel zu langsam, warum immer auf die EU warten?! Internet kann weder rechtsfreier Raum noch steuerfrei für Konzerne/Apps sein!
@Babsi: Richtig! Und natürlich nicht nur die. Vor allem denke ich an Amazon, Apple, Microsoft, Meta, Twitter u.s.w. Die alle machen Riesenumsätze und zahlen viel zu wenig Steuern in der EU. Allerdings gibts auch das Problem, dass Irland oder Luxemburg innerhalb der EU Ausweichplätze mit günstigen Steuern bieten. Das müsste auch mal abgestellt werden.
Da stimme ich dir zu, auf jeden Fall. Gefühlt würde ich sagen, es traut sich niemand dran oder hat genügend Unterstützer!