Castoren auf Wanderschaft: Zwischen Genehmigung, Protest und der Suche nach Sicherheit

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Es gibt Transporte, die sind mehr als nur Bewegung von A nach B. Sie sind Gewissensfragen, ein­ge­packt in Stahl und Beton. So einer steht jetzt wie­der an: 152 Castoren, bela­den mit dem Erbe der Atomkraft, sol­len von Jülich nach Ahaus rol­len. Auf dem Papier ist alles gere­gelt. Doch zwi­schen Paragrafen und Protestschildern wird die­ser Transport zum Prüfstein – für Politik, Technokratie, für Bürgerwillen, für die Frage, wie wir mit dem umge­hen, was nie­mand haben möchte.

Hintergrund:
  • Im Forschungszentrum Jülich sind rund 290.000 kugel­för­mi­ge Brennelemente in 152 Castoren gelagert.
  • Da das Zwischenlager in Jülich seit 2013 nicht mehr geneh­migt ist, ist die siche­re Lagerung in einem exter­nen Lager not­wen­dig geworden.
  • Die Genehmigung für den Transport nach Ahaus wur­de 2016 erteilt, gefolgt von einer Klage im Jahr 2017, die jedoch vom Gericht abge­wie­sen wurde.

Das Zwischenlager in Jülich, in dem die Castorbehälter seit Jahren ste­hen, ist nicht mehr geneh­migt, da es als nicht erd­be­ben­si­cher galt. Diese Sichtweise hat sich inzwi­schen geän­dert. Besser gesagt: Das Erdbebenrisiko wird heu­te als gering bzw. nicht vor­han­den betrachtet. 




„Das sei damals rich­tig gewe­sen, „das Einschreiten der Atomaufsicht im Jahr 2014 grund­sätz­lich nicht zu bean­stan­den“. Das aller­dings sehe heu­te anders aus, weil der Nachweis der Erdbebensicherheit inzwi­schen erbracht wer­den konn­te.„

Quelle

Die Genehmigung: Ein Akt der Bürokratie oder der Verantwortung?

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im Dezember 2024 ent­schie­den: Die Einlagerung in Ahaus ist recht­mä­ßig. Ein kla­res Signal? Nicht ganz. Denn die Transportgenehmigung ist ein eige­ner, noch aus­ste­hen­der Schritt – und genau hier liegt der Zündstoff. Das Bundesamt für kern­tech­ni­sche Entsorgung (BASE) im Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums (Carsten Schneider, SPD) hält die Fäden in der Hand. NRW ver­weist auf Berlin. Die SPD spricht von „bal­di­gem Abschluss“, wäh­rend Bürgerinitiativen bereits Widerstand durch Klagen und Blockaden ankündigen.

Was bleibt, ist ein Schwebezustand: Ein Transport, der kom­men soll, aber bis­her nicht darf. Ein Lager, das Platz bie­tet, aber kei­ne Lösung. Und eine Öffentlichkeit, die zwi­schen Fakten und Ängsten hin- und her­ge­ris­sen ist.

Die Route: Nicht nur eine Strecke, sondern ein Statement

152 Castoren – das klingt nach Logistik. Doch hin­ter der Zahl ver­ste­cken sich Fragen: Warum Ahaus? Warum jetzt? Und war­um nicht ein­fach ein Neubau in Jülich, wie eini­ge for­dern? Die Süddeutsche Zeitung ver­weist auf Parallelen zum FRM-II in Garching, wo ähn­li­che Debatten toben. 

Die Polizei berei­tet sich vor, nicht nur auf den Transport, son­dern auf die Begleiter: Demonstranten, die in die­sem Akt mehr sehen als nur eine Routine. Für sie ist es ein Symbol – für die unge­bro­che­ne Macht der Atomlobby, für die Hilflosigkeit der Kommunen, für ein System, das Lösungen ver­spricht, aber nur Provisorien schafft.

Sicherheit: Was die Behälter aushalten – und was nicht

Die Betreibergesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) betont: Die Castoren sind sicher. Die Behälter hiel­ten Stürzen, Feuer, sogar Flugzeugabstürzen stand. Doch Sicherheit ist nicht nur Technik. Sie ist auch Vertrauen. Und das brö­ckelt, wenn Genehmigungen im Schneckentempo kom­men, wenn Alternativen wie ein Neubau in Jülich nur am Rande dis­ku­tiert wer­den, wenn die Endlagerfrage wei­ter in der Ferne schwebt wie ein uner­reich­ba­rer Horizont.

Die andere Seite: Warum dieser Transport überhaupt?

Es gibt sie, die sach­li­chen Argumente: Jülichs Zwischenlager ist über­las­tet. Ahaus hat Kapazitäten. Die Forschungselemente aus Garching brau­chen einen Platz. Doch selbst die­se Notwendigkeiten klin­gen wie Entschuldigungen in einer Debatte, die längst nicht mehr nur um Atommüll geht, son­dern mehr noch um Glaubwürdigkeit. Politik will es sich (ein­mal mehr) mit nie­man­dem ver­scher­zen. Statt kla­re Worte zu fin­den, wei­chen Politiker dem Kern des Problems aus und schie­ben sich gegen­sei­tig nach par­tei­po­li­ti­schen Opportunitäten die Verantwortung zu.

Die denk­ba­ren Alternativen zu den vie­len Transporten, die über 2–4 Jahre gehen könn­ten, sind nicht gera­de über­zeu­gend. Die einen wol­len, dass in Jülich ein Endlager gebaut wird, der Müll also dort blei­ben soll. Allein die Genehmigungsverfahren wür­den Jahre in Anspruch neh­men. Und die Bürgerinitiativen in und um Jülich her­um wer­den dafür sor­gen, dass das nicht rei­bungs­los abläuft. Wir ken­nen das zur Genüge! Die Castoren könn­ten auf meh­re­re Zwischenlager ver­teilt wer­den (Ahaus, Gorleben, Lubmin). Ein Kompromiss, der bestimmt auch kei­ne Mehrheiten fin­det. Man könn­te ein Endlager nut­zen, wenn end­lich eines gefun­den wür­de. Das geht auch nicht vor­an. Wie so vie­les im Land. Es bleibt die­se bizar­re Form des Egoismus, der als inte­gra­ler Bestandteil des Individualismus wei­ter Blüten treibt. Jeder fühlt sich beru­fen, poli­ti­sche Entscheidungen infra­ge­zu­stel­len, damit der Müll nur ja nicht in sei­ner Nähe auf­poppt! Vielleicht sind die ent­schie­dens­ten Gegner ja die­je­ni­gen, die unse­re Grünanlagen zumül­len und ihren Müll für gewöhn­lich nicht ganz kor­rekt ent­sor­gen, son­dern ihn – im bes­ten Glauben dar­an, dies zu dür­fen ins nächst­ge­le­ge­ne Waldstück brin­gen. Ist doch alles kom­pos­tier­bar. 🔆

Was bleibt?

Ein Transport, der mehr ist als Logistik. Eine Debatte, die mehr ist als Technik. Und eine Gesellschaft, die sich fragt, war­um wir immer noch kei­ne Antwort auf die ein­fachs­te aller Fragen haben: Wohin mit dem, was bleibt?

Vielleicht ist das die eigent­li­che Last der Castoren: Sie erin­nern uns dar­an, dass man­che Probleme sich nicht weg­trans­por­tie­ren las­sen. Dass Verantwortung mehr ist als ein Stempel auf einem Antrag. Und dass Sicherheit nicht nur in Stahlwänden liegt, son­dern auch im Dialog, mehr noch: in der Dialogbereitschaft.

Der Transport wird kom­men. Die Proteste auch. Doch was danach bleibt, ist die Pflicht, end­li­che Lösungen zu fin­den – für den Müll, der län­ger strahlt als unse­re Geduld.


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