Ich hatte immer viel Freude mit Gewerkschaftsvertretern der Polizei. Rainer Wendt – legendär und anstrengend bis zur Erschöpfung, was der Mann manchmal von sich gibt. Warum ist der noch immer nicht in Pension? Gut, manchmal hat er auch einen Punkt. Ich glaube, diese Einsicht hat in meinem Fall was mit fortschreitendem Alter zu tun. Allerdings frage ich mich schon, warum eigentlich keine Polizeiführer aus dem Apparat Interviews geben, sondern (fast immer) Gewerkschaftsvertreter.
Einen dieser Gewerkschaftsvertreter, Herrn Ostermann, habe nicht nur ich ganz besonders ins Herz geschlossen. Beim ihm verhält es sich nicht viel anders als bei Herrn Wendt. Manchmal hat auch er ’nen Punkt, manchmal erkennt man aus meiner Sicht in seinen Beiträgen allerdings auch politische Absichten, die mir wenig sympathisch sind. Zu viel Recht und Ordnung sind weiterhin nicht meins. Dass die Stimmung in unserer Bevölkerung anderes suggeriert, nehme ich zur Kenntnis. Anders als viele Linke oder Grüne das tun. Deren Kompetenz beschränkt sich darauf, bestimmte Entwicklungen im Land erst gar nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Heute habe ich mir ein Interview bei YouTube angehört, das von einer ehemaligen Mitarbeiterin des russischen Propagandasenders RT DE geführt wurde. Sie betreibt einen erfolgreichen neuen Kanal. Die alte Schule ist prägend…
In dem Interview wird ein Narrativ aufgebaut, das sich schnell so anhört: „Da sitzt jemand im Bürgergeld und vor der Tür steht ein Ferrari, also läuft etwas grundlegend falsch.“ Dieses Bild transportiert Wut, Ungerechtigkeit und einen Vertrauensverlust in den Rechtsstaat. Es funktioniert emotional – aber faktisch ist es ein Sonderfall, der als Alltagsrealität hingestellt wird. Offizielle Daten der Bundeskriminalamt (BKA) zeigen, dass Gewaltkriminalität im Jahr 2024 um 1,5 % gestiegen ist – nicht dramatisch, wie suggeriert. Wenn also von „überbordender Gewalt“ und „Jahr für Jahr 4–7 % Zunahme“ gesprochen wird, markiert das eine starke Überhöhung.
Weiter wird die Forderung erhoben, die Unschuldsvermutung infrage zu stellen und eine Beweislastumkehr einzuführen – etwa bei Verdacht auf Organisierte Kriminalität. Auch hier gilt: Natürlich muss Vermögen legal erworben werden. Doch im Rechtsstaat gilt: Wer angeklagt wird, gilt nicht automatisch als Täter. Eine generelle Beweislastumkehr würde eine fundamentale Verschiebung bedeuten – praktisch und juristisch.
Im Bereich „Migration, Stadtbild, junge Männer in Gruppen, Respektverlust“ wird ebenfalls stark zugespitzt. Die These: Gruppen junger Männer, häufig mit Migrationshintergrund, nähmen sich, was sie sich glaubten, nehmen zu müssen. Daten zeigen, dass solche Zusammenhänge komplexer sind. Weisen Statistiken nicht insgesamt einen Rückgang der Kriminalität auf und gibt es nicht „nur“ in bestimmten Phänomenen eine Zunahme? Der hohe Anteil von Migranten an bestimmten Delikten hat doch vielmehr mit den lange bekannten, typischen Gründen wie Armut und sozialer Ausgrenzung als mit der Herkunft von Menschen zu tun.
Auch die Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz wegen eines vor fast 2 Jahren geposteten Tweets wird moralisch aufgeblasen. „Handfester Skandal“, „Wie kann ein Richter so etwas anordnen?“ Viele sehen die Maßnahme kritisch – ich auch! Aber rechtlich bleibt die Bewertung offen und sie ist kein klarer Beleg für allgemeines Justizversagen oder linke Agitation.
Was bleibt? Drei Spannungsverhältnisse: Erstens – es gibt reale soziale und sicherheitspolitische Probleme: Bürokratie, Integrationslücken, Wahrnehmung von Respektverlust. Zweitens – die Überhöhung dieser Probleme dient politischen Bildern: vom schwachen Staat, dem Bürger ohne Schutz, der Polizei unter Dauerangriff. Drittens – Der Wunsch nach mehr Effektivität in der Sicherheitspolitik ist verständlich; aber er darf nicht dazu führen, dass zentrale rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung oder faire Verfahren aufgeweicht werden.
Insgesamt plädiere ich dafür, differenzierter zu sprechen, und zwar umso mehr, je direkter Menschen von staatlichen Maßnahmen betroffen werden: Ja, statt der rhetorischen Figur vom Ferrari-Empfänger könnte man konkret auf Zahlen schauen: Wie viele Fälle gibt es? Haben unsere Polizisten wirklich täglich mit solchen Beispielen zu tun? So viele Ferraris fahren gar nicht auf deutschen Straßen, oder werden die alle von Sozialbetrügern gefahren? Wo sind echte bzw. reale Verdachtsmomente? Welche sozialen Ursachen wirken mit? Ein demokratischer Rechtsstaat braucht solche nüchterne Klarheit – und Bilder, die nicht mehr erzählen, als die Daten hergeben. Ja, das sage ich mir übrigens auch immer.

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