Ich schreibe an Martin Schulz und Jean-​Claude Juncker

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Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung, hat wie­der ein­mal den ganz gro­ßen Prügel raus­ge­holt. In einer wei­te­ren Kolumne zur Flüchtlingspolitik wirft er der EU schwe­res Versagen vor und emp­fiehlt, ihr des­halb der Friedensnobelpreis wie­der abzunehmen.

Ich fin­de, der Vorschlag ist gut und – was einen Eintrag in den Kalender recht­fer­ti­gen könn­te – die­se Forderung wird ver­mut­lich auch von denen mit­ge­tra­gen, die ich hier nur noch als Menschenfeinde bezeich­ne. Tja, dabei hal­ten sie sich doch für die letz­ten klar­den­ken­den und vor allem recht­schaf­fe­nen Deutschen. Die haben es gar nicht mit uns trot­te­li­gen und links-​grünversifften Gutmenschen.

Vielen von denen ist es nicht unrecht, wenn mög­lichst vie­le Flüchtlinge schon auf dem Meer ster­ben. So betre­ten sie deut­schen Boden erst gar nicht. Für die, die sich über die­se Bemerkung jetzt auf­re­gen: Ich lese Google+- und Facebook-​Kommentare. Da steht das drin.

Aber im Hass gegen die EU herrscht ja doch noch so etwas wie eine deut­sche Einigkeit, die einem wie­der­um aus ganz ande­ren Gründen die Angst in die Glieder fah­ren las­sen könnte.

Sicher wer­den sich jetzt schon wie­der ein paar Leute auf den Schlips getre­ten füh­len. Weil ich wie­der so unge­niert pau­scha­lie­re. Pauschal Beschuldigungen las­sen schlech­te Laune ent­ste­hen. Ich weiß das, weil mir das sogar jetzt, beim Schreiben pas­siert. Allerdings glau­be ich, dass es gut ist für mich, die Dinge, die mich quä­len und die ich mit mir her­um­schlep­pe, hier raus­zu­las­sen. Wofür habe ich schließ­lich einen Blog?

Ich habe das Gefühl, dass es viel zu vie­len in unse­rem Land ganz recht ist, wie pas­siv abwar­tend sich unse­re Regierung in die­ser Frage verhält.

Ich ver­wei­se in die­sem Zusammenhang auf Innenminister Thomas de Maizière, der Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge mit dem „Argument” ablehnt, dass eine EU-​Seenotrettung des­halb kon­tra­pro­duk­tiv wäre, weil dies nur den Schlepperbanden in die Hände spie­len wür­de. Da hat Prantl wie­der Recht. Das ist ein ganz schlim­mer Zynismus, den ich ehr­lich gesagt bei einem Mann wie de Maiziére nicht erwar­tet hätte.

Ich erin­ne­re mich noch sehr gut, wie nach der letz­ten Katastrophe im Oktober 2013, bei der auch fast 400 Menschen vor Lampedusa ertrun­ken sind, so vie­le Leute wach­ge­rüt­telt schie­nen. Der mög­li­che neue Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, war einer von ihnen.

Ausschnitt der Rede von Martin Schulz:

Sehr geehr­te Damen und Herren, wir haben uns heu­te auf Lampedusa ver­sam­melt, damit nicht noch mehr Menschen ihr Leben ver­lie­ren. Aber unse­re Verantwortung geht noch wei­ter. Wir sind auch den Überlebenden gegen­über ver­ant­wort­lich. 155 Menschen haben letz­tes Jahr die Tragödie von Lampedusa über­lebt. Aber nie­mand spricht über sie. Gestern habe ich eini­ge von ihnen getrof­fen. Ihre schreck­li­che Erfahrung hat mich sehr bewegt, und ich habe ihnen ver­si­chert, wie sehr wir uns geschämt haben und uns immer noch schä­men. Die meis­ten die­ser 155 Überlebenden – fast alle Flüchtlinge aus Eritrea, die ihr Heimatland aus ähn­li­chen Gründen ver­las­sen haben – sind jetzt über ganz Europa ver­streut. Einigen von ihnen wur­de Asyl gewährt. Manchen wur­de gestat­tet, aus huma­ni­tä­ren Gründen vor­erst zu blei­ben. Wieder ande­re wur­den abge­scho­ben. In vie­len Fällen war es rei­ne Glückssache, was mit den Flüchtlingen schluss­end­lich pas­sier­te. Aber wir kön­nen doch den Status und die Rechte Einzelner nicht dem Glück über­las­sen. Oder schlim­mer noch: wie­der Schleusern. Das ist absurd. Das ist nicht mensch­lich. Wir müs­sen ganz klar eine Möglichkeit fin­den, Flüchtlinge fair, anstän­dig und gleich­be­rech­tigt zu behan­deln, und zwar unab­hän­gig davon, wo es sie in Europa hin ver­schlägt. Es ist von aller­größ­ter Bedeutung, dass wir in der gesam­ten Union die glei­chen Verfahrensgarantien haben. LINK
LAMPEDUSA, 3. Oktober 2014 – Rede von Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments – President des Europäischen Parlaments Martin Schulz

Alles vor­bei, wie­der mal ver­pufft. War ja auch eine Feiertagsrede…

Heute, zu Zeiten der Pegida, nach Tröglitz und vie­len ande­ren brau­nen Attentaten in der Republik gilt es für die eta­blier­te Politik, Vorsicht wal­ten zu las­sen. Man könn­te viel­leicht (rech­te) Wähler ver­prel­len. Vielleicht weiß man gera­de noch nicht so genau, wie man sich auf das zah­len­mä­ßig stark anwach­sen­de deutsch­na­tio­na­le Spektrum reagie­ren soll. Ich kann mir das Verhalten unse­rer Politiker nicht anders erklären.

Am Ende tei­len sie die Sorge um Deutschland mit genau die­sen Heuchlern. Und schließ­lich sol­len in die­sem Jahr ja auch so noch ein­mal 600.000 Flüchtlinge bei uns ankom­men. Angeblich geht es dem deut­schen Staat (das sind wir!) so gut wie nie. Aber sol­che Aufgaben kön­nen wir nicht meis­tern. Das über­for­dert uns – aber sowas von total! Was das wohl wer­den wür­de, wenn es uns ähn­lich schlecht gin­ge wie den Griechen?

Das ist kei­ne ver­ant­wor­tungs­vol­le Politik! Deutschland spielt den Frontmann in der EU, wenn es um wirt­schafts­po­li­ti­sche Fragen geht. Aber wenn wir in ganz ele­men­ta­ren mensch­li­chen Fragen Stellung bezie­hen soll­ten, ver­sa­gen unse­re Politiker gran­di­os. Dafür schä­me ich mich!

Hoffentlich lie­ge ich falsch, wenn ich ver­mu­te, dass die „Zurückhaltung” der Politik auf dem Verdacht beruht, dass es genau die­se Zurückhaltung ist, die die deut­sche Bevölkerung von ihrer Regierung erwar­tet. Die Toten im Mittelmeer sind stumm. Wo kein Kläger, da kein Richter.

Der kon­se­quent nächs­te Schritt könn­te dar­in bestehen, dass, wie Anfang der 90er Jahre, das Asylrecht noch ein­mal ver­schärft wird. Geht das überhaupt?

So vie­le auf­rech­te Bürger äußern schließ­lich ihre Sorgen, es treibt sie sogar auf die Straße. Jetzt hät­ten sie freie Bahn. Nicht mal mehr der Grass ist noch da, der dage­gen pro­tes­tie­ren wür­de. Andererseits… damals hat das auch kei­nen interessiert.

Ich habe ja jetzt Zeit. Ich schrei­be Anfang der Woche einen Brief an Martin Schulz und an Jean-​Claude Juncker. Wer Ideen für Fragen an die bei­den Politiker hat, kann die­se ein­fach in den Kommentaren hin­ter­las­sen. Ich ver­su­che, sie in mei­nem Brief zu verarbeiten. 


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