Intelligente Fragen machen die Qualität eines Interviews aus. Wenn Kurt Beck also für „Zeit Online“ gefragt wird: „Schafft es Malu Dreyer, Ministerpräsidentin zu bleiben?“ Was, bitteschön sollte Kurt Beck auf diese Frage zwei Tage vor den Wahlen antworten?
Ich habe das Interview trotzdem zu Ende gelesen. Allein der Titel hat mich angespornt. Ich wollte lesen, wie nahe Beck gedanklich an meiner eigenen Verteuflung des Zustandes unserer Demokratie liegt. Es war von Hass und dem Ende der Weimarer Republik die Rede.
Obwohl er so argumentierte, unterstützt er Malu Dreyers Standpunkt hinsichtlich TV-Diskussion mit AfD-Vertretern:
Vor seinem Deutschlandfahnen-Auftritt bei Günter Jauch kannte den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke kaum jemand. Obwohl er in der Sendung nicht unkritisch behandelt wurde, war es nichts anderes als eine Präsentationsplattform für rechtsextreme Inhalte im Gewand eines angeblich besorgten Bürgers.Quelle: Kurt Beck: „Der Hass erinnert an die späte Weimarer Republik“ | ZEIT ONLINE | LINK
Man mag das so sehen aber ist an dieser Sprachlosigkeit von Demokraten die Weimarer Republik nicht auch zerbrochen? Sollten wir 71 Jahre nach dem Dritten Reich nicht so gefestigt in unseren demokratischen Grundüberzeugungen sein, dass uns ein paar radikale Ansichten nichts anhaben können? Die Beteiligung von AfD-Leuten an verschiedenen Talkshows hat mich nachdenklich gemacht.
Nicht, dass sie bei diesen Gelegenheiten überzeugend argumentiert hätten, die grünen und linken Mitdiskutanten hatten, was ich mir bis heute nicht erklären kann, keine überzeugenden Beiträge zu bieten in diesen Diskussionen.
Beck setzt sich für ein „messerscharfes“ Interview mit gleich mehreren Journalisten ein, bei dem allerdings nur der Spitzenkandidat einer Partei vertreten sein soll. Es erschließt sich mir nicht, welchen Mehrheit diese Praxis für die Zuschauer bringen sollte. Wenn Beck damit argumentiert, dass „im Zweifel der Diskutant mit den radikalsten Thesen in Erinnerung bleibt“ kann ich das schon nachvollziehen. Aber letztlich ist dieses Zurückweichen vor einer direkten Konfrontation mit „radikalen Thesen“ ein Zeichen von Schwäche, auf das Demokratiefeinde doch nur warten.
Auf die Haltung der SPD in der Flüchtlingskrise angesprochen, antwortet Kurt Beck:
Wir müssen beispielsweise für die Menschen, die zu uns flüchten, genauso wie für die Leute, die schon hier wohnen, bezahlbaren Wohnraum schaffen.Quelle: Kurt Beck: „Die Ängste sind nicht per se ausländerfeindlich oder irrational“ | ZEIT ONLINE | LINK
Er hält also zu Sigmar Gabriel, der sich mit seinem jüngsten Vorschlag viel Kritik eingehandelt hatte. Er nennt allerdings ein sehr schlechtes, nein ein falsches Beispiel. Das Wohnungsbauprogramm, das längst von der Regierung beschlossen wurde und das mehrere hundert Millionen Euro schwer ist, wurde nicht für Flüchtlinge, sondern für die gesamte Bevölkerung aufgelegt. Solche Fehler in der eigenen Argumentation, insbesondere bei einem so wichtigen Thema, dürfen einem Profi wie Beck nicht passieren!
Beck legt im Lauf des Interviews sogar noch einen drauf:
Wenn mehr Menschen da sind, verstärkt sich in den Städten der Konkurrenzkampf um bezahlbare Wohnungen. Und da lautet die sozialdemokratische Antwort: Investieren in den sozialen Wohnungsbau.Quelle: Kurt Beck: „Die Ängste sind nicht per se ausländerfeindlich oder irrational“ | ZEIT ONLINE | LINK
Wieder knapp daneben. Diese Antwort wurde längst gegeben. Nicht von allein von der SPD, sondern die Regierung hat dazu Beschlüsse gefasst und zwar schon vor Monaten!
Immerhin hat Beck einen wichtigen Aspekt für die schlechte Ausgangslage der SPD deutlich ausgesprochen:
Dazu kommt, dass die SPD immer noch emotional aufzuarbeiten hat, was ihr im Zuge der Agenda-Politik von Gerhard Schröder weggebrochen ist. Das war zwar in großen Teilen richtig, hat aber auch Leute verletzt. Das wäre vermeidbar gewesen.Quelle: Kurt Beck: „Die Ängste sind nicht per se ausländerfeindlich oder irrational“ | ZEIT ONLINE | LINK
In der Tat halte ich das für die entscheidende Ursache für den bescheidenen Status quo der Partei. Das in der Spitze der SPD tätige Personal war in die Machenschaften der Schröder – Agende direkt involviert. Von diesen Leuten kann man eine Kurskorrektur nicht erwarten. Bis andere Kräfte das Sagen haben wird es noch Zeit brauchen. Die hat die SPD nur leider nicht mehr.
Auf Becks Ausführungen hinsichtlich der im „Zeit Online“-Teaser gemachten Aussage „Warum er die Demokratie für bedroht und Talkshows mit der AfD für unsinnig hält.“ wartet man hinsichtlich des ersten Teils vergebens. Diese Sätze kann ich jedenfalls nicht mit „Zeit“-Ankündigung in Übereinstimmung bringen:
Wir haben alle noch nicht gelernt, dass wir unsere Demokratie heute offensiver verteidigen müssen als noch vor einem Jahr. Gefährlich ist die bis weit ins bürgerliche Lage verbreitete Auffassung, AfD und Pegida zeigten es denen da oben mal, aber wirklich groß würden die schon nicht.Quelle: Kurt Beck: „Der Hass erinnert an die späte Weimarer Republik“ | ZEIT ONLINE | LINK
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