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Die Suche nach den Schuldigen bringt uns nicht voran

Wer von uns kann beur­tei­len, ob Ceta oder TTIPP gut oder schlecht für uns ist? Wahrscheinlich die Wenigsten? Die wis­sen ein biss­chen. Die Kampagnen in Deutschland gegen die Abkommen waren

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Wer von uns kann beur­tei­len, ob Ceta oder TTIPP gut oder schlecht für uns ist? Wahrscheinlich die Wenigsten? Die wis­sen ein biss­chen. Die Kampagnen in Deutschland gegen die Abkommen waren sehr erfolg­reich. Nur—waren die Kampagnen inhalt­lich kor­rekt und ist unse­re ein­hel­li­ge Ablehnung auch gebo­ten? So wenig wir wis­sen, so ein­deu­tig sind wir dage­gen. Fast so was wie ein neu­es gesell­schaft­li­ches Phänomen hat sich breit gemacht. Im Januar 2015 stell­te die FAZ lapi­dar fest, wor­in sie den Grund dafür sieht, dass ins­be­son­de­re in Deutschland die Stimmung zu TTIPP so nega­tiv ist. «Aber die Deutschen sind wie­der im Modus der Hysterie und des Pessimismus», schreibt der Autor des Artikels, Klaus-​Dieter Frankenberger. Wenn man die Lage in ande­ren EU-​Ländern betrach­tet, ist die­ser Vorwurf viel­leicht begründet. 

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In vie­len euro­päi­schen Ländern ist die Einstellung zu Ceta posi­tiv. Ob die Haltung der Regierungen in die­sen Fällen iden­tisch mit der der Bevölkerung ist, bleibt aller­dings unklar. Jedenfalls gibt es dazu kei­ne eu-​weiten Daten [sic?]. Im Fall Ceta ist die Meinung der öster­rei­chi­schen und deut­schen Bevölkerung nega­tiv. Etwas mehr als die Hälfte der Menschen sind gegen das Abkommen. Bei TTIPP ist die Haltung ein­deu­tig nega­tiv. Verhindert wird die die Unterzeichnung des Ceta-​Vertrages aller­dings nach der­zei­ti­gem Stand nur durch die Regierung der Wallonen. 3,6 Mio. Wallonen hebeln mit ihrem Veto einen über Jahre ver­han­del­ten Vertrag aus. Es wedelt qua­si der Schwarz mit dem Hund – das Stimmenverhältnis wäre näm­lich 500 : 3,6 Mio. Alle ande­ren der 27 EU-​Länder wür­den den Vertrag unter­zeich­nen. Heute las ich, dass auch die Region Brüssel gegen den Vertrag votie­ren will. Und die Wallonen wol­len hart blei­ben. Obwohl in vie­len TV- und Pressebeiträgen bei­de Vertragsverhandlungen in mei­ner Wahrnehmung sehr kri­tisch beglei­tet wur­den und die Medien inso­fern ihren Anteil an der Meinungsbildung hat­ten, weht von dort im Moment ein kal­ter Wind in Richtung der euro­päi­schen Institutionen. Es klingt mit­un­ter so, als wol­le man die Schuld für ein mög­li­ches Desaster nicht nur der Europäischen Union, son­dern gern auch dem nör­ge­li­gen deut­schen Volk in die Schuhe schie­ben. Und die Österreicher sind in die­ser Beziehung auch drauf wie die Deutschen. https://​you​tu​.be/​L​G​H​y​U​8​F​B​iPc Anstatt die Europäische Union dafür zu loben, dass sie die Entscheidung an die Nationalstaaten zurück­ge­ge­ben hat, wird ange­sichts des wal­lo­ni­schen Aufstandes das Bild einer desas­trö­sen EU gezeich­net. Ein Gespür für die eige­ne Verantwortung zei­gen die Medien auch in die­sem Fall nicht. Die Presse fun­giert nicht bloß als die 4. Macht, sie nimmt – wie so oft – , ihren Teil der Verantwortung für die Situation nicht an. In mei­nen Augen beschreibt Henrik Müller im Spiegel die Gründe für das mög­li­che bevor­ste­hen­de Debakel sehr zutref­fend. Dankenswerterweise zeigt er mög­li­che Lösungsansätze auf, um Europa (das gilt auch für natio­na­le Projekte) aus die­ser Negativentwicklung zu befrei­en. Seine Antwort ist: mehr Bürgerbeteiligung. Nur mit ihrer Hilfe kann in die­sen unru­hi­gen Zeiten wirk­sam gegen den immer mehr zuneh­men­den Vertrauensverlust der Institutionen (nicht nur der euro­päi­schen) gear­bei­tet wer­den. Wie dies auch bei die­ser hoch kom­pli­zier­ten Materie gelin­gen könn­te, beschreibt Müller:
Bevor wir wie­der natio­na­le Zugbrücken hoch­zie­hen, lohnt es sich, neue Formen der Demokratie aus­zu­pro­bie­ren. Es geht dar­um, die Globalisierung zu demo­kra­ti­sie­ren. Bürgerbeteiligung kann ganz anders aus­se­hen, als das im klas­si­schen par­la­men­ta­ri­schen System der Fall ist. So schlägt der bel­gi­sche Historiker David Van Reybrouck vor, Bürgerausschüsse ein­zu­rich­ten, bestehend aus einer reprä­sen­ta­ti­ven Gruppe von Menschen, die per Losverfahren bestimmt wer­den. Ganz nor­ma­le Leute, die eine Zeitlang dafür bezahlt wer­den, sich in ein kom­ple­xes Sachproblem ein­zu­ar­bei­ten und sich auf eine ver­nünf­ti­ge Lösung zu eini­gen. Und die nicht dem belieb­ten Vorwurf aus­ge­setzt sind, einer abge­ho­be­nen Elite anzu­ge­hö­ren. Solche – idea­ler­wei­se inter­na­tio­nal besetz­ten – Bürgerausschüsse könn­ten künf­tig Expertengremien zur Seite ste­hen, wie jenen, die Ceta oder TTIP ver­han­deln. Sie wür­den zusätz­li­che Legitimität in den Prozess brin­gen, könn­ten die Interessen von aller­lei Lobbyisten zurück­drän­gen und womög­lich bes­se­re Ergebnisse erzie­len, als bis­lang mög­lich ist.Quelle: Ceta und TTIP: Bürger soll­ten an Verhandlungen betei­ligt wer­den – SPIEGEL ONLINE | LINK
Es bringt wenig, jetzt dar­über zu lamen­tie­ren, wer die Schuld an der Entwicklung trägt und wie gefähr­lich die Wirkungen (rech­ter Populismus, Nationalismus) für die Europäische Union bzw. Europa sind: Es ist höchs­te Zeit, Reformen in der EU in Angriff zu neh­men und sie auch zügig umzusetzen.

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