Der frühe Vogel fängt den Wurm? Oder doch bloß den frühen Wurm?

Mei­ne Mut­ter hat­te einen beson­de­ren „Weck­ruf“, dem ich alll­wo­chen­täg­lich nicht ent­ge­hen konn­te. Der ging so: «Horst! Die Zeit ist um». Ich weiß nicht, ob es die­ser kur­ze Satz war, der mir so gut wie jeden Tag die ers­te Stun­de des Tages ver­mies­te. Klar war, ich moch­te die­se Mor­gen nicht, vor allem nicht im Win­ter, wenn es kalt und dun­kel war. Ich brauch­te immer eine Wei­le, um mich im neu­en Tag zurecht­zu­fin­den. Dar­an hat sich bis heu­te nichts geän­dert. Nur heu­te — heu­te wagt sich kei­ner mehr an mein Bett um mir einen guten Mor­gen zu wün­schen. Frü­her™ war halt doch nicht alles bes­ser! War­um nur fing und fängt die Schu­le immer so früh an? Klar, ein Vor­ge­schmack auf die Welt der Erwach­se­nen. Gelobt sei was hart macht oder so. Die Schu­le ging damals noch von mon­tags bis ein­schließ­lich sams­tags. Sonn­tags war es damals noch üblich, die hei­li­ge Mes­se zu besu­chen. Und zwar die um… 

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Meine Mut­ter hat­te einen beson­de­ren „Weck­ruf“, dem ich alll­wo­chen­täg­lich nicht ent­ge­hen konn­te. Der ging so: «Horst! Die Zeit ist um». Ich weiß nicht, ob es die­ser kur­ze Satz war, der mir so gut wie jeden Tag die ers­te Stun­de des Tages ver­mies­te. Klar war, ich moch­te die­se Mor­gen nicht, vor allem nicht im Win­ter, wenn es kalt und dun­kel war. Ich brauch­te immer eine Wei­le, um mich im neu­en Tag zurechtzufinden.

Dar­an hat sich bis heu­te nichts geän­dert. Nur heu­te — heu­te wagt sich kei­ner mehr an mein Bett um mir einen guten Mor­gen zu wün­schen. Frü­her™ war halt doch nicht alles besser!

War­um nur fing und fängt die Schu­le immer so früh an? Klar, ein Vor­ge­schmack auf die Welt der Erwach­se­nen. Gelobt sei was hart macht oder so.

Die Schu­le ging damals noch von mon­tags bis ein­schließ­lich sams­tags. Sonn­tags war es damals noch üblich, die hei­li­ge Mes­se zu besu­chen. Und zwar die um 9:00 Uhr, nicht die um 10:00 Uhr. Aber immer­hin, sonn­tags konn­te ich eine Stun­de län­ger schla­fen. Müde war ich trotzdem.

Man(n) trug Nacht­hemd in den 50er Jahren? 

Mei­ne Eltern waren, was unse­re Kir­chen­be­su­che anging, nur manch­mal gute Vor­bil­der. Mein Vater war beruf­lich unab­kömm­lich (ja, auch sonn­tags!), was ihn aber nicht dahin hin­der­te, sich sei­nen sonn­täg­li­chen Früh­schop­pen zu geneh­mi­gen. Mei­ne Mut­ter ent­schul­dig­te sich damit, dass sie sich ums Mit­tag­essen küm­mern müs­se. Aller­dings beglei­te­te sie mei­ne Schwes­ter und mich eini­ger­ma­ßen regel­mä­ßig in die Kirche.

So genoss ich die Schul­fe­ri­en also vor allem des­halb, weil ich (bis auf den Sonn­tag) immer(!) aus­schla­fen konn­te. Umso schlim­mer war es, wenn die­se aus waren und der All­tags­trott wie­der ein­kehr­te, ich also um 7:00 Uhr nachts auf­ste­hen musste.

Ich ver­mu­te, bei mei­ner Berufs­wahl hat das frü­he, evtl. noch frü­he­re Auf­ste­hen eine nicht unwich­ti­ge Rol­le gespielt. Ich war schon damals sicher: aus mir wür­de nie ein Früh­auf­ste­her werden!

Ende der 1970er Jah­re habe ich mal für einen neu­en Job ein Betriebs­prak­ti­kum gemacht. Wäh­rend der 3 Mona­te muss­te ich mor­gens um 4:30 Uhr raus, um pünkt­lich um 6:00 Uhr auf der Arbeit zu sein. Das Grau­en! Ich fühl­te mich stän­dig über­mü­det, obwohl ich frü­her als sonst schla­fen gegan­gen war. Ich hat­te damals noch kein Auto und muss­te zu allem Über­fluss auch noch mit dem Lini­en­bus fah­ren. Super.

Der Weg zur Arbeit braucht Zeit

Davor hat­te ich andert­halb Jah­re in Fre­chen gear­bei­tet. Dort gab es schon Gleit­zeit. Ich war immer gegen 8:00 Uhr da. Um 6:00 Uhr muss­te ich raus, damit ich wegen der umständ­li­chen Bus­fahrt und dem zudem not­wen­di­gen zir­ka 3 kilo­me­ter­lan­gen Fuß­marsch nicht zu spät auf­schlug. Knapp war’s trotz­dem oft genug.

Am bes­ten hat­te ich es wäh­rend mei­ner Leh­re. Auch dafür muss­te ich zwar um 7:00 Uhr auf­ste­hen. Aber ich konn­te mit­tags immer zu Hau­se essen. Ein Pri­vi­leg, des­sen Wert mir damals noch über­haupt nicht bewusst war. In den spä­te­ren Jahr­zehn­ten mei­ner beruf­li­chen Tätig­kei­ten war das nie wie­der mög­lich. So habe ich mei­ne Gewohn­hei­ten im Lauf der Zeit geän­dert. Statt mit­tags zu essen – was gewiss gesün­der ist, haben mei­ne Frau und ich uns es uns vor Jahr­zehn­ten ange­wöhnt, am Abend gemein­sam zu essen. Das war viel gemüt­li­cher bzw. ein­fach nicht so hek­tisch wie bei­spiels­wei­se in einer Kan­ti­ne. Das Essen war sowie­so bes­ser. Mei­ne Figur ist die­ser Wech­sel der Gewohn­heit nicht so zustat­ten gekommen. 🙂


Du Langschläfer

Ich muss mich also ein­deu­tig den Lang­schlä­fern hin­zu­rech­nen. Bin ich des­halb ein schlech­ter Mensch? Ein Faul­tier, einer der nicht mal auf­steht und gleich gucken geht, was der Brief­trä­ger um 8:30 Uhr bringt?

Mei­ne Frau steht grund­sätz­lich vor mir auf. Schon immer. Sie braucht halt weni­ger Schlaf? Das nicht, sie schläft halt frü­her ein – am Abend. Kennt ihr das? Der span­nends­te Kri­mi kann sie nur aus­nahms­wei­se mal davon abhal­ten, ihren Schön­heits­schlaf zu begin­nen. Gut, war­um nicht? Bei ihr wirkt es wenigs­tens. Außer­dem: war­um soll­te es mich stö­ren, wenn das Früh­stück schon fer­tig ist, wenn ich mich aus dem Bett schä­le? Das ist wah­rer Genuss, sag ich euch.

Ein Nacht­mensch war ich wäh­rend mei­ner Erwach­se­nen­zeit auch schon immer. Meis­tens ging ich nicht vor 1:00 Uhr schla­fen. Heu­te habe ich kei­nen Druck im Nacken und steht des­halb so gut wie nie vor 1/​2 10 Uhr mor­gens auf. Da sind ande­re schon müde gear­bei­tet! Nee, ich hab’ kein schlech­tes Gewis­sen. Nee, kei­ne Spur. Das gön­ne ich mir. Es ist so wunderbar.

Und wenn die Stra­ßen bald ver­schneit und glatt sind, dann denk ich mal an euch, wenn ich mich um 7:00 Uhr mor­gens noch­mal rum­dre­he — schön, kusche­lig in mei­nem Daunenplümo.

Für wenige Dinge lohnt es sich schon, früh aufzustehen

Ein alter Freund von mir wird für sowas wenig Ver­ständ­nis haben. Er ist schon in aller Herr­gotts­frü­he unter­wegs, um Fotos zu schie­ßen. Sei­ne Aus­beu­te ist aller Rede wert. Sol­che Fotos kann man wahr­schein­lich nur um die­se Zeit her­um machen. Das Licht ist ganz beson­ders. Blöd, dass ich es so gar nicht zu genie­ßen verstehe. 🙂

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[symple_​spacing size=„30“]Mancher wird viel­leicht fra­gen, ob das nicht der Struk­tur des Tages Abbruch tut. So ein­fach in den Tag hin­ein­le­ben, das ist doch nicht für jeden was. Das wird wohl stim­men. Ich spre­che ja nur für mich.

Mein Paten­on­kel hat viel zu früh durch Krank­heit sei­ne Frau ver­lo­ren. Er hat des­halb (nach sei­ner Pen­sio­nie­rung) lan­ge Zeit allein gelebt. Er hat damals die Nacht zum Tag gemacht und umge­kehrt. Manch­mal wirkt es auf mich so, als habe er sich auf­ge­ge­ben. Die Fami­lie mach­te sich Sor­gen um ihn. Irgend­wann, er war schon um die 70 Jah­re alt, ist er mit sei­nem Audi 80 in die Eifel gefah­ren. Spä­ter erfuh­ren wir, dass er dort nach einer „alten“ Freun­din suchen woll­te. Er wuss­te nicht ein­mal, ob sie noch leb­te und ob sie noch in dem Ort wohn­te, in dem sie frü­her gelebt hat­te. Was soll ich sagen? Er hat sie gefun­den. Sie war inzwi­schen Witwe.

Die bei­den haben gehei­ra­tet und ab die­sem Zeit­punkt war’s für ihn aus dem »Lot­ter­le­ben«. Die bei­den haben gehei­ra­tet und noch vie­le schö­ne Jah­re zusam­men ver­bracht. Er hat einen nor­ma­len Schlaf­rhyth­mus wie­der­ge­fun­den. So wie ich. 😆

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.
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4 Gedanken zu „Der frühe Vogel fängt den Wurm? Oder doch bloß den frühen Wurm?“

  1. Ich war eigent­lich immer Früh­auf­ste­her und bin es auch heu­te noch. Schul­zeit war bei mir ab 7:55 Uhr (1. Stun­de). Sams­tags aber gab’s bei mir nur gele­gent­lich in der Mit­tel­stu­fe AG-Unter­richt (z.B. Phy­sik in der Hoechst AG). Dann Zivil­dienst, Früh­auf­ste­hen. Dann Uni, Spät­auf­ste­hen, meis­tens jeden­falls. Dafür aber bis in die Näch­te hin­ein über Büchern sit­zend oder dis­ku­tie­rend mit Kom­mi­li­to­nen. Dann das (eher unste­te) Arbeits­le­ben mit ver­schie­dens­ten Auf­steh­zei­ten. Seit rund acht Jah­ren beginnt mein Arbeits­tag um 5:45 Uhr, 8 Stun­den. Ich ste­he kurz vor 4:00 auf und muss immer noch sagen, dass mir das Spaß macht: Ich mag ein­fach die­se frü­hen Mor­gen­stun­den, wo selbst in Frank­furt noch völ­li­ge Ruhe herrscht.

    Den Wurm fan­ge ich aber dann doch erst am mitt­le­ren Nach­mit­tag, auf dem Heim­weg beim geruh­sa­men Einkaufen 🙂

  2. Hans 6 4. November 2016 um 19:55

    Hal­lo Horst,
    bis zum Ein­stieg in den Beruf war ich ein Früh­auf­ste­her und das ger­ne. Ich hab nen Kum­pel, der damals bis Mit­tags pen­nen konn­te. Ich hab da schon immer gesagt, Du ver­passt doch vie­les, wenn Du so lan­ge schläfst.

    Ich hab sogar Sonn­tags immer das Früh­stück für alle vor­be­rei­tet, weil der Rest der Fami­lie län­ger schlief. Durch mei­nen Beruf, in dem ich Schich­ten hat­te, hat sich die Schlaf­ge­wohn­heit sehr geän­dert. Nach einer Spät­schicht (bis 23:30) konn­te ich ja nicht gleich ins Bett.

    Mitt­ler­wei­le hab ich einen ganz guten Rhyth­mus gefun­den. Ten­den­zi­ell zäh­le ich mich eher zu den Nachteulen.

  3. Horst Schulte 2981 5. November 2016 um 12:07

    Seit 8 Jah­ren! Don­ner­wet­ter. Das sind ja fast die Zei­ten, zu denen man Brot backt. 🙂 Ehr­lich gesagt bewun­de­re ich die Leu­te, die mor­gen­tli­che Anlauf­pro­ble­me so gar nicht ken­nen. Ich bin heu­te um 9:30 Uhr auf­ge­stan­den. Und das die Son­ne heu­te nicht zu sehen ist, habe ich wenig ver­passt, den­ke ich jeden­falls. Ich fand es ange­nehm, wenn ich diens­tags um 1/​2 6 Uhr nach Nas­sau auf­ge­bro­chen bin. Da hät­te ich manch­mal gern ein paar Fotos gemacht von Wie­sen über denen der Nebel lag durch den die Son­ne etwas her­vor­g­lit­zer­te. Zudem war auf der Auto­bahn noch deut­lich weni­ger los als ein biss­chen spä­ter. Ich habe also eine Idee davon, was du meinst, Boris.

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