Gefühlte Armut in Deutschland

Wenn ich sol­che Bei­trä­ge sehe kom­men mir Zwei­fel. Zwei­fel an mei­ner Objek­ti­vi­tät, an lieb­ge­won­ne­nen Sicht­wei­sen, an den Medi­en und über­haupt an den Men­schen. Die Arbeits­lo­sig­keit ist ver­hält­nis­mä­ßig gering (las­sen wir die sich an die­se Fest­stel­lung grund­sätz­lich anschlie­ßen­den Aus­sa­gen mal bei­sei­te, dass die Sta­tis­tik falsch wäre, weil ja…), wir haben 43 Mil­lio­nen Erwerbs­tä­ti­ge und die Löh­ne befin­den sich auf einem akzep­ta­blen Niveau (sagen die Arbeit­ge­ber­ver­tre­ter, die Gewerk­schaf­ten mei­nen das eher nicht). Zudem ist die Umver­tei­lung, die die Mit­­te-Links-Regie­rung Deutsch­lands durch­ge­führt hat, nicht von Pap­pe, sagen die einen. Die ande­ren mei­nen, es müss­te viel mehr umver­teilt wer­den. Aber schau­en wir mal auf den Sozi­al­etat, der seit Jahr­zehn­ten wächst – auch nach Ein­füh­rung von Hartz IV. Die Spiel­räu­me für Poli­tik (Struk­tur, Bil­dung) wer­den dadurch nicht gera­de grö­ßer. Vie­le sagen, Deutsch­land gin­ge es gut. Vor allem in der Poli­tik und in der Wirt­schaft. Aber Deutsch­land sind nicht ein paar Wirt­schafts­bos­se oder die füh­ren­den Poli­ti­ker unse­res Lan­des. Deutsch­land ist… 

HS230625

Horst Schulte

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Wenn ich sol­che Bei­trä­ge sehe kom­men mir Zwei­fel. Zwei­fel an mei­ner Objek­ti­vi­tät, an lieb­ge­won­ne­nen Sicht­wei­sen, an den Medi­en und über­haupt an den Menschen.

Die Arbeits­lo­sig­keit ist ver­hält­nis­mä­ßig gering (las­sen wir die sich an die­se Fest­stel­lung grund­sätz­lich anschlie­ßen­den Aus­sa­gen mal bei­sei­te, dass die Sta­tis­tik falsch wäre, weil ja…), wir haben 43 Mil­lio­nen Erwerbs­tä­ti­ge und die Löh­ne befin­den sich auf einem akzep­ta­blen Niveau (sagen die Arbeit­ge­ber­ver­tre­ter, die Gewerk­schaf­ten mei­nen das eher nicht).

Zudem ist die Umver­tei­lung, die die Mit­te-Links-Regie­rung Deutsch­lands durch­ge­führt hat, nicht von Pap­pe, sagen die einen. Die ande­ren mei­nen, es müss­te viel mehr umver­teilt wer­den. Aber schau­en wir mal auf den Sozi­al­etat, der seit Jahr­zehn­ten wächst – auch nach Ein­füh­rung von Hartz IV. Die Spiel­räu­me für Poli­tik (Struk­tur, Bil­dung) wer­den dadurch nicht gera­de größer.

Vie­le sagen, Deutsch­land gin­ge es gut. Vor allem in der Poli­tik und in der Wirt­schaft. Aber Deutsch­land sind nicht ein paar Wirt­schafts­bos­se oder die füh­ren­den Poli­ti­ker unse­res Lan­des. Deutsch­land ist viel­schich­tig. Es gibt eini­ge weni­ge Rei­che, vie­le Arme und noch viel mehr Men­schen, die in finan­zi­el­ler Hin­sicht mit­tel­mä­ßig aus­ge­stat­tet sind.

Damit wären wir auch gleich bei der so genann­ten Mittelschicht.

Krieg der Institute (das W macht offenbar den Unterschied)

Das DIW sagt seit Jah­ren, die Mit­tel­schicht in Deutsch­land wür­de schrump­fen. (In der Repor­ta­ge – sie­he Video – behaup­tet Prof. Dr. Fratz­scher das erneut). Das IW mit Prof. Hüt­her sagt – eben­falls seit Jah­ren – das genaue Gegen­teil davon. Die Mit­tel­schicht sei (bemer­kens­wert) sta­bil, und es gäbe kei­ne Anzei­chen dafür, dass sich die Lage verschlechtert.

Wir dür­fen uns also aus­su­chen, wor­an wir glau­ben. Inter­es­sant ist übri­gens, dass das DIW im letz­ten Jahr sei­ner­seits fest­stell­te, dass die Mit­tel­schicht in den USA sich ähn­lich ent­wi­ckelt wie die Deut­sche und zwar in etwa gleich schnell. Haben wir nicht gera­de gelernt, dass es der Mit­tel­schicht in den USA so schlech­te gehe, dass dies als Haupt­ur­sa­che für den Auf­stieg des unsäg­li­chen Herrn Trump war? Da könn­te uns ja was bevorstehen.

Was soll man glauben?

Nahe­lie­gend ist, dass man sich, um sich ein Bild zu machen, an der eige­nen Fami­lie ori­en­tiert und an Freun­den. Und sie­he da. Auch hier ist der Ein­druck gespal­ten. Es gibt Men­schen, die zufrie­den sind und opti­mis­tisch in die Zukunft schau­en. Ich erin­ne­re an die Umfra­gen, die besa­gen, dass eine Mehr­heit in Deutsch­land mit ihrer per­sön­li­chen und beruf­li­chen Situa­ti­on sehr zufrie­den sind. Und das gibt es wel­che, die sehr skep­tisch sind und ihre eige­ne Lage gar nicht so posi­tiv beschreiben.

Das Fernsehen bringt Klarheit?

Fol­ge­rich­tig kommt das ZDF um die Ecke und bringt im Vor­feld des Super­wahl­jah­res 2017 Repor­ta­gen über die „Armut in Deutschland“.

Und was krie­gen wir da zu sehen? Mit­un­ter schlim­me Schick­sa­le von Men­schen, die einem wirk­lich zu Her­zen gehen. Am Ende sol­cher Reports hat man einen Klos im Hals und denkt sich viel­leicht manch­mal: Hab ich ein Glück, das mir das bis­her nicht pas­siert ist. Auf das Wört­chen „bis­her“ kommt es an.

Ist es ver­nünf­tig, sich mit dem Gedan­ken ver­rückt zu machen, dass man ange­sichts der durch vie­ler­lei Quel­len der Unord­nung ein­ge­tre­te­nen Unsi­cher­heit, die jeder von uns in der einen oder ande­ren Wei­se spü­ren wird, stän­dig Sor­gen um die Zukunft zu machen? Um die eige­ne, die unse­rer Kin­der oder Enkel­kin­der? Kann man so leben oder zer­stö­ren wir uns damit nicht die Freu­de am Leben?

[symple_​box color=„white“ fade_in=„false“ float=„center“ text_align=„left“ width=„“]Ich glau­be, die meis­ten wer­den zustim­men und lie­ber der alten Weis­heit „Car­pe diem“ (Genie­ße den Tag, genau­er „Pflü­cke den Tag“) nach­fol­gen. [/​symple_​box]

Manch­mal zeigt das Fern­se­hen Repor­ta­gen, bei denen ich tief durch­at­men muss. Ich sage euch auch war­um das in die­sem Fall so gewe­sen ist.

Bei­de hier vor­ge­stell­te Fami­li­en ver­fü­gen über ein Net­to­ein­kom­men, das sich sehen las­sen kann. Vie­le wer­den mir bei­pflich­ten. Eine Fami­lie hat 3000, die ande­re 4000 Euro monat­lich net­to zur Verfügung.

Dar­über kann man viel­leicht unter­schied­li­cher Mei­nung sein. Es läuft am Ende immer auf die eige­nen Ansprü­che hin­aus, auf die Erwar­tungs­hal­tung, die man an sein Leben und sei­ne Mög­lich­kei­ten hat.

Eine sechs­köp­fi­ge Fami­lie zu unter­hal­ten ist auch finan­zi­ell ein recht schwie­ri­ges Unter­fan­gen. Mit einem Net­to­ein­kom­men von ca. 3000 Euro (inkl. 800 Euro Kin­der­geld) soll­te sich aber ein gutes Leben füh­ren lassen.

Wie gesagt, man mag das anders sehen als ich. Wenn man sich aber – wie in die­sem Fall – einer­seits ein Haus kauft und allein des­sen Unter­halt monat­lich 1.500 Euro kos­tet, hat man in mei­nen Augen den Grund­stein für ein Finanz­pro­blem schon gelegt.

Die Fami­lie lebt auf dem Land, und es soll­te sich dort eine aus­rei­chend gro­ße Woh­nung fin­den las­sen, die eben deut­lich bil­li­ger wäre. Auch, wenn es im Moment vor­nehm­lich im groß­städ­ti­schen Bereich auf dem Woh­nungs­markt nicht so gut aus­sieht. Auf dem Land (Nie­der­sach­sen?) wird es ein­fa­cher sein, etwas Adäqua­tes zu finden.

Außer­dem geht die Frau im Moment nicht arbei­ten, weil sie sich um das kleins­te ihrer Kin­der küm­mert. Das heißt, der finan­zi­el­le Eng­pass dürf­te zeit­lich befris­tet sein. Mit einem Jahr gibt es die Mög­lich­keit, das Kind in die Kita zu geben. Mei­ne Nich­te hat das so gemacht, weil sie nicht solan­ge aus dem Beruf aus­stei­gen woll­te. Das ist sicher nicht schön, und man kann das selbst­ver­ständ­lich anders ent­schei­den. Aber dann gilt es, sich ein­zu­schrän­ken. Ist mei­ne Den­ke falsch?

Auch wenn das für man­che viel­leicht komisch klin­gen mag, mir gefällt an die­ser Fami­lie nicht, mit wel­cher Anspruchs­hal­tung die eige­ne, selbst­ge­wähl­te Lage beklagt wird. So nach dem Mot­to: Der Staat müss­te mehr für uns tun.

Per­sön­lich wün­sche ich die­ser Fami­lie durch­aus, dass sie mehr Unter­stüt­zung durch Kin­der­geld oder durch Steu­er­erleich­te­run­gen und Sen­kung von Sozi­al­aus­ga­ben erhal­ten würde.

Aber dar­aus einen Fall zum The­ma Nie­der­gang der Mit­tel­schicht zu machen ist schon etwas eigen­ar­tig, lie­bes ZDF.

Zweite Familie – Eltern beide mit Dr.-Titel

Bei der zwei­ten Fami­lie mit zwei Kin­dern ging die Kla­ge dar­um, dass zwar bei­de Eltern über eine Pro­mo­ti­on, jedoch nur einer über eine unbe­fris­te­te Arbeit ver­fügt. Der Mann ist als Dok­tor der Infor­ma­tik selb­stän­dig, die Frau, eben­falls mit Dok­tor­ti­tel, arbei­te­te in den ver­gan­gen Jah­ren stets in befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­sen an Unis.

Sie ver­fü­gen aktu­ell über ein Ein­kom­men von net­to 4.000 Euro monat­lich. Die Unsi­cher­heit lag in die­sem Fall in der zeit­li­chen Befris­tung der Arbeits­stel­len. Das kann wohl auch jeder nach­voll­zie­hen, und hier soll­te der Gesetz­ge­ber end­lich mal zu ande­ren, arbeit­neh­mer­freund­li­che­ren Regeln kommen.

Fazit

Mein Fazit zu die­ser Repor­ta­ge ist, dass die hier gezeig­ten Bei­spie­le nicht das gezeigt haben, was ich per­sön­lich unter dem Titel „Armes rei­ches Deutsch­land“ erwar­tet hatte.

Um es ganz klar zu sagen, die­se Men­schen sind nicht arm. Jeden­falls nicht nach mei­ner per­sön­li­chen Vorstellung.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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