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Das war peinlich

Kein Argument ließ er gel­ten. Es schien, als hät­te er sein Wort schon der nächst­hö­he­ren Instanz im Vorstand gegeben.

Diese Produktionsreihe soll­te in die Fabrik in Ost-​Europa ver­la­gert wer­den. Etwa ein Dutzend Männer wür­den ihren Job ver­lie­ren. Und das, obwohl nach­ge­wie­se­ner­ma­ßen logis­ti­sche Mehrkosten die gewünsch­ten Lohneinsparungen auf­ge­zehrt hätten.

Die Teilnehmer der Besprechung ver­ein­bar­ten Stillschweigen. Die Entscheidung war hier­mit getrof­fen, bis zur Umsetzung soll­te jedoch noch ein hal­bes Jahr vergehen.

Ich war nicht der ein­zi­ge, der die Entscheidung falsch fand. Dabei hat­te ich ego­is­ti­scher­wei­se auch im Hinterkopf, dass wei­te­re Produktionsreihen nach einer erfolg­rei­chen Verlagerungen eben­falls nach Ost-​Europa ver­la­gert wer­den könn­ten. Der Standort ins­ge­samt stand in die­sem Fall end­gül­tig zur Disposition. Diese Sorge war begrün­det, wie sich eini­ge Jahre spä­ter her­aus­stel­len würde.

An der Sitzung nah­men zehn, größ­ten­teils erfah­re­ne Manager teil, die für das Unternehmen in unter­schied­li­chen Leitungspositionen arbei­te­ten. Sämtliche vor­ge­tra­ge­nen sach­li­chen und mensch­li­chen Argumente ver­puff­ten. Ober sticht unter. Ein Vorstand war aus­rei­chend. In der die­sem Mann eige­nen Art und Weise feg­te er sämt­li­che Argumente ener­gisch vom Tisch. Daten und Fakten waren nicht erwünscht. Die Agenda die­ses Herrn hat­te Vorrang.

Es waren Wochen ver­gan­gen und die Planungen waren angelaufen.

Die Betroffenen ahn­ten nicht, dass sie bald ihre Arbeitsstelle ver­lie­ren würden.


Eines Tages ging ich mit ein paar Kollegen (Teilnehmer der besag­ten Sitzung) zum Mittagessen in die Kantine. Die Pause war schon fast vor­über. Wie immer führ­ten wir ange­reg­te Gespräche über fir­men­in­ter­ne Tagesaktualitäten und Privates.

Ich war, wie immer, voll dabei und im Element. Unvermittelt rut­schen mir ein paar Sätze über unse­re „gehei­men Beschlüsse” zur Produktionsverlagerung heraus.

Sie sind mir ein­fach so raus­ge­rutscht. Ein Betriebsrat hielt sich in unmit­tel­ba­rer Nähe unse­res Tisches auf. Ob er das mit­be­kom­men hat­te? Mein Fauxpas war an Peinlichkeit nicht zu über­bie­ten. Ich hät­te mich wie ein Mäuschen in ein Erdloch ver­krie­chen können.

Am Tisch war es still. Einige Kollegen schie­nen die Gesichtsfarbe zu wech­seln. Plötzlich stan­den alle auf und ver­lie­ßen die Kantine. Dieses Gefühl von Peinlichkeit wer­de ich nie vergessen.

Passiert ist nichts. Keiner von denen, die nicht am Tisch saßen, hat­te etwas von dem ver­stan­den, was ich her­aus­ge­pus­tet hat­te. Bisschen spä­ter erhiel­ten die Männer ihre Kündigungen, die Verlagerung erfolg­te prä­zi­se und ohne Störungen. Die kom­plet­te Fertigung wur­de zwei Jahre spä­ter eben­falls verlegt.

Ich habe mir ver­zie­hen, die­sen blö­den Fehler gemacht zu haben.

In mei­ner beruf­li­chen Laufbahn habe ich zum Glück sel­ten die für die meis­ten Manager wohl schwers­te Aufgabe bewäl­ti­gen müs­sen. Einstellungen machen Spaß, Entlassungen sind das schwie­rigs­te über­haupt. Eben auch dann, wenn man „nur” indi­rekt damit zu tun hat. 


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