Die konservative Revolution des Herrn Dobrindt hat mich an eine Debatte erinnert, die nicht lange zurückliegt und die brotlos verlief

HS230625

Horst Schulte

6 Minute/n


Merken

47

Frank Schirr­ma­cher wur­de 2011 für sei­ne angeb­li­che Miss­in­ter­pre­ta­ti­on der Grund­aus­sa­gen von Charles Moo­re im „Dai­ly Tele­graph“ in der deut­schen Pres­se kri­ti­siert. Ich habe mir bei­de Arti­kel noch ein­mal durchgelesen.

Es ist sehr inter­es­sant, wie sich in die­sen weni­gen Jah­ren das Blatt erneut gewen­det hat. Ich mei­ne vor allem die Ein­brü­che vie­ler lin­ker Par­tei­en in Euro­pa, den Brexit und zuletzt sol­che irren Ver­su­che aus CSU-Krei­sen (Dob­rindt ist nicht allein zu Haus) eine völ­lig über­flüs­si­ge Renais­sance des Kon­ser­va­ti­vis­mus her­bei­zu­füh­ren. Letz­te wohl auch nur aus dem einen Grund, der AfD wenigs­tens ein paar Zen­ti­me­ter ihres ideo­lo­gi­schen Grund­was­sers abzugraben.

Die Hoff­nung Moo­res (s. zwei­ter Absatz des Zita­tes) hat sich erfüllt. Die Dumm­heit der Lin­ken hat den Kon­ser­va­ti­vis­mus geret­tet. Ohne jeden Zwei­fel. Die spe­zi­el­len Aus­wir­kun­gen der Flücht­lings­kri­se in Deutsch­land spiel­te dabei ver­mut­lich, wenn über­haupt, sogar nur eine klei­ne Rolle.

Was die Not­la­ge der Euro­zo­ne betrifft, könn­te dies von einem lin­ken Pro­pa­gan­dis­ten als Sati­re über die Funk­ti­ons­wei­se von Geld­macht ent­wor­fen wor­den sein. Eine ein­zel­ne Wäh­rung wird erstellt. Eine ein­zi­ge Bank kon­trol­liert es. Kei­ne demo­kra­ti­sche Insti­tu­ti­on mit irgend­ei­ner Auto­ri­tät wacht dar­über, und wenn die Kre­di­te der Zone in Schwie­rig­kei­ten gera­ten, müs­sen sich die gewähl­ten Regie­run­gen fast jeder Demü­ti­gung fügen, anstatt dass Ban­ker ver­letzt wer­den. Was ist mit den Arbei­tern? Sie müs­sen ihre Arbeits­plät­ze in Por­to und Pirä­us und Pun­ches­town und Pog­gi­bon­si ver­lie­ren, damit die Ban­kiers in Frank­furt und Büro­kra­ten in Brüs­sel pro­blem­los in ihren Bet­ten schla­fen kön­nen.
[…]  Man muss immer beten, dass der Kon­ser­va­tis­mus, wie so oft in der Ver­gan­gen­heit, durch die Dumm­heit der Lin­ken geret­tet wird. Das blin­de Ver­trau­en der Lin­ke in den Staat macht ihre Mit­tel schlim­mer als nutz­los. Aber der ers­te Schritt besteht dar­in, zu erken­nen, wie viel Boden wir ver­lo­ren haben und dass mög­li­cher­wei­se nicht mehr viel Zeit bleibt, um es zu schaffen.

Quel­le  Ich fan­ge an zu den­ken, dass die Lin­ke viel­leicht recht haben könn­te – Tele­graph – Aus­zug des legen­dä­ren Tex­tes von Charles Moo­re, einem hoch­an­ge­se­he­nen Jour­na­lis­ten mit streng kon­ser­va­ti­ven Überzeugungen.

 Ich fan­ge an zu den­ken, dass die Lin­ke viel­leicht recht haben könn­te – Tele­graph – Aus­zug des legen­dä­ren Tex­tes von Charles Moo­re, einem hoch­an­ge­se­he­nen Jour­na­lis­ten mit streng kon­ser­va­ti­ven Überzeugungen.

(Her­vor­he­bung durch mich)

Die Dreh- und Angel­punkt der dama­li­gen Debat­te waren die Aus­wir­kun­gen der Finanz­kri­se und die gewal­ti­gen gesell­schaft­li­chen Defi­zi­te, die sich nicht mehr ver­ber­gen lie­ßen. Samt und Son­der waren sie kon­ser­va­tiv-libe­ra­len Über­zeu­gun­gen geschul­det. Und nach der Kri­se hat sich die­se Müh­sal, locker und flo­ckig fort­ge­setzt und erneu­ert. Wir ste­cken im Tal der Trä­nen fest und die nun schon eini­ge Jah­re andau­ern­de Beru­hi­gung „der Märk­te“ wird von denen, die mit ihrem Dok­tor in Volks­wirt­schaft immer alles ein­zu­schät­zen und zu über­se­hen vor­ge­ben, von Beginn an ent­we­der mit fast staats­zer­set­zen­der Skep­sis (You­tube) oder belie­big wir­ken­der Lang­mut kom­men­tiert. Rich­tig weiß eben kei­ner, wie oder ob man die Fehl­ent­wick­lun­gen – ohne einem vor­her­ge­hen­den Arma­ged­don noch mal in den Griff bekommt.

Ein Jahr­zehnt ent­hemm­ter Finanz­markt­öko­no­mie ent­puppt sich als das erfolg­reichs­te Reso­zia­li­sie­rungs­pro­gramm lin­ker Gesell­schafts­kri­tik. So abge­wirt­schaf­tet sie schien, sie ist nicht nur wie­der da, sie wird auch gebraucht. Quel­le  Frank Schirr­ma­cher – Bür­ger­li­che Wer­te: „Ich begin­ne zu glau­ben, dass die Lin­ke recht hat“ – Feuil­le­ton – FAZ

Frank Schirr­ma­cher – Bür­ger­li­che Wer­te: „Ich begin­ne zu glau­ben, dass die Lin­ke recht hat“ – Feuil­le­ton – FAZ

Die Lin­ken haben nichts draus gemacht. In Deutsch­land soll, so das SPD-Nar­ra­tiv- die Betei­li­gung an Gro­ßen Koali­tio­nen eine bzw. die Ent­schul­di­gung für das sein, was nun ist. Ob die Erneue­rung gelin­gen kann? Eini­ge woll­ten Hartz IV zuguns­ten eines Grund­ein­kom­mens abschaf­fen. Der Vor­schlag wur­de von Par­tei­vi­ze, Vize­kanz­ler und Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz, der immer für die Agen­da – Poli­tik Schrö­ders ein­trat, ein­kas­siert. Die ande­ren wer­den, so glau­be ich, kuschen. Mich erin­ner­te die­ses Zucken an das Stroh­feu­er, in dem sich schon Mar­tin Schulz gesonnt hat­te. Wer kei­ne Kon­zep­te für der­art kom­ple­xe Vor­ha­ben vor­zu­wei­sen hat, der soll bit­te­schön die Fres­se hal­ten. Her­mann Grö­he (CDU) bringt es auf den Punkt:

“Wer die Abschaf­fung von Hartz IV for­dert, muss auch eine taug­li­che Alter­na­ti­ve vor­schla­gen.“ Abs­trak­te Sys­tem­de­bat­ten, so Grö­he, sei­en arbeits­lo­sen Men­schen kei­ne Hil­fe. Quel­le  Hartz IV: Ideen der SPD ver­schre­cken die Wirtschaft

Hartz IV: Ideen der SPD ver­schre­cken die Wirtschaft

Nach dem Bank­rott des ehe­ma­li­gen Ost­block und der zwangs­läu­fi­gen Auf­lö­sung des War­schau­er Pak­tes schien sich das für mich robus­te­re und vor allem aggres­si­ve­re Bünd­nis von Kapi­ta­lis­mus und Kon­ser­va­tiv – Libe­ra­len end­gül­tig durch­ge­setzt zu haben. Dann kam die Finanz­kri­se und den Men­schen wur­den die Augen geöff­net. Nicht nur die Mil­lio­nen von direkt Betrof­fe­nen hat­ten schein­bar eine kla­re Hal­tung dazu, wie es wei­ter­ge­hen soll­te. Was woll­te Oba­ma, was wol­len die EU-Staa­ten nicht alles tun, damit sich die­se Din­ge nicht wie­der­ho­len wür­den. Was danach gesche­hen ist, ist so mick­rig und des­halb eben­so wir­kungs­los, dass man auf all dies nur mit Angst reagie­ren kann. Das ist die Lage! Die meis­ten haben auf­ge­ge­ben. Sie haben ver­stan­den, dass gegen die Macht des Gel­des kein Kraut gewach­sen ist. Das war natür­lich vor der Finanz­kri­se schon allen klar. Aber viel­leicht waren die Aus­wir­kun­gen des Fias­kos die letz­te Chan­ce der Natio­nal­staa­ten etwas in ihrem Sin­ne und natür­lich für ihre Men­schen zu errei­chen – gegen die, die alle Macht bean­spru­chen und die mit die­sem Ver­hal­ten nicht unschul­dig an dem sind, was wir als Haupt­ur­sa­che für die neue Völ­ker­wan­de­rung aus­ge­macht haben. Aber das Kapi­tal ist ein flüch­ti­ges Tier. Wenn es den wirk­lich Rei­chen (es sol­len so vie­le ja nicht sein hier in Deutsch­land) der Gegen­wart zu blöd wird, packen sie ihre Sachen und ver­le­gen ihre Fir­men­sit­ze irgend­wo anders hin.

„Die Stär­ke der Ana­ly­se der Lin­ken“, so schreibt der erz­kon­ser­va­ti­ve Charles Moo­re im „Dai­ly Tele­graph“, „liegt dar­in, dass sie ver­stan­den haben, wie die Mäch­ti­gen sich libe­ral-kon­ser­va­ti­ver Spra­che als Tar­num­hang bedient haben, um sich ihre Vor­tei­le zu sichern. ‚Glo­ba­li­sie­rung‘ zum Bei­spiel soll­te ursprüng­lich nichts ande­res bedeu­ten als welt­wei­ter frei­er Han­del. Jetzt heißt es, dass Ban­ken die Gewin­ne inter­na­tio­na­len Erfolgs an sich rei­ßen und die Ver­lus­te auf jeden Steu­er­zah­ler in jeder Nati­on ver­tei­len. Die Ban­ken kom­men nur noch ‚nach Hau­se‘, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unse­re Regie­run­gen ihnen neu­es.“
Quel­le · Bür­ger­li­che Wer­te: „Ich begin­ne zu glau­ben, dass die Lin­ke recht hat“ – Feuil­le­ton – FAZ

Bür­ger­li­che Wer­te: „Ich begin­ne zu glau­ben, dass die Lin­ke recht hat“ – Feuil­le­ton – FAZ

Die Aus­wir­kun­gen haben Moo­re und Schirr­ma­cher in ihren Arti­keln schon ganz rich­tig beschrie­ben. Aber was sind schon Worte?!

Diesen Beitrag teilen:
0CDD5CFF 182F 485A 82C6 412F91E492D0
Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Arbeitslose Links Rechte

Quelle Featured-Image: Standardbild...
Anzahl Wörter im Beitrag: 1102
Aufgerufen gesamt: 47 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 6 mal
Aufgerufen heute: 2 mal

✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance