Was sagen wir denen, die einen anderen Staat wollen?

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Diejenigen, die nach Chemnitz und Köthen wei­ter AfD wäh­len, vor allem die neu­en Sympathisanten der Partei sind sich über ihre Beweggründe im Klaren. Natürlich gehe ich davon aus, dass sie sich der Tragweite ihres Votums voll bewusst sind.

Es gibt dem­zu­fol­ge auch rein gar nichts zu beschwich­ti­gen oder zu erklä­ren. Diese Leute tun, was sie tun (wol­len). Ihnen geht es nicht um einen Denkzettel, sie wol­len einen ande­ren Staat!

Die Takt- und Ideengeber in den sozia­len Medien und bei den zahl­rei­chen rechts­po­pu­lis­ti­schen Blogs, wer­den medi­al unter­stützt von kon­ser­va­ti­ven Journalisten, die ihre Unzufriedenheit mit Merkels Politikstil geschickt auf den «Dissidentenkanal» umleiten.

Zusammenarbeit

Wie erträgt die Redaktion von Welt Online eigent­lich die­se ein­sei­ti­gen und oft auch demo­kra­tie­feind­li­chen Kommentare? Mein Eindruck ist: die Moderatoren löschen dort eher abwei­chen­de Positionen als die mit demo­kra­tie­kri­ti­schen Positionen. 

Wer eine Partei unter­stützt, die die Demokratie so offen infra­ge stellt oder sie in kon­zer­tier­ten Aktionen mit ande­ren extre­men Gruppierungen denun­ziert, ist für mich nie­mals ein frus­trier­ter oder besorg­ter Bürger. 

Diese Leute tei­len eine unheim­li­che Präferenz, die ganz offen for­mu­liert wird. Es geht um das media­le und poli­ti­sche Establishment und um des­sen «Ausschaltung». Manche for­mu­lie­ren es viel kla­rer als Gauland es in sei­nem zu recht stark kri­ti­sier­ten Interview gemacht hat. Beim Sommerinterview hat sich Gauland voll bla­miert und kaum eine Frage beant­wor­tet. In dem Interview mit der FAZ war er in Form. FAZ-Herausgeber Berthold Kohler kom­men­tier­te Gaulands Aussagen mit dem Satz: «Früher nann­te man das Säuberung»

Im Teaser des Kohler – Kommentars hieß es:

Die poli­ti­schen Phantasien des AfD-Vorsitzenden Gauland rei­chen weit über den Sturz der Kanzlerin hin­aus. Die Verleumdung des frei­heit­lichs­ten und demo­kra­tischs­ten Systems, das es je auf deut­schem Boden gab, darf man den Brandstiftern im Biedermann-Sakko nicht durch­ge­hen lassen. 

FAZ

Kampf mit Worten

Demokraten kämp­fen mit Worten. Die AfD macht das auch. Nur sind die­se Worte dazu ange­tan, die Gesellschaft zu spal­ten. Die Worte der AfD-Führer haben genau das schon erreicht. Die Leute im Osten sind den Hetzern so krass auf den Leim gegan­gen, dass die AfD seit ein paar Tagen die Tabelle anführt. Vor der CDU und vor den Linken. 

Der Ruf: «WIR SIND DAS VOLK» war lan­ge posi­tiv besetzt. Seit die Rechtsextremen ihn okku­pa­to­risch miss­brau­chen, klingt er absto­ßend und fremd. 

Die Geschichte kann sich wohl doch wie­der­ho­len. Das Gezeter im Bundestag erin­nert immer mehr Leute an die Scharmützel, die vor der Machtergreifung durch die Nazis im Reichstag statt­fan­den und die schon damals den Leuten kräf­tig auf die Nerven gingen. 

Im Moment gibt es zwei Strategien: Die einen baga­tel­li­sie­ren das Phänomen und erklä­ren die AfD zu einer rei­nen Protestbewegung. Dabei wird die ideo­lo­gi­sche Komponente her­un­ter­ge­spielt und argu­men­tiert, es gehe nur um poli­ti­sche Frustration. Die ande­ren ver­su­chen, die AfD qua­si ein­zu­ge­mein­den durch die Gründung eines Heimatministeriums etwa oder die Übernahme von Themen und Grundpositionen der AfD. 

Tagesanzeiger, CH – Interview mit Max Czollek 

Konjunktur

Keiner (außer den Rechtsextremen) möch­te sich vor­stel­len, was in Deutschland pas­sie­ren wird, wenn die wirt­schaft­li­che Lage sich ver­schlech­tert. Wir wis­sen, dass jedes kon­junk­tu­rel­le Hoch, dau­ert es auch noch so lang, Teil eines nor­ma­len Zyklus ist. Der Abschwung kommt irgend­wann. Nur wer­den wir bis dahin die AfD nicht los wer­den. Das ist inzwi­schen ziem­lich sicher.

Die GroKo wirkt saft- und kraft­los. Vor allem ist die Kommunikation mit der Bevölkerung abso­lut unge­nü­gend. Das soll­te, so die Versprechen direkt nach den Wahlen, anders wer­den. Ich mer­ke davon lei­der nichts.

Was ich jedoch fest­stel­le, ist, dass sich die Politik der Bundesregierung und auch die der Länder lei­der auf vie­les von dem ein­ge­las­sen hat, was nur als Reaktion auf die AfD zu begrei­fen ist.

Ich ver­mu­te, dass dies ein wich­ti­ger Grund für den enor­men Effekt der AfD auf die Programmatik der eta­blier­ten Volksparteien ist. Innenminister Horst Seehofer zum Beispiel scheint der­zeit die Grenze zwi­schen einer demo­kra­ti­schen, libe­ra­len Gesellschaft und einer ras­sis­ti­schen, exklu­si­ven Form nicht mehr so recht zie­hen zu kön­nen. Und damit ist er auch aus­ser­halb der AfD nicht allein. 

Tagesanzeiger, CH – Interview mit Max Czollek 

Demokratie ist ein müh­sa­mer, nie enden wol­len­der Prozess. Das ist eine Binsenweisheit, die aber nicht oft genug aus­ge­spro­chen wer­den kann. Die Art und Weise, in der wir die Demokratie gegen ihre Feinde ver­tei­di­gen, wirkt natur­ge­mäß oft hilf- manch­mal sogar kraft­los. Wir sind alle Menschen. Wir unter­lie­gen Zweifeln und Ängsten. Natürlich nut­zen wir Demokraten die­se Schwächen in Diskussionen aus. Auch gegen- und unter­ein­an­der. Im Streit um den rich­ti­gen Weg sol­len auch Emotionen eine Rolle spie­len. Einerseits bekla­gen wir uns, wenn Bundestagsdebatten heu­te so lang­wei­lig sind. Wenn Martin Schulz (SPD) die AfD bzw. Herrn Gauland angif­tet, wird er von ansons­ten nicht gera­de zim­per­lich agie­ren­den Journalisten (z.B. Steingart) qua­si als Flegel dar­ge­stellt, der nach sei­nem Karriereknick noch mal auf sich auf­merk­sam machen woll­te. Das sitzt und kommt bei der AfD mit Sicherheit pri­ma an!

Zündeln durch Intellektuelle

Wenn sich Journalisten so belie­big ver­hal­ten wie zum Beispiel Herr Steingart oder Herr Weimer aber für die drän­gen­den Probleme auf poli­ti­scher Ebene kei­ne über­zeu­gen­den Lösungen gefun­den wer­den, dür­fen wir uns auch nicht dar­über wun­dern, wenn es für die Demokratie eng wird. Wir brau­chen uns nur in Europa umzu­schau­en. Ungarn und Polen sind auf dem Weg, ihre jun­gen Demokratien gegen Autokratien auszuwechseln.

Wir haben kei­ne Vorstellung davon, wie müh­sam es wür­de, die Demokratie, die wir über sieb­zig Jahre lang als so selbst­ver­ständ­lich erlebt haben, einem auto­kra­ti­schen Regime wie­der zu entreißen.

Wir Deutschen sind kein Volk von Demonstranten (auch wenn es pha­sen­wei­se anders wirkt). Aber wir wis­sen was wir wollen! 

Unser his­to­ri­sches Bewusstsein muss uns jetzt und in Zukunft davor schüt­zen, anti­de­mo­kra­ti­schen Kräften Raum zu geben. Weder aus Bequemlichkeit, weder aus Frust und schon gar nicht, weil wir vor irgend­was Angst haben. 

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