Ist es nicht schön, dass nach alledem, was in Thüringen in den letzten Wochen abgelaufen ist (Hufeisentheorie hin oder her), endlich Ruhe einkehrt? Irrtum! Es gibt im Land so viel Unfrieden, dass wir gar nicht immer auf die AfD zu schauen brauchen.
Die Linkspartei hat ihre Strategiedebatte ein wenig unglücklich terminiert (Thüringen!) und wird jetzt vermutlich voll auf dem Kiwif sein.
In diesen Zeiten war es offenkundig unvermeidlich, dass die Nutzer der sozialen Medien, ihre Kenntnisse der jedenfalls antiquiert wirkenden „Hufeisentheorie“ unfreiwillig auffrischen dürften. Das hat mit der AfD nichts zu tun. Die werden ihren Spaß haben am Treiben der Demokraten.
Partner fürs Leben
Die Strategiedebatte der Linken kam nach den quälenden Thüringer Wochen zur besten Zeit.
Nunmehr steht es fest: Die Linken sind keine Partner, mit denen man wie auch immer zusammenarbeiten möchte. Die Leute der Union und die ihnen Nahestehenden, die das immer schon ganz genau wussten, finden in den öffentlichen Papieren zur Strategiedebatte der Linken gar nicht genug Beispiele über die schlimmen Entgleisungen der Genossen.
Sarah Wagenknecht findet übrigens die Äußerungen über ausstehende Erschießungen von Reichen, die einer Genossin unter der „Aufsicht“ des Oberlinken Bernd Riexinger entwichen, auch ganz schrecklich. Riexinger hätte das unterbinden und klarstellen müssen und nicht stattdessen ein dummes Witzchen hinterherschieben sollen.
Für mich spricht das ganze Geschehen eher dafür, dass nach solchen Marathon-Veranstaltungen selbst die robusteste Natur nicht mehr so aufmerksam ist, um die Entgleisung eines vielleicht noch ausgeruhten Seminarteilnehmers politisch korrekt „abzufangen“.
Blasen
Die rechte Blase im Internet stellt dieses ganze Theater jedenfalls rundweg zufrieden.
Endlich lesen die jetzt mal was Authentisches über linke Theorien und deren Blick auf unser Land.
Alle Texte sind im Netz zu finden. Nichts ist versteckt. Aber wenn gewisse Sätze aufgeschrieben werden – von einem einzelnen Mitglied der Partei als Beitrag zur Strategiedebatte der Linken – erhält er mit nur wenig Garnitur exakt die sinnstiftende Bedeutung, die Rechte ihm zuweisen.
Wo haben sich solche Typen bloß ihre Fähigkeiten zu Denunziation des politischen Gegners angeeignet? In der DDR werden sie dieses Niveau nicht erworben haben. Aber egal, ob es nun nur Wessis sind oder vielleicht auch ein paar Ossis. Demokratieverdrossen oder zumindest übellaunig machen solche Verfahren überall.
Da kommen konservative Kleingeister aus purer Bosheit auf die Idee, öffentlich einzusehende Dokument zu scannen, um dann Gleichdenkenden einen unverhüllten Blick auf den ansonsten verborgenen Gemütszustand linker Extremisten zu gewähren. Dass die in Wahrheit aber oft nur einfache Mitglieder oder eben Teilnehmer der besagten Strategiedebatte waren, spielt keine Rolle. In anderen Parteien muss es echt langweilig zugehen, wenn dort bei ähnlichen Anlässen mal nie was „Skandalöses“ auf die Tapete gebracht wird.
Was machen die da?
Der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer twittert:
Die Wirkung der Passage, die Hauer hervorgehoben hat, ist natürlich auch genauso gewollt. Er wiederholt das mit einer Reihe von Tweets mit anderen Sätzen, die von unterschiedlichen Teilnehmern verfasst wurden.
Er zitiert diesen Satz von Dr. Friedrich Wolff:
Die Schüsse an der Grenze waren die Antwort auf die Politik der BRD und ihrer Verbündeten, die DDR durch die Abwanderung vieler ihrer Bürger auf die Knie zu zwingen.
Folgende Ausführung eines anderen Teilnehmers (Christopher Heiling) lässt Hauer weg:
Ein wesentlicher Aspekt der immer wieder angesprochen wird ist die aus Sicht großer Teile der Gesellschaft unzureichende Auseinandersetzung mit DDR-Unrecht, wie unter anderem Schießbefehl, Stasi, Diktatur und freiheitliche Einschränkungen der Bevölkerung. Nun bin ich nicht derjenige der die Unrechtsstaatsdebatte wieder anheizen möchte, jedoch bin auch ich der Meinung, dass es echter Bekenntnisse und tiefgreifender Aufarbeitung des DDR-Unrechts bedarf, bevor man eine wirkliche Akzeptanz als mögliche Regierungspartei erwarten darf. Nicht zuletzt widerspricht das begangene Unrecht unserer Auffassung einer freiheitlich-demokratischen und friedlichen Gesellschaft in höchster Potenz, weshalb es uns eigentlich nicht schwerfallen sollte uns in jeder Hinsicht und vollkommen davon zu distanzieren.
Hervorgehoben von mir
Ehrlich gesagt haben die Menschen – nicht nur die Betroffenen, sondern alle – meiner Ansicht nach sogar einen Anspruch darauf, dass wir dies tun. So, wie wir beispielsweise die Aufarbeitung der Treuhand fordern, so sollten wir an der Aufarbeitung des DDR-Unrechts wirken, wenn wir nicht mit zweierlei Maß messen wollen. In jeder Hinsicht ist es an der Zeit dieses Kapitel der deutschen Geschichte zum Ende zu bringen und es ein für alle mal hinter uns zu lassen, indem wir unseren dazu notwendigen Beitrag leisten.
Alles prüfen und bewerten
Es sind Beiträge einzelner Mitglieder der Partei. Hauer suggeriert mit seinen Tweets jedoch, dass die Debattenbeiträge gleichsam Statements der Linkspartei zu den angesprochenen Fragen wären.
OK, jeder der mehr als ein Auge auf die Beiträge wirft, erkennt natürlich, dass es sich um Beiträge handelt, die deshalb auch als solche zu bewerten wären. Aber welcher Tweet-Leser macht sich schon diese Gedanken? Schnell überfliegen und fertig ist das eigene Weltbild. Man kennt es auch von sich selbst. Asche auf mein Haupt!
Hängen bleiben genau die Dinge, die Hauer auf diese Weise in den öffentlichen Fokus stellen wollte. Schädlich für die Linkspartei und schädlich auch für den Zusammenhalt der demokratischen Kräfte in Deutschland.
Alles öffentlich
Alle Texte sind auf der Website der Linkspartei nachzulesen. Sie stehen auch in dieser PDF-Datei, die für Herrn Hauer Quelle zur Bestätigung seiner Vorbehalte gegen die Linkspartei wurde. Vielleicht hat er ja alles gelesen und nur das gepostet, was ihm Sorgen bereitet hat? Wer glaubt denn sowas?
Es geht um billige Stimmungsmache.
Wenn es nach Leuten wie Herrn Hauer geht, ist klar, dass die „Hufeisentheorie“ weiterhin Bestand haben soll. Darum gehts.
Damit ist auch abzusehen, wie quälend die nächsten Regierungsbildungen in Ost-Deutschland sein werden. Aber die muss Hauer ja auch nicht führen.
Ich hoffte, dass die AfD nach Hanau größere Stimmenverlust (Umfrage) erleiden würde. Diese Hoffnung habe ich nach Hamburg wieder aufgegeben. Die Leute, die die AfD wählen, sind nun mal wie sie sind und natürlich denken sie, das Richtige zu tun. Ich verstehe das nicht, aber es ist zu respektieren.
Sarah Wagenknecht, Linkspartei, hatte sich im hier schon verlinkten Interview mit Phoenix zu einer bevorstehenden neuen Flüchtlingskrise geäußert und gesagt, wie „wohlfeil“ sie Aussagen grüner und andere Politiker zum Thema fände.
Nun bekommt sie bei Twitter prompt den zu erwartenden Shitstorm. Sie warnte davor, dass, sollte man Baerbock und anderen in dieser Frage folgen (Öffnung der Grenzen), ein weiterer Stimmenzuwachs für die AfD zu erwarten sei. Dafür wird sie bei Twitter als Nazi beschimpft. Alles wie immer also.
Flüchtlinge und Corona
Für viele Grüne und Linke kommen solche Bedenken gegen die Unterstützung der Menschen an der griechischen Staatsgrenze einem Sakrileg gleich.
Sie drehen das Argument Wagenknechts um und sagen ihrerseits, es sei wohlfeil, aus Angst vor den Faschisten dem Leid der Menschen auf Lesbos zuzusehen. Klar, dass diese Haltung anschlussfähig ist. Sie ist politisch korrekt. Es ist edel und gut, als anderen Menschen zu helfen. Ihre eigenen Bilder hat jede der gegnerischen Blasen schon für sich reklamiert. Die einen zeigen Kinder im Tränengas, die anderen gewaltbereite Menschen, die mit Steinschleudern und Feuer gegen die griechische Polizei und Feuerwehr Gewalt ausüben.
Wir kämpfen aus dem Fernsehsessel inzwischen an mehreren Fronten. Die Auswirkungen des Corona Virus sind unklar, die Unsicherheit nimmt noch zu, aber wir trauen es uns offenbar zu, in dieser – vielleicht sehr gefährlichen – Situation, tausende von Flüchtlingen in Deutschland aufzunehmen?
Wer wohl für eine mögliche Fehleinschätzung die Verantwortung übernehmen wird? Die Grünen sind es noch nicht.
Ich finde es gut, @Horst, dass du immer wieder auch darauf hinweist, wie wir einzelne, zum Teil deutlich aus dem Kontext gerissene Phrasen, zum Fraß vorgeworfen bekommen, um eine gewünschte Stimmung zu erzeugen. Auch ich verschlinge in meinem ständigen Informationshunger mehr Headlines, als sie kritisch zu betrachten.
Bei dieser Informationsdichte, in der wir uns heute zurecht finden müssen, gehen wichtige Aspekte verloren. Dass Formulierungen wie sie Mitglieder der Linkspartei gewählt haben, von vielen kritisch gesehen werden, ist ja nicht das Problem. Die Meinungen sind eben zum Glück unterschiedlich. Dass die Rechten den Eindruck erwecken, als seien es Positionen der Linkspartei ist eine echte Schweinerei. Nur – das ist leider auch eine Tatsache: Mit der AfD gehen wir ja auch nicht anders um. Da formulieren manche Anhänger oder Mitglieder irgendwelche abstrusen Theorien oder sondern gewisse Sätze ab, die in der Öffentlichkeit aufgeblasen und der gesamten Partei zugeschrieben werden. Ein echtes Problem, das unsere freie Gesellschaft gefährden kann.