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7 Minuten

Damit leben, dass Trump Präsident bleibt

Wahrscheinlich lassen wir Deutsche uns von unseren Medien stark beeinflussen. Wie sonst könnte man erklären, dass wir so emotional Anteil am Ausgang der US-Wahlen nehmen? Schließlich hat es für das Leben des Otto-Normalverbrauchers kaum Auswirkungen, egal wie’s ausgeht.

Es handelt sich um freie und demokratische Wahlen. Vor und während diesen Wahlen gab es, wie man von allen möglichen Seiten hören kann, kaum Zwischenfälle. Es wurden keine Leute daran gehindert, ihre Wahl zu treffen. Die Wahlbeteiligung ist sehr hoch. Die langen Schlangen und die Geduld der Wählerinnen und Wähler vor den Wahllokalen muten fast seltsam an. Wie WählerInnen in Deutschland wohl reagiert hätten, wenn das hier so ausgesehen hätte? Sicher mit erheblich weniger Geduld.

Was für ein unmöglicher Mensch

Ich bin ein granatenmäßiger Gegner von Donald Trump. Seinen Wahlsieg 2016 habe ich als Unfall betrachtet. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, dass Massen von Menschen einen solchen Menschen zu ihrem Präsidenten, zum Oberbefehlshaber des US-Militärs machen könnten. Doch sie konnten.

Mit dem ersten farbigen Präsidenten wurde den konservativen offensichtlich zu viel zugemutet. Es ging weniger um Obamas-Politik, die man natürlich in Teilen kritisch sehen konnte, es ging darum, dass mit seiner Wahl etwas in Gang gekommen war, das die konservativen Kräfte, nicht hinnehmen wollten, diesem Trend musste etwas „Großes“ entgegengesetzt werden. Das war schlussendlich dieser Mann, der schon vorher dafür bekannt war, dass er sein bisheriges Dasein als Kretin, Unhold und Lügner bestritten hatte. Trump sollte von vornherein gegen das politische Establishment des Landes installiert werden. Das bleibt auch richtig, obwohl die oberste Heeresleitung dieses Feldzuges gegen die US-Demokratie, längst von Trump höchstpersönlich kaltgestellt wurde. Ich denke da unter anderem an den ehemaligen Breitbart-Chef Steve Bannon.

Hass, Lügen und ein Selbstverständnis, das zum Himmel stinkt

Trump braucht keine Souffleusen. Seine breitbeinigen Hasstiraden kriegt er ganz allein hin. So war war es echt komisch mitzuerleben, wie er von einer Horde Evangelikaler die Hände aufgelegt bekam und er sich bei dieser Veranstaltung ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen konnte. Dass er seine Kabinettsmitglieder Lobeshymnen auf ihn vortragen ließ, war nur eine weitere (skurrile) Peinlichkeit in den vergangenen langen und ätzenden vier Jahren dieser Präsidentschaft.

Ich gehe seit gestern davon aus, dass die Welt diesen Donald Trump vier weitere Jahre aushalten muss.

Was immer diese Zeit noch an miesen und zerstörerischen Ausfällen dieses Kretins bringen wir, wird abzuwarten sein. Vielleicht wird Trump, der sich nach den Wahlen sicherlich auch daran erinnern wird, wie eng die deutschen Freude ihm zur Seite standen (sinngemäß: „die Deutschen wollen mich weghaben“), wird uns binnen Kurzem sicher mit einigen Überraschungen beglücken. Freunde (besser Speichellecker) hat er in der EU genug. Ob nun die Slovenen, Tschechen, Polen oder Ungarn, diese Länder lechzen vermutlich nach mehr US-Militärpräsenz. Ich finde das persönlich auch voll in Ordnung. Hoffentlich denkt die deutsche Bundesregierung beim Umzug daran, auch die Atomwaffen mitzugeben!

Vernachlässigtes Land

In den USA haben sich in den letzten Jahren, vielleicht Jahrzehnten, die Leute von dem, was wir unter Regierung eines Staates verstehen, entfernt. Die Bindung war vielleicht nie auch nur ansatzweise vergleichbar mit dem, was wir darunter verstehen. Viele Leute (etwa die Hälfte?) in den USA wollen kein Regierung, die sich verhält wie etwa europäische Regierungen, vor allem aber die deutsche.

Ein fürsorglicher Sozialstaat ist ihnen schlicht ein Grauen. Sie bestehen auf Eigenverantwortlichkeit. Das passt zu der für uns kaum nachvollziehbaren Einstellung zu einer allgemeinen Krankenversicherung. Viele Amerikaner (die in den infrage kommenden Staaten) würden sich vermutlich nie das Recht nehmen lassen, eine Waffe oder mehrere zu besitzen und zu tragen. Was für uns schier undenkbar ist, wäre umgekehrt für viele Amis ein absolutes No-Go.

Was mir zu diesen Erklärungsmustern, die wir häufig in unseren Medien geboten bekommen, nicht zu passen scheint, ist die Tatsache, dass die Amerikaner allein die Regierung dafür verantwortlich machen, dass viele Arbeitsplätze im Rahmen der Globalisierung nach China und anderswohin verloren gingen. Gerade in den Gebieten, in denen Trump erhebliche Stimmenanteile gewonnen hat (also außerhalb der großen Küstenregionen) hat man sein plakatives „Make America Great Again“ oder „America First„. Alle Nationalisten dieser Welt werden solchen Slogans viel abgewinnen können. Das erfährt man am schnellsten, wenn man hier bei uns darüber mit AfD-Leuten diskutiert.

Große Armut, ohne Hoffnung (nicht ausschließlich bei schwarzen Bevölkerungsteilen!)

Der Frust darüber, dass die verschiedenen Regierungen in den von großer Armut geprägten vormaligen Schwerindustriegebieten quasi keinen Support geleistet haben, scheint so nachhaltig und schwerwiegend zu sein, dass diese Menschen auch ihr letztes Vertrauen in staatliches Engagement verloren haben. Die Konsequenz daraus war: Trump!

Nimmt man sich die Entwicklung der letzten vier Jahre einmal vor, so muss man schlicht anerkennen, dass die Versprechen Trumps zu einem großen Anteil eben nicht, wie bei anderen Politikern (auch Obama!) sonst üblich, verraucht und vergessen wurden. Er nahm das bereits von Barak Obama mit gewaltigen finanziellen Mitteln eingeleitete Aufbauprogramm für die US-Wirtschaft als Basis für eine Steuersenkung, für die wir in Europa nur Häme und Kritik übrig gehabt haben.

Wer aber die Auswirkungen insbesondere dieser Maßnahme (bis zur Corona-Krise) genauer betrachtet, muss konstatieren, dass Trump hier viel geleistet hat. In den USA wurden Millionen von neuen Arbeitsplätzen geschaffen, und die Börse erlebte Hochzeiten wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dass davon nicht ein paar Börsianer profitiert haben, sondern viele US-Amerikaner, die in diesem Metier erheblich versierter agieren als wir Deutsche, ist nicht groß zur Kenntnis genommen worden.

Supreme Court

Dass er im Gegensatz zu Obama geschafft hat, konservative Richter am Supreme Court (oberster Gerichtshof der USA) zu „platzieren“ ist auch so eine Sache. In acht Jahren schaffte es Obama nicht (natürlich wegen der Probleme mit den Mehrheitsverhältnissen im Senat), die vakanten Stellen mit liberalen RichterInnen zu besetzen. Soweit ich es verstanden habe, hatten die Demokraten es für unmöglich gehalten, was Trump nun in den ersten 4 Jahren seiner Amtszeit hinsichtlich der Nominierung von 3 konservativen Richtern (ein Ersatz für einen Richter, den Ronald Reagan nominiert hatte, zwei neue Richter) geschafft hat.

Dass von diesem Erfolg auch die Evangelikalen profitieren, die eine gewaltige Wählergruppe von 80 Mio. Menschen stellen, ist ein weiterer Grund für Trumps Erfolge. Diese Menschen dürfen nun darauf hoffen, dass beispielsweise die liberale Handhabung von Abtreibungen gekippt würde. Was viele von uns erschrecken wird, ist für diese frommen Leute eine Herzensangelegenheit.

In den USA fürchten sich viele weiße, konservative BürgerInnen davor, dass sie in einigen Jahrzehnten aufgrund der demografischen Entwicklung, nicht mehr das Sagen im Land haben werden. Wir kennen diese Debatten, unterschätzen allerdings offenbar die dortigen Beharrungskräfte, die von der trumpschen Politik stark unterstützt wird. Und zwar auf eine Art und Weise, die wir als unmoralisch und vielleicht sogar ekelhaft empfinden. Nur müssen wir sehen, wie groß diese Gruppe von Menschen in den USA ist, die Trumps Lösungsangebote (z.B. Mauer nach Mexiko) als richtig betrachten.

Dass sich viele von den Demonstranten und Aussagen der BLM-Bewegung abgestoßen fühlen, hat vielleicht weniger mit dem immer wieder zu Recht betonten systematischen Rassismus weißer Bevölkerungsteile zu tun, als vielmehr damit, dass Menschen es (überall auf der Welt) nicht schätzen, in ihrem persönlichen Leben mit Gewalt und Zerstörung konfrontiert zu werden. Für diese Betrachtung wird es bei Linken hier in Deutschland wenig Sympathie geben. Geschenkt! Es ist eine Wahrheit, mit der auch alle leben müssen, die viele Hoffnungen in diese Wahlen gesteckt hatten.

Link: Heute wählen die USA. Was ist da nur los? | kinder-verstehen.de

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4 Gedanken zu „Damit leben, dass Trump Präsident bleibt“

  1. Wie viele Trump-Anhänger braucht es, um eine Glühbirne einzudrehen?
    Keinen! Trump erklärt, dass sie leuchtet, und alle applaudieren im Dunkeln.

    Angesichts dieses Trauerspiels bleibt nur der Humor. Und heute (Freitag) auch ein Quäntchen Hoffnung, dass du nicht recht hast.

    Antworten
  2. Ich fühle mich überfordert von diesem Theater. Wohin soll das alles nur führen? Wie nahe sind wir an solchen Verhältnissen? Und wie tragen Artikel zu solchen Entwicklungen bei, wie ich heute wieder einen bei der Achse des Guten über Prof. Drosten gelesen habe? Haben die Leute ein Interesse daran, Gesellschaften zu zerstören oder ist ihnen die Rückführung in frühere Zustände so wichtig, dass sie darüber alles andere hintanstellen?

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