Damit leben, dass Trump Präsident bleibt

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Wahr­schein­lich las­sen wir Deut­sche uns von unse­ren Medi­en stark beein­flus­sen. Wie sonst könn­te man erklä­ren, dass wir so emo­tio­nal Anteil am Aus­gang der US-Wah­len neh­men? Schließ­lich hat es für das Leben des Otto-Nor­mal­ver­brau­chers kaum Aus­wir­kun­gen, egal wie’s ausgeht.

Es han­delt sich um freie und demo­kra­ti­sche Wah­len. Vor und wäh­rend die­sen Wah­len gab es, wie man von allen mög­li­chen Sei­ten hören kann, kaum Zwi­schen­fäl­le. Es wur­den kei­ne Leu­te dar­an gehin­dert, ihre Wahl zu tref­fen. Die Wahl­be­tei­li­gung ist sehr hoch. Die lan­gen Schlan­gen und die Geduld der Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler vor den Wahl­lo­ka­len muten fast selt­sam an. Wie Wäh­le­rIn­nen in Deutsch­land wohl reagiert hät­ten, wenn das hier so aus­ge­se­hen hät­te? Sicher mit erheb­lich weni­ger Geduld.

Was für ein unmöglicher Mensch

Ich bin ein gra­na­ten­mä­ßi­ger Geg­ner von Donald Trump. Sei­nen Wahl­sieg 2016 habe ich als Unfall betrach­tet. Ich konn­te und woll­te mir nicht vor­stel­len, dass Mas­sen von Men­schen einen sol­chen Men­schen zu ihrem Prä­si­den­ten, zum Ober­be­fehls­ha­ber des US-Mili­tärs machen könn­ten. Doch sie konnten. 

Mit dem ers­ten far­bi­gen Prä­si­den­ten wur­de den kon­ser­va­ti­ven offen­sicht­lich zu viel zuge­mu­tet. Es ging weni­ger um Oba­mas-Poli­tik, die man natür­lich in Tei­len kri­tisch sehen konn­te, es ging dar­um, dass mit sei­ner Wahl etwas in Gang gekom­men war, das die kon­ser­va­ti­ven Kräf­te, nicht hin­neh­men woll­ten, die­sem Trend muss­te etwas „Gro­ßes“ ent­ge­gen­ge­setzt wer­den. Das war schluss­end­lich die­ser Mann, der schon vor­her dafür bekannt war, dass er sein bis­he­ri­ges Dasein als Kre­tin, Unhold und Lüg­ner bestrit­ten hat­te. Trump soll­te von vorn­her­ein gegen das poli­ti­sche Estab­lish­ment des Lan­des instal­liert wer­den. Das bleibt auch rich­tig, obwohl die obers­te Hee­res­lei­tung die­ses Feld­zu­ges gegen die US-Demo­kra­tie, längst von Trump höchst­per­sön­lich kalt­ge­stellt wur­de. Ich den­ke da unter ande­rem an den ehe­ma­li­gen Breit­bart-Chef Ste­ve Bannon.

Hass, Lügen und ein Selbstverständnis, das zum Himmel stinkt

Trump braucht kei­ne Souf­fleu­sen. Sei­ne breit­bei­ni­gen Hass­ti­ra­den kriegt er ganz allein hin. So war war es echt komisch mit­zu­er­le­ben, wie er von einer Hor­de Evan­ge­li­ka­ler die Hän­de auf­ge­legt bekam und er sich bei die­ser Ver­an­stal­tung ein süf­fi­san­tes Grin­sen nicht ver­knei­fen konn­te. Dass er sei­ne Kabi­netts­mit­glie­der Lobes­hym­nen auf ihn vor­tra­gen ließ, war nur eine wei­te­re (skur­ri­le) Pein­lich­keit in den ver­gan­ge­nen lan­gen und ätzen­den vier Jah­ren die­ser Präsidentschaft.

Ich gehe seit ges­tern davon aus, dass die Welt die­sen Donald Trump vier wei­te­re Jah­re aus­hal­ten muss. 

Was immer die­se Zeit noch an mie­sen und zer­stö­re­ri­schen Aus­fäl­len die­ses Kre­tins brin­gen wir, wird abzu­war­ten sein. Viel­leicht wird Trump, der sich nach den Wah­len sicher­lich auch dar­an erin­nern wird, wie eng die deut­schen Freu­de ihm zur Sei­te stan­den (sinn­ge­mäß: „die Deut­schen wol­len mich weg­ha­ben“), wird uns bin­nen Kur­zem sicher mit eini­gen Über­ra­schun­gen beglü­cken. Freun­de (bes­ser Spei­chel­le­cker) hat er in der EU genug. Ob nun die Slove­nen, Tsche­chen, Polen oder Ungarn, die­se Län­der lech­zen ver­mut­lich nach mehr US-Mili­tär­prä­senz. Ich fin­de das per­sön­lich auch voll in Ord­nung. Hof­fent­lich denkt die deut­sche Bun­des­re­gie­rung beim Umzug dar­an, auch die Atom­waf­fen mitzugeben!

Vernachlässigtes Land

In den USA haben sich in den letz­ten Jah­ren, viel­leicht Jahr­zehn­ten, die Leu­te von dem, was wir unter Regie­rung eines Staa­tes ver­ste­hen, ent­fernt. Die Bin­dung war viel­leicht nie auch nur ansatz­wei­se ver­gleich­bar mit dem, was wir dar­un­ter ver­ste­hen. Vie­le Leu­te (etwa die Hälf­te?) in den USA wol­len kein Regie­rung, die sich ver­hält wie etwa euro­päi­sche Regie­run­gen, vor allem aber die deutsche. 

Ein für­sorg­li­cher Sozi­al­staat ist ihnen schlicht ein Grau­en. Sie bestehen auf Eigen­ver­ant­wort­lich­keit. Das passt zu der für uns kaum nach­voll­zieh­ba­ren Ein­stel­lung zu einer all­ge­mei­nen Kran­ken­ver­si­che­rung. Vie­le Ame­ri­ka­ner (die in den infra­ge kom­men­den Staa­ten) wür­den sich ver­mut­lich nie das Recht neh­men las­sen, eine Waf­fe oder meh­re­re zu besit­zen und zu tra­gen. Was für uns schier undenk­bar ist, wäre umge­kehrt für vie­le Amis ein abso­lu­tes No-Go.

Was mir zu die­sen Erklä­rungs­mus­tern, die wir häu­fig in unse­ren Medi­en gebo­ten bekom­men, nicht zu pas­sen scheint, ist die Tat­sa­che, dass die Ame­ri­ka­ner allein die Regie­rung dafür ver­ant­wort­lich machen, dass vie­le Arbeits­plät­ze im Rah­men der Glo­ba­li­sie­rung nach Chi­na und anders­wo­hin ver­lo­ren gin­gen. Gera­de in den Gebie­ten, in denen Trump erheb­li­che Stim­men­an­tei­le gewon­nen hat (also außer­halb der gro­ßen Küs­ten­re­gio­nen) hat man sein pla­ka­ti­ves „Make Ame­ri­ca Gre­at Again“ oder „Ame­ri­ca First“. Alle Natio­na­lis­ten die­ser Welt wer­den sol­chen Slo­gans viel abge­win­nen kön­nen. Das erfährt man am schnells­ten, wenn man hier bei uns dar­über mit AfD-Leu­ten diskutiert. 

Große Armut, ohne Hoffnung (nicht ausschließlich bei schwarzen Bevölkerungsteilen!)

Der Frust dar­über, dass die ver­schie­de­nen Regie­run­gen in den von gro­ßer Armut gepräg­ten vor­ma­li­gen Schwer­indus­trie­ge­bie­ten qua­si kei­nen Sup­port geleis­tet haben, scheint so nach­hal­tig und schwer­wie­gend zu sein, dass die­se Men­schen auch ihr letz­tes Ver­trau­en in staat­li­ches Enga­ge­ment ver­lo­ren haben. Die Kon­se­quenz dar­aus war: Trump!

Nimmt man sich die Ent­wick­lung der letz­ten vier Jah­re ein­mal vor, so muss man schlicht aner­ken­nen, dass die Ver­spre­chen Trumps zu einem gro­ßen Anteil eben nicht, wie bei ande­ren Poli­ti­kern (auch Oba­ma!) sonst üblich, ver­raucht und ver­ges­sen wur­den. Er nahm das bereits von Barak Oba­ma mit gewal­ti­gen finan­zi­el­len Mit­teln ein­ge­lei­te­te Auf­bau­pro­gramm für die US-Wirt­schaft als Basis für eine Steu­er­sen­kung, für die wir in Euro­pa nur Häme und Kri­tik übrig gehabt haben. 

Wer aber die Aus­wir­kun­gen ins­be­son­de­re die­ser Maß­nah­me (bis zur Coro­na-Kri­se) genau­er betrach­tet, muss kon­sta­tie­ren, dass Trump hier viel geleis­tet hat. In den USA wur­den Mil­lio­nen von neu­en Arbeits­plät­zen geschaf­fen, und die Bör­se erleb­te Hoch­zei­ten wie seit Jahr­zehn­ten nicht mehr. Dass davon nicht ein paar Bör­sia­ner pro­fi­tiert haben, son­dern vie­le US-Ame­ri­ka­ner, die in die­sem Metier erheb­lich ver­sier­ter agie­ren als wir Deut­sche, ist nicht groß zur Kennt­nis genom­men worden.

Supreme Court

Dass er im Gegen­satz zu Oba­ma geschafft hat, kon­ser­va­ti­ve Rich­ter am Supre­me Court (obers­ter Gerichts­hof der USA) zu „plat­zie­ren“ ist auch so eine Sache. In acht Jah­ren schaff­te es Oba­ma nicht (natür­lich wegen der Pro­ble­me mit den Mehr­heits­ver­hält­nis­sen im Senat), die vakan­ten Stel­len mit libe­ra­len Rich­te­rIn­nen zu beset­zen. Soweit ich es ver­stan­den habe, hat­ten die Demo­kra­ten es für unmög­lich gehal­ten, was Trump nun in den ers­ten 4 Jah­ren sei­ner Amts­zeit hin­sicht­lich der Nomi­nie­rung von 3 kon­ser­va­ti­ven Rich­tern (ein Ersatz für einen Rich­ter, den Ronald Rea­gan nomi­niert hat­te, zwei neue Rich­ter) geschafft hat. 

Dass von die­sem Erfolg auch die Evan­ge­li­ka­len pro­fi­tie­ren, die eine gewal­ti­ge Wäh­ler­grup­pe von 80 Mio. Men­schen stel­len, ist ein wei­te­rer Grund für Trumps Erfol­ge. Die­se Men­schen dür­fen nun dar­auf hof­fen, dass bei­spiels­wei­se die libe­ra­le Hand­ha­bung von Abtrei­bun­gen gekippt wür­de. Was vie­le von uns erschre­cken wird, ist für die­se from­men Leu­te eine Herzensangelegenheit.

In den USA fürch­ten sich vie­le wei­ße, kon­ser­va­ti­ve Bür­ge­rIn­nen davor, dass sie in eini­gen Jahr­zehn­ten auf­grund der demo­gra­fi­schen Ent­wick­lung, nicht mehr das Sagen im Land haben wer­den. Wir ken­nen die­se Debat­ten, unter­schät­zen aller­dings offen­bar die dor­ti­gen Behar­rungs­kräf­te, die von der trump­schen Poli­tik stark unter­stützt wird. Und zwar auf eine Art und Wei­se, die wir als unmo­ra­lisch und viel­leicht sogar ekel­haft emp­fin­den. Nur müs­sen wir sehen, wie groß die­se Grup­pe von Men­schen in den USA ist, die Trumps Lösungs­an­ge­bo­te (z.B. Mau­er nach Mexi­ko) als rich­tig betrachten. 

Dass sich vie­le von den Demons­tran­ten und Aus­sa­gen der BLM-Bewe­gung abge­sto­ßen füh­len, hat viel­leicht weni­ger mit dem immer wie­der zu Recht beton­ten sys­te­ma­ti­schen Ras­sis­mus wei­ßer Bevöl­ke­rungs­tei­le zu tun, als viel­mehr damit, dass Men­schen es (über­all auf der Welt) nicht schät­zen, in ihrem per­sön­li­chen Leben mit Gewalt und Zer­stö­rung kon­fron­tiert zu wer­den. Für die­se Betrach­tung wird es bei Lin­ken hier in Deutsch­land wenig Sym­pa­thie geben. Geschenkt! Es ist eine Wahr­heit, mit der auch alle leben müs­sen, die vie­le Hoff­nun­gen in die­se Wah­len gesteckt hatten. 

Link: Heu­te wäh­len die USA. Was ist da nur los? | kin​der​-ver​ste​hen​.de

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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4 Gedanken zu „Damit leben, dass Trump Präsident bleibt“

  1. Wie vie­le Trump-Anhän­ger braucht es, um eine Glüh­bir­ne einzudrehen?
    Kei­nen! Trump erklärt, dass sie leuch­tet, und alle applau­die­ren im Dunkeln.

    Ange­sichts die­ses Trau­er­spiels bleibt nur der Humor. Und heu­te (Frei­tag) auch ein Quänt­chen Hoff­nung, dass du nicht recht hast.

  2. Claudia 131 8. November 2020 um 12:45

    So, mit hoher Wahr­schein­lich­keit müs­sen wir nicht noch 4 Jahr mit Trump leben! 🙂

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