Wenn von alltäglichem Rassismus und Antisemitismus in Deutschland berichtet wird, gehe ich spontan in Abwehrstellung. Mir wird es zu viel. Wenn ich ehrlich bin, wächst meine Wut auch, weil mir die vielen doch recht pauschalen Vorwürfe gegen Weiße ungerecht erscheinen. Wahrscheinlich ist meine Reaktion für andere Weiße nachvollziehbar.
Egal, ob schwarz oder weiß, wer aggressiv beschuldigt wird, stellt sich gewöhnlich nicht dem Problem, sondern er bestreitet vielleicht sogar, dass es überhaupt existiert.
Einige Texte, die ich über das Thema in den letzten Wochen gelesen habe, waren in einem anklagenden Tenor verfasst. Oder habe ich sie deshalb so interpretiert, weil ich unterbewusst der Ansicht bin, dass „DIE“ sich gefälligst nicht so lautstark beklagen sollen? Wie weit bin ich so von der häufig zu hörender Empfehlung: „Wenn es dir hier nicht passt, dann geh doch woanders hin?“ entfernt? Ich habe nicht nachgedacht, sondern bin dumpfen Gefühlen gefolgt. Wie kriege ich die in den Griff? Das geht, glaube ich, nur mit Nachdenken. Nachdenken über sich selbst und diese Gedanken, für die man sich womöglich schämt, sobald man ihrer gewahr wurde.
Wer ein bisschen eintaucht in das Problem, dem wird schnell klar werden, wie sehr alltäglicher Rassismus und Antisemitismus in unserem Leben präsent sind. Es liegt auf der Hand, dass wir es als Weiße nicht bemerken. Nachdenken sollte helfen. Jeder kennt wohl einschlägige Szenen und Erlebnisse. Und jeder kann seinen eigenen Anteil beurteilen und für Abhilfe sorgen.
In einem aufschlussreichen Experiment, das die Rassismus-Forscherin Hadija Haruna-Oelker in der gestrigen Sendung mit Dunja Hayali vorführte, wurden sieben Fragen an Menschen verschiedener Herkunft und Hautfarbe gestellt.
Hier habe ich diese sieben Fragen aufgeschrieben, die ich als Alltagsfragen betrachte, weil jeder irgendwann und irgendwie damit schon zu tun hatte. Freilich, ohne sich die Fragen nach den Folgen gestellt zu haben, zu denen das Experiment so schmerzhaft Aufschluss gegeben hat. Die Verteilung der beteiligten Menschen auf dem Feld am Ende des Experiments ist nicht überraschend, wenn wir ganz ehrlich zu uns sind. Anders gefragt: Hätten wir ein anderes Ergebnis erwarten dürfen, wenn wir uns die Fragen vor dem Ablauf des Experimentes durchgelesen hätten?
Mich hat die Aussage eines jungen schwarzen Mannes zugesetzt. Seiner Äußerung habe ich entnommen, dass er wahrscheinlich ein Flüchtling ist. Er sagte, als er nach seinem Standort im Experimentierfeld gefragt wurde: „Mein Leben ist einfach so. Also, seit ich hier bin“. Dann kommt mir der dumme Gedanke von vorhin: „Wenn es dir hier nicht passt, dann geh doch woanders hin?“ aber so etwas von schäbig vor.
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