Thüringen: Das Ergebnis wieder rückgängig gemacht

„Wert mit dem Faschis­mus spielt, der spielt mit Deutsch­lands Unter­gang!“ Vor­wärts 1932

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Es war hart, fast bru­tal, wie in Thü­rin­gen die poli­ti­schen Geg­ner­schaf­ten auf­ein­an­der prall­ten. In den Bei­trä­gen rech­ter Blogs wie Tichys Ein­blick oder Ach­se des Guten sin­gen die Autoren das Lied vom Nie­der­gang der par­la­men­ta­ri­schen Demo­kra­tie, die mit Hil­fe „wil­len­lo­ser Erfül­lungs­ge­hil­fen links­ge­trick­ter Eli­ten“ die „Par­tei­en­au­to­kra­tie“ einführen. 

Das sind die glei­chen Leu­te, die pene­trant eine Äqui­di­stanz man­cher deut­schen Par­tei­en zu rech­ten und lin­ken Extre­mis­ten (AfD und Links­par­tei) ein­for­dern. Sie sehen auch kei­ne Not­wen­dig­keit sich von den Taten zu distan­zie­ren, die von rechts­extre­men Mör­dern began­gen wur­den. Wenn von einem Zusam­men­hang zwi­schen Wor­ten und Taten die Rede ist, macht sich ein Hen­ryk M. Bro­der im Gegen­teil dar­über lus­tig, dass dann ja guten Wor­ten auch gute Taten fol­gen müss­ten. So kann man die Intel­li­genz aller Betei­lig­ten belei­di­gen. Selt­sam, dass das bei den Rech­ten kei­ner merkt.

Vergleiche

Wie kommt man nur auf die Idee, die Links­par­tei, die Thü­rin­gen fünf Jah­re hin­durch aner­kannt gut regiert hat, mit der AfD auf eine Stu­fe zu stel­len? Genau das pas­siert in rech­ten Medi­en (nicht erst seit ges­tern) aber am lau­fen­den Band.

Es fällt auf, dass die­se Lese­rIn­nen eine beson­de­re Nähe und Sym­pa­thie zu den Faschis­ten der Höcke – Par­tei zei­gen, dafür aber die Links­par­tei zur Höl­le wün­schen. Im Gegen­ein­an­der­auf­rech­nen sind sie äußerst krea­tiv. Ihre Lese­rIn­nen neh­men jeden Tipp begie­rig auf und gehen gele­gent­lich soweit, die Opfer zwi­schen 1933 und 1945 gegen die­je­ni­gen auf­zu­rech­nen, die Sta­lins – Regime gefor­dert hat. Sogar die Ver­bre­chen, die unter der SED-Herr­schaft gesche­hen sind, wer­den für Ver­glei­che mit den Opfern der „Fliegenschiss“-Ära her­an­ge­zo­gen. Sie haben nichts aus unse­rer Geschich­te gelernt.

Linksextremisten sind so schlimm, das Schlimmste überhaupt – nicht nur in Thüringen

Das sind die glei­chen, die mit Inbrunst dar­über strei­ten, ob nun Rechts- oder Links­extre­mis­mus schlim­mer ist. Jedem Vor­fall folgt eine neue Dis­kus­si­on dar­über, dass der Links­extre­mis­mus viel schlim­mer sei. Eine Eini­gung dar­über, dass jede Art von Extre­mis­mus in unse­rem Land nichts zu suchen hat, fin­det nie, nicht ein­mal im Ansatz, statt. Ein Blick auf die Sta­tis­tik wäre lehr­reich. Aber die sind bekannt­lich ja gefälscht.

Wahr­schein­lich wird der neue Minis­ter­prä­si­dent Kem­me­rich der­je­ni­ge mit der kür­zes­ten Amts­zeit. Ges­tern ins Amt gewählt, heu­te sag­te er, dass sein Rück­tritt „unum­gäng­lich“ sei. 

Viel­leicht war der Mann ges­tern so über­rascht davon, dass er durch die AfD zum thü­rin­gi­schen Minis­ter­prä­si­den­ten wur­de, dass er des­halb auf die Fra­ge, ob er die Wahl annimmt, mit JA geant­wor­tet hat? Oder er ist halt durch und durch FDP und nimmt, was er krie­gen kann. 

Einen Tag spä­ter hat ihn die Ein­sicht in Per­son sei­nes Bun­des­vor­sit­zen­den ein­ge­holt: das kann nichts wer­den! Wie könn­te er die nöti­gen Mehr­hei­ten erhal­ten, ohne auf die Stim­men der AfD bau­en zu kön­nen? Unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen hät­te er von Links­par­tei, Grü­nen und SPD näm­lich gar nichts zu erwarten. 

Nicht nur Curio ist noch schlimmer

Die AfD reagiert heu­te ange­pisst. Ja, so ist das. Nicht jeder Tag endet mit einem Freu­den­fest. Heu­te noch auf hohen Ros­sen, mor­gen durch die Brust geschos­sen. Also, Feu­er aus allen Twitter-Rohren: 

Es wird zu Neu­wah­len kom­men und – machen wir uns nichts vor – im schlimms­ten Fall wird die Höcke – Par­tei noch ein­mal zule­gen. Es ist unwahr­schein­lich, dass die CDU von dem Desas­ter, an dem sie die Mit­ver­ant­wor­tung trägt, pro­fi­tie­ren kann. Viel­leicht flie­gen FDP und Grü­ne bei die­sen Neu­wah­len aus dem Par­la­ment. Das Sze­na­ri­um ist scheint heu­te wahrscheinlich.

Provokationsgeschäft in Thüringen

Dann stel­len sich die Ver­hält­nis­se noch ein­mal anders. Die AfD wird die Ent­wick­lung zwar mit viel Häme aber doch auch mit pro­vo­zie­ren­der Gelas­sen­heit beglei­ten. Sie wird die Chan­ce nut­zen, die eta­blier­ten Par­tei­en, die unse­rer Demo­kra­tie durch ihr kaum zu hei­len­des Ver­hal­ten einen Bären­dienst erwie­sen haben, am Nasen­ring durch die Mane­ge zu führen. 

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Jetzt wäre es wich­tig, dass die Kanz­le­rin mit der Par­tei­vor­sit­zen­den zunächst ein­mal dafür sorgt, dass die „Wer­te-Uni­on“ als Par­tei in der Par­tei ihr Wir­ken einstellt. 

Nicht zuletzt den Auf­trit­ten des ehe­ma­li­gen Ver­fas­sungs­schutz­prä­si­den­ten Maa­ßen ist die Mise­re der CDU zuzu­schrei­ben. Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass die The­sen, die Maa­ßen ver­tritt, der CDU zuträg­lich waren, eher wohl ihrer Kon­kur­renz am rech­ten äuße­ren Rand. Maa­ßen und sei­ne Mit­strei­ter in dem natio­nal­kon­ser­va­ti­ven Hau­fen soll­ten von der CDU kalt­ge­stellt wer­den. Polenz, der ehe­ma­li­ge Gene­ral­se­kre­tär der CDU hat das klar gefor­dert. Die so genann­te „Wer­te-Uni­on“ kann ja ihren eige­nen Ver­ein grün­den oder am bes­ten gleich in die AfD ein­tre­ten. Maa­ßen wäre dort jeden­falls gut auf­ge­ho­ben. Er kann ja mit Sar­ra­zin einen Auf­nah­me­an­trag stellen.

Demokratie in Gefahr

Ich fürch­te, rück­gän­gig wur­de das Thea­ter, das ges­tern unter tosen­dem Bei­fall von der AfD in Thü­rin­gen ver­an­stal­tet wur­de, nicht gemacht. Denn der Scha­den für die Demo­kra­tie ist da. Das Desas­ter zeigt u.a., wie unsi­cher vie­le Poli­ti­ker sind, wenn es ent­we­der um den eige­nen Macht­er­halt geht oder um das Aus­lo­ten und Bewer­ten der Bereit­schaft in unse­rer Gesell­schaft, mit Faschis­ten irgend­wie doch zusam­men­ar­bei­ten zu sol­len. Dass das nicht ganz klar ist, sagt etwas aus über den Zustand unse­rer Demo­kra­tie.


Bild von Susan­ne Jut­ze­l­er, suju-foto auf Pixabay

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Parteien Ramelow Thüringen

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2 Gedanken zu „Thüringen: Das Ergebnis wieder rückgängig gemacht“

  1. Die Kla­ge­ru­fe der AfD dürf­ten doch rei­ne Heu­che­lei sein, denn für mich steht lei­der nur ein Sie­ger der letz­ten 24 Stun­den fest: die AfD 

    Es ist ihr gelun­gen das gesam­te Sys­tem zu ihren Guns­ten zu mani­pu­lie­ren. Von einer über­rum­pel­ten bür­ger­li­chen Mit­te in Thü­rin­gen, die plötz­lich den Minis­ter­prä­si­den­ten stellt, über pflicht­ge­mäß belei­dig­te Lin­ke, bis zu einem auf­schrei­en­den Poli­ti­kestab­lish­ment. Jeder, aber wirk­lich jeder hat vor­her­seh­bar reagiert. Wie ein Auto­ma­tis­mus, den Höcke nur noch in Gang set­zen muss­te. Und das macht es viel­leicht noch schlim­mer. Man muss­te nicht mal ein bril­lan­ter Poli­tik­stra­te­ge sein, es hat eine ein­fa­che Fin­te aus­ge­reicht. Die AfD hat ein Spiel gespielt, ohne Risi­ko, aber vor allem ohne die Mög­lich­keit zu verlieren. 

    Hät­te Kem­me­rich „nein“ gesagt, hät­te Höcke grin­send behaup­tet, ja, aber er hät­te ja kon­struk­ti­ve Poli­tik machen wol­len. Hät­te Kem­me­rich regiert, dann nur von Höckes Gna­den. Gewor­den ist es die drit­te Opti­on, in der sich die AfD wie­der auf die lieb­ge­won­ne­ne Opfer­rol­le zurück­zie­hen kann, die all ihre Vor­ur­tei­le zu bele­gen scheint. Neu­wah­len wären zwei­fel­los allein des­halb eine schlech­te Idee, weil ein Höcke, der jetzt schon vor Kraft kaum lau­fen kann, noch ein­mal zule­gen dürfte. 

    Und die Ein­fach­heit, mit der ihm das gelun­gen ist, hin­ter­lässt bei mir einen Ein­druck von Fas­sungs­lo­sig­keit. Ich glau­be lei­der, dass es der AfD in 24 Stun­den gelun­gen ist, dem Sys­tem einen irrepa­ra­blen Scha­den zuzu­fü­gen. Und man­geln­de Bereit­schaft dar­aus zu ler­nen, lässt mich befürch­ten, dass das erst das Vor­spiel gewe­sen sein könnte.

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