Radikal wie die Taliban ?

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Vie­le – hof­fe ich – wun­dern sich dar­über, dass Anti­se­mi­tis­mus in unse­rem Land in sol­chen Aus­prä­gun­gen und Grö­ßen­ord­nun­gen exis­tiert. Jede jüdi­sche Ver­an­stal­tung, Syn­ago­gen und Schu­len müs­sen durch Poli­zei geschützt werden. 

Hanau und Halle

Der ver­such­te Anschlag auf die Syn­ago­ge in Hal­le war in die­ser Hin­sicht „nur“ ein Bei­spiel, das beson­ders viel Auf­merk­sam­keit erlang­te. Die Wahr­heit ist viel schlim­mer. Und zwar des­halb, weil sich unse­re Gesell­schaft auf sol­che Erfah­run­gen ein­ge­stellt hat. Wir haben uns dar­an gewöhnt. Es klingt schreck­lich, ist aber so.

Eben­so war es in Hanau. Ein Deut­scher hat neun Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ermor­det, das Ent­set­zen war groß. Gedenk­fei­ern hel­fen nicht dabei, das Pro­blem mit Stumpf und Stiel auszumerzen.

Gleich­zei­tig ist die Beob­ach­tung all der Dis­kus­sio­nen über Ras­sis­mus und Frem­den­feind­lich­keit fast immer geprägt, manch­mal sogar über­la­gert von Unver­ständ­nis und Ableh­nung der The­sen, die von Ras­sis­mus und Frem­den­feind­lich­keit betrof­fe­ne Men­schen gern als Grund­la­ge für einen gesell­schaft­li­chen Dis­kurs nach vorn gestellt sehen möchten. 

Corona und radikale Meinungen

In der Coro­na-Kri­se, die ver­ständ­li­cher­wei­se vie­le von uns krass über­for­dert, zei­gen vie­le Men­schen eine Sei­te von sich, die erschre­ckend ist. Extre­me Mei­nun­gen und Gedan­ken wer­den von denen offen­bart, die gegen eine Fort­set­zung des so genann­ten Lock­downs sind. Die glei­che Radi­ka­li­tät sehen wir aller­dings auch auf Sei­ten der­je­ni­gen, denen die Maß­nah­men der Regie­rung noch nicht weit genug gehen. 

Zwi­schen den Polen unter­schied­li­cher Über­zeu­gun­gen ent­wi­ckel­ten sich teils kras­se Sicht­wei­sen zum Teil auch mit abwe­gi­gen oder dif­fu­sen Zuord­nun­gen von Ver­ant­wort­lich­kei­ten. Exis­ten­zi­el­le Zukunfts­sor­gen auf der einen, gesund­heit­li­che Vor­sor­ge auf der ande­ren Sei­te sto­ßen so auf­ein­an­der, dass eine Über­ein­kunft nicht mehr mög­lich scheint.

Manch­mal habe ich das Gefühl, als stün­de die Demo­kra­tie auf dem Spiel. So radi­kal und unver­söhn­lich sto­ßen Mei­nungs­bil­der zusam­men. Über 75 Jah­re liegt ein faschis­ti­sches Regime hin­ter uns. Eines, das auch des­halb instal­liert wer­den konn­te, weil die Men­schen mit ihrer bis­he­ri­gen Geschich­te wenig bis kei­ne Erfah­rung mit dem ent­wi­ckeln konn­ten, was wir Demo­kra­tie nen­nen. Man­che glau­ben bis heu­te, dass wir die Imple­men­ta­ti­on die­ser bis dahin unbe­kann­ten Gesell­schafts­form (von Wei­mar abge­se­hen) ohne die Hil­fe der Ame­ri­ka­ner nicht hin­be­kom­men hät­ten. Inso­fern sind wir womög­lich zu unse­rem Glück gezwun­gen worden. 

Dass west­li­che Demo­kra­tien bis heu­te glau­ben, sie könn­ten ihre Wer­te ande­ren Natio­nen not­falls mit Gewalt bei­brin­gen und die­sen einen Sinn für frei­heit­li­che Struk­tu­ren, Men­schen­rech­te, Rechts­staat­lich­keit u.s.w. ein­hau­chen, hat sich in den letz­ten Jahr­zehn­ten als Fehl­an­nah­me erwiesen. 

Wie Nazis und andere Menschenfeinde das Land aufmischen

Wenn wir Nazis und Men­schen­fein­de in die­sem Land mit die­ser Geschich­te und Tra­di­ti­on nicht klein­hal­ten konn­ten, wie zum Teu­fel kom­men wir nur dar­auf, einem Land wie Afgha­ni­stan Demo­kra­tie ver­ord­nen zu kön­nen? Ob die Ame­ri­ka­ner die­sen „Auf­trag“ nun erfun­den haben, um ihren Kampf gegen den Ter­ror halb­wegs recht­fer­ti­gen zu kön­nen oder nicht, wir haben uns dar­auf ein­ge­las­sen, dabei mit­ge­macht und sind nun seit zwan­zig Jah­ren in die­sem Land mili­tä­risch enga­giert. Es hat zum einen kei­ne Frie­dens­tra­di­ti­on vorzuweisen. 

Anfang der 1970er Jah­re ende­te in Afgha­ni­stan eine 40-jäh­ri­ge Frie­dens­pe­ri­ode. Seit­her befin­det sich die­ses Land im Krieg. Wir ste­hen heu­te vor dem Dilem­ma, dass die Alli­ier­ten immer noch kei­nen Weg ken­nen, sich aus dem Land zurück­zu­zie­hen. Jeder, der sich auch nur ein biss­chen für die Lage inter­es­siert, weiß, dass die Tali­ban sehn­lichst dar­auf war­ten, das Kom­man­do wie­der über­neh­men zu können. 

Fehlende Exitstrategien – wie bei Corona

Der Ver­such, das Land von den Tali­ban zu befrei­en, ist geschei­tert. Mehr noch. Die Erkennt­nis ist gereift, dass „der Wes­ten“, der ohne­hin dabei ist, sich in sei­ne Ein­zel­tei­le zu zer­le­gen (Natio­na­lis­mus), dem Land weder Frie­den noch Demo­kra­tie gebracht hat. Alle Fort­schrit­te für die Men­schen, alle Hoff­nun­gen, die es dort zu ver­zeich­nen gab, wer­den sich mit dem Rück­zug der Alli­ier­ten aus Afgha­ni­stan in Luft auflösen. 

Dar­über, dass die west­li­chen Stra­te­gen die­se Wir­kung ihres „Kamp­fes gegen den Ter­ro­ris­mus“ nicht bedacht haben, dür­fen wir uns nicht wun­dern (feh­len­de Exit­stra­te­gie). Sol­che Über­le­gun­gen spie­len bei Kriegs­trei­bern nie eine Rol­le. Die Maxi­me war bekannt­lich eine ande­re. Und auch die­se ist kläg­lich gescheitert.

So wird es also ein biss­chen so wer­den wie der­zeit in Deutsch­land. Radi­ka­le, reak­tio­nä­re Kräf­te wer­den erstar­ken und gegen die kämp­fen, die ver­su­chen, ein Mini­mum des Fort­schrit­tes auf gesell­schaft­li­chen Fel­dern (Frau­en­rech­te, Bil­dungs­chan­cen) zu erhalten. 

Zukunft der Demokratie

Die Aus­wir­kun­gen, die die Pan­de­mie auf die Sta­bi­li­tät gan­zer Gesell­schaf­ten mög­li­cher­wei­se noch haben wird, kön­nen umso schwer­wie­gen­der sein, je weni­ger Zuspruch und gesell­schaft­li­che Soli­da­ri­tät die gewähl­ten Ver­tre­ter unse­res Gemein­we­sens erfah­ren. Wir wis­sen, dass Poli­ti­ker aller Lager von Extre­men nicht nur ver­bal ange­fein­det, son­dern mit Mord­dro­hun­gen über­zo­gen werden. 

Die­sen Grad an Unzi­vi­li­siert­heit und Dumm­heit hät­te ich vor 10 oder 15 Jah­ren nicht für mög­lich gehal­ten. Die Ver­ant­wor­tung für die­se Ent­wick­lung liegt auch bei den Medi­en. Zu viel ist unge­sund. Das gilt am Ende auch für alar­mis­ti­sche Bericht der Medi­en. Irgend­wann stump­fen die Leu­te ab und neh­men Gefah­ren viel­leicht gar nicht mehr als sol­che wahr. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Afghanistan Antisemitismus Hanau Migranten

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